München: Stadtlauf:"Sehr schwer, sehr heiß"

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Ein Rennen zwischen Fußball-Vorfreude und Sonnen-Angst: 17.021 Teilnehmer kämpfen beim Münchner Stadtlauf gegen die Temperaturen - und ein Olympiasieger lässt es locker angehen.

Julian Galinski

Jan und Kai Schäfer sind erfahrene Ausdauersportler, deshalb kommen sie recht entspannt nach knapp drei Stunden und 21 Kilometern im Ziel an. Damit die Sonne nicht so auf den Kopf brennt, haben sie beigefarbene Hüte aufgesetzt und damit sie nicht aus dem Kinderwagen fallen, hat sie Vater Axel angeschnallt. "Wir sind alle zwei Tage zusammen unterwegs", sagt Schäfer, "und wir hatten im Englischen Garten ja auch viel Schatten."

17.022 Teilnehmer zählten die Veranstalter des Münchner Stadtlaufs - der bekannteste unter ihnen war der ehemalige Olympiasieger Nils Schumann. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Er ist früher Marathon gelaufen, hat ein Jahr pausiert und tastet sich nun wieder an die längeren Distanzen heran. Seine Söhne schiebt er dabei vor sich her. Es darf durchaus als Qualitätsmerkmal gelten, dass der Münchner Stadtlauf nicht nur Athleten auf der Jagd nach der nächsten Bestzeit, sondern auch Familien wie den Schäfers Strecke und Rahmen bot.

Ein gutes Stück schneller und ohne Kinderwagen unterwegs war über die Halbmarathondistanz Rudi Brunner, er war der schnellste Mann bei einer Zeit von einer Stunde, zehn Minuten und sieben Sekunden. Die beste Frau war Monica Deidda, sie kam nach eineinhalb Stunden und 24 Sekunden ins Ziel. Um acht Uhr war am Marienplatz der Startschuss für die reizvolle Runde durch den Englischen Garten gefallen, von kurz nach neun bis weit nach elf Uhr kamen die Teilnehmer, 17.022 waren es ganz genau, wieder in der Stadtmitte an.

Die einen zufrieden grinsend, weil sie eine gute Zeit gelaufen waren, oder es genossen, auf der Zielgeraden von Marienhof bis Marienplatz von Hunderten Menschen bejubelt zu werden. Die anderen kurz vor dem Zusammenbruch und nach Flüssigkeit lechzend. "Insgesamt gab es keine schlimmeren Verletzungen", sagte Bernd Leuschner, der sportliche Leiter der Veranstaltung, "die Leute sind bei 30 Grad verantwortungsbewusst gelaufen und nicht an die absoluten Grenzen gegangen."

Um elf Uhr sammelten sich dann die Teilnehmer des Zehnkilometerlaufs und die Schlange aus 7000 Leuten reichte weit in Richtung Sendlinger Tor. Fast 16 Minuten dauerte es, bis alle am Start blockweise abgefertigt waren. Dreimal erschallte das dramatische Thema aus dem Fluch der Karibik, dreimal die Einmarschmusik der Chicago Bulls, mit dem Unterschied, dass danach kein Dutzend Basketballer auf das Feld, sondern Tausende Läufer nach dem Startschuss auf die Strecke stürmten.

Nils Schumann - ganz entspannt

Die deutschen Farben waren aufgrund des WM-Achtelfinales gegen England sehr beliebt, als Tuch um den Kopf gebunden, wie ein Cape auf dem Rücken getragen oder einfach optimistisch auf die Wangen gemalt, was wegen der Schweißbäche nicht von Dauer war. Ein Teilnehmer lief gar als Waschlotion verkleidet mit. Auf Hüfthöhe der meisten anderen Teilnehmer stürzte sich Nikita Trevisiol ins Gedränge. Dass er nach knapp 50 Minuten ins Ziel kam, ist schon allein deshalb bemerkenswert, weil der Achtjährige den Nachteil erheblich kürzerer Beine als die meisten anderen Teilnehmer in Kauf nehmen musste. Warum er mitgelaufen ist? "Ich weiß es nicht", er hat eben immer schon Ausdauersport gemacht, "die zehn Kilometer aber erst seit ich sieben bin".

Noch schneller entkam der orangenen Masse Martin Lieberz. Der 33-jährige Münchner, als Junior Mitglied der Triathlon-Nationalmannschaft, absolvierte die kleinere Runde in 34,42 Minuten. "Sehr schwer, sehr heiß", sagte er im Ziel, "ich habe auch das Gefühl, es waren ein klein wenig mehr als zehn Kilometer." Deshalb war Lieberz zwar mit seiner Platzierung, nicht aber mit seiner Zeit zufrieden. "Ich bereite mich gerade vor, wieder professionell in den Ausdauersport einzusteigen." Knapp vier Minuten nach ihm, nach 38,23 Minuten, kam die Siegerin über zehn Kilometer der Frauen, Claire Perrin, ins Ziel. Und das, obwohl auch sie unter der Hitze sehr gelitten hatte. "Ich komme aus der Bretagne", sagte die 24-Jährige, sie wohne noch nicht lange in München und es war ihre erste Teilnahme am Stadtlauf.

Olympiasieger Nils Schumann trabte entspannt nach knapp 48 Minuten ins Ziel. Sechzehn Minuten über seiner persönliche Bestzeit, aber ohne jegliche Verschleißerscheinungen. Inmitten einiger, die sich mit hochroten Köpfen und nach Luft schnappend nur noch erschöpft und unfreiwillig theatralisch auf den Boden vor dem Rathaus schmeißen konnten.

Eine Lösung für 2011, falls es wieder so heiß werden sollte, hat Bernd Leuschner schon jetzt: Die überschaubaren fünf Kilometer als zusätzliche Strecke.

© SZ vom 28.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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