München:Der neue Bahnhof - ein edles Schaufenster

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Das Münchner Architekturbüro Auer und Weber hat den Wettbewerb gewonnen - bis 2012 soll der Bau fertig sein.

Alfred Dürr

Mehr als drei Jahre diskutiert man schon über das Erscheinungsbild des neuen Münchner Hauptbahnhofs. Jetzt steht fest, wie er aussehen soll. Am Wochenende hat sich die Bahn für den Entwurf des Münchner Architektenbüros Auer und Weber entschieden.

Auslandend und einladend zugleich präsentiert sich der Siegentwurf für den neuen Münchner Hauptbahnhof. Er soll auch den Vorplatz optisch aufwerten. (Foto: Simulation: A+W)

Das imposante Gebäude präsentiert sich als auffälliges Stadtfoyer. Charakteristisch ist ein kraftvoller, vorspringender Dachkörper. Spätestens 2012 soll der Neubau fertig sein.

Mit ihrem Entwurf für das Empfangsgebäude und für den Starnberger Flügelbahnhof wollen Auer und Weber den gesamten Bahnhofsbereich - das gilt vor allem auch für den Vorplatz - aufwerten und neu interpretieren. Geplant ist, die Büro- und Hotelnutzungen in einen markanten Dachkörper zu heben, was eine besonders eindrucksvolle architektonische Geste ist.

Die Planer nehmen Abschied vom Bahnhof des 19. Jahrhunderts. Sie schaffen den modernen Typus eines Terminals, das nicht nur ein für Reisende angenehmes und effizientes Verkehrsbauwerk ist, sondern auch ein riesiges Dienstleistungszentrum. Deswegen sprechen die Planer von einem neuen Stadtfoyer oder vom imposanten Schaufenster zur Innenstadt. Auch der Begriff einer bedeutsamen Visitenkarte für die Landeshauptstadt München macht die Runde.

150 Bewerbungen

Diese Neubau-Variante soll nun realisiert werden. Bis spätestens 2012 will man fertig sein. Der Kostenrahmen liegt bei grob geschätzten 300 Millionen Euro. Am Wochenende hatte sich das Preisgericht zu seiner abschließenden Sitzung getroffen. Im Verlauf der Woche will die Bahn das Ergebnis offiziell vorstellen.

2003 hatten Bahn, Stadt und bayerisches Verkehrsministerium den Gestaltungswettbewerb ausgelobt. Insgesamt 150 Teams hatten sich beworben. Zwölf waren in die engere Auswahl gekommen und reichten ihre Konzepte ein. Die Jury entschied sich für eine gleichrangige Preisgruppe unter den Teams Auer und Weber (München und Stuttgart), Gewers, Kühn und Kühn (Berlin) sowie Benthem Crouwel (Amsterdam).

Die Finalisten mussten ihre Planungen überarbeiten. Die Anforderungen sind hoch kompliziert.

Schließlich soll nach außen hin nicht nur eine Verkehrsstation mit europäischem Format entstehen, wie es Stadtbaurätin Christiane Thalgott formuliert. Vor allem das Innenleben des neuen Bahnhofs hat äußerst anspruchsvollen Kriterien zu genügen.

Hat seinen Dienst getan: Der alte Münchner Hauptbahnhof. (Foto: Foto: dpa)

Gebaut wird bei laufendem Betrieb

Die Kernfragen: Wie lassen sich mögliche neue Strecken (Transrapid, zweite S-Bahn-Stammstrecke, durchgehende Fernbahnverbindung zum Ostbahnhof) integrieren? Wie gestaltet man die Verbindungswege zwischen den einzelnen Systemen möglichst kurz und übersichtlich? Wie kann die Stadtgestaltung im Bereich des Vorplatzes verbessert werden? Und vor allem: Kann das jeweilige Konzept bei weiter laufendem Bahnhofsbetrieb Schritt für Schritt gebaut werden?

Wegen funktioneller Schwächen schied der eindrucksvoll runde und geschwungene Entwurf der Holländer aus. Gewers, Kühn und Kühn punkteten mit der inneren Erschließung des Bahnhofs. Ihr Kerngedanke war ein zentraler, klar strukturierter Treppenhaus-Komplex, der zwölf Meter in die Tiefe führt und von dem aus die einzelnen Verkehrsmittel gut zu erreichen sind.

Ein bestechendes Konzept, das jetzt nach Vorstellung der Bahn auch bei Auer und Weber realisiert werden soll.

Allerdings traf die eher unauffällige Gebäudefassade der Berliner auf weniger Gegenliebe. Die Funktion eines Bahnhofs spiegele sich da nicht wider, hieß es. Es könne sich genauso gut um ein x-beliebiges Bürogebäude handeln. Spötter hatten gar die Assoziation von einem Kaufhaus mit Gleisanschluss.

Großzügig und raumgreifend

Architekt Oliver Kühn setzte also eher auf ein dezenten Erscheinungsbild, auch in der überarbeiteten Form mit den jetzt großflächigeren Glasfassaden. Er wollte den Bahnhof möglichst nicht als Fremdkörper in die vorhandenen städtebaulichen Strukturen einfügen. Obwohl der Entwurf kostengünstiger und gut in Teilabschnitten umzusetzen gewesen wäre, hat man sich gegen ihn entschieden.

Denn Auer und Weber glänzten mit ihrem großzügigen und raumgreifenden Projekt für das neue Stadtzentrum, mussten wohl aber etwas abspecken. Sie hatten von Anfang an bei den Fachleuten die Favoritenrolle besetzt. Ein neues Verkehrsbauwerk für das 21. Jahrhundert soll eben auch eine ganz besondere Ausstrahlung haben.

Allerdings sprengten die Dimensionen zunächst dann doch etwas die Maßstäbe der Umgebungsbebauung. Hier und bei der inneren Organisation musste kräftig nachgebessert werden.

Über den Sieger Auer und Weber sowie über die Entscheidungskriterien haben sich Bahn, Stadt und Freistaat noch nicht geäußert. Sie wollen dies erst auf einer Pressekonferenz tun. Eine Reihe von Fragen sind offen. So liegen beispielsweise noch keine exakten Kostenkalkulationen vor.

Die Beteiligten am Projekt müssen einen Finanzierungsplan aufzeigen. Allerdings gilt in der Immobilien- und Investorenszene der neue Münchner Hauptbahnhof als ein hoch attraktives Betätigungsfeld. Zu hören ist, dass die Interessenten schon Schlange stünden.

Sicher ist, dass am Hauptbahnhof eine der größten und kompliziertesten Baustellen Deutschlands entstehen wird. Realistischerweise fahren die Bagger erst Anfang nächsten Jahres auf. Zur Fußball-WM wird man den ankommenden Gästen noch etwas Ruhe gönnen.

© SZ vom 13.03.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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