Münchens Party-Papst:"Ich mag Müll"

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Wolfgang Nöth über seinen Riecher, das Verhältnis zu seinen Nachbarn und die "unglaubliche Kraft" des Geldes.

Von Jochen Temsch

SZ: Wie ist die Lage? Nöth: Geographisch, oder was? Die Kultfabrik ist der Norden, wir sind der Süden. Die liegen näher an der S-Bahn. Im Optimolwerk scheint alles gut zu laufen. Die Wirte sind im Großen und Ganzen zufrieden. Aber alles ist nur eine Zwischenstation in Richtung Fröttmaning und Kunstpark Nord. Wenn alles abgestimmt ist, fangen wir zum Bauen an.

"Ich mag Müll": Party-Papst Wolfgang Nöth. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Und die Folgen des Sommers? Nöth: Auf dem Optimolgelände wüsste ich niemanden, der seine Miete nicht bezahlen kann. Die Mieten sind so schmal wie das Gelände. Die Lokale gehen gut. Auch das Spiegelzelt. Wenn "Caveman" spielt, ist ausverkauft. Experimente gehen zurzeit nicht.

SZ: Warum? Nöth: Die Investionen waren hoch, wir haben alle zu kämpfen. Wir drehen jeden Pfennig drei Mal um. Wir haben nicht das große Angebot wie die Kultfabrik, das machen wir wett durch Qualität.

SZ: Was sind die inhaltlichen Unterschiede zur Kultfabrik? Nöth: Das Optimol ist ein etwas kleinerer Außenseiter. Unsere Besucher sind im Schnitt älter. Die Kultfabrik ist mit großen Versprechungen angetreten, ein Publikum ab 30 aufwärts zu holen - ein weit verfehltes Ziel. Die jungen Leute gehen aus. Das war schon immer so.

SZ: Sie haben mal gesagt, wenn Sie nach Meinung der Kultfabrik-Leute die "Hafenstraße" sind, sei die Kultfabrik der "Dorfangerweg". Nöth: Ich würde eher sagen, die haben jetzt die Bronx. Ich mag die Hafenstraße. Ich möchte auch weiterhin ein Punk sein. Ich möchte die Obrigkeit immer wieder wecken, tratzen, kitzeln, damit sie sich bewegt. Ich will nicht reif werden, denn danach kommt die Fäulnis. Im Oktober werde ich 60 Jahre alt. Ich bin immer noch ein Straßenkämpfer, kämpfe nicht vom Schreibtisch aus.

SZ: Die beiden Gelände profitieren doch auch voneinander, oder ? Nöth: Es wurde Zusammenarbeit angestrebt, etwa eine gemeinsame Partyzone, aber so was kann nicht einseitig sein. Der vermeintlich Kleine muss nicht zum angeblich Großen gehen. Klein in der Fläche heißt nicht klein im Gehirn.

SZ: Welche Rolle spielen Sie als alter Profi für junge Clubs? Nöth: Zum Beispiel habe ich die Leute vom Harry Klein überredet, zu uns zu kommen. Ich bin zwar selten in deren Kunstpark-Club Ultraschall erschienen, muss mich aber auch nicht unbedingt mit der jeweiligen Kunst identifizieren. Mir reichen die Macher. Sie sind seriös und ehrlich. Solche Leute brauche ich in Fröttmaning. Die will ich um mich scharen, dann wird das eine riesen Bastion.

SZ: Wie funktioniert Ihr Riecher? Nöth: Ich unterhalte mich mit den Leuten, beobachte und analysiere. Ich lege mich auch mal mit ihnen an, bis schon mal einer sagt: Opa, geh halt ins Bett, wenn du es nicht mehr verträgst. Ich habe ein Auge und ein Ohr. Aber ich bin kein Disko-Fan. Meine Welt sind Theater, Kunst, Kabarett. Kunst und Kultur sind der Motor aller unserer Unternehmen.

SZ: Wie ist Ihr momentanes Verhältnis zum Bezirksausschuss? Nöth: Man fragt sich schon, woher der Sinneswandel des Bezirksausschusses kommt, der sagte, wenn der Nöth geht, gibt es nichts Neues mehr auf dem Gelände. Und jetzt bekommt die Kultfabrik alles genehmigt. Anscheinend hat die Macht des Geldes eine unglaubliche Kraft. Ich bin sauer, dass Politiker so beweglich sind. Das hat nichts mit Neid zu tun. Wegen mir können die da drüben 150 Lokale aufmachen. Ich bin wie David gegen Goliath. Das macht mich nur kreativer - nicht aggressiver, auch wenn es so aussieht. Alles, was hüben und drüben passiert, entscheidet der Gast.

SZ: Sauberer ist es drüben schon geworden. Nöth: Ich mag Müll. Denn wenn ich welchen habe, hatte ich auch viele Gäste. Einen guten Umsatz misst man an der Müllabfuhr. Bei uns kommt sie vier Mal die Woche.

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