Mordfall Böhringer:Showdown im Gerichtssaal

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Gereizte Stimmung im Mordprozess Böhringer: Der Chef der Münchner Mordkommission Wilfling und Verteidiger Witting geraten im Gerichtssaal aneinander.

Alexander Krug

Lange war der Showdown erwartet worden. Nun, am 28. Verhandlungstag im Prozess um die Ermordung der Parkhaus-Millionärin Charlotte Böhringer, ist es soweit.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Kriminaloberrat Josef Wilfling, Chef der Münchner Mordkommission, sagt als Zeuge aus. Viel war auf ihn und seine Kollegen eingeprasselt in den vergangenen Monaten. Ihre Verhörmethoden wurde scharf kritisiert, die vermeintlich frühzeitige Fokussierung auf einen Beschuldigten gerügt und die angeblich mangelhaften Ermittlungen im Umfeld moniert.

Wortführer der Kritik ist Verteidiger Peter Witting. Und nun sitzen sich die beiden Kontrahenten im Saal des Schwurgerichts gegenüber.

Sofort ist die Stimmung gereizt. "Bevor ich auf meine Liste schaue, will ich eines wissen", sagt Witting und fixiert Wilfling. Es habe doch am 18. Mai vorigen Jahres ein Treffen im Polizeipräsidium gegeben. Er (Witting) habe um ein Gespräch mit dem damals beschuldigten - und nun wegen Mordes angeklagten - Benedikt T. gebeten. Dies habe Wilfling mit folgendem Satz abgelehnt: "Unter uns Pfarrerstöchtern, von ihnen lasse ich mir nicht in die Suppe spucken."

Wilfling zuckt mit den Schultern. "Das mit den Pfarrerstöchtern mag ja sein", sagt er unter dem Gelächter der Zuschauer, aber den zweiten Teil des Satzes bestreite er entschieden. Also bezichtige er ihn der Lüge, hakt Anwalt Witting nach, "das finde ich ziemlich dreist". "Ich finde auch ziemlich viel dreist, was sie uns hier so vorwerfen", kontert Wilfling.

Freunde werden Witting und Wilfling wohl im Leben nicht mehr, aber darum geht es schließlich auch nicht. Es geht um den Mord an Charlotte Böhringer. Am 16. Mai vorigen Jahres wurde sie in ihrer Wohnung über ihrer Parkgarage in der Baaderstraße erschlagen aufgefunden.

Die Ermittler vermuteten aufgrund mehrerer Indizien sofort eine Beziehungstat. Nur zwei Tage später wurde Böhringers "Lieblingsneffe" Benedikt T. festgenommen. Der Student arbeitete in der Parkgarage, war finanziell abhängig von seiner Tante und als Haupterbe vorgesehen.

Nach einem Zerwürfnis drohte er alles zu verlieren, so die Ankläger. Deshalb habe die Tante sterben müssen.

Benedikt T. bestreitet das entschieden, im seit Mai andauernden Prozess hat er bislang jede Aussage verweigert. In einem Brief hat er allerdings schwere Vorwürfe gegen die Ermittler erhoben. In einer fast elfstündigen Vernehmung habe man ihn unter Druck gesetzt, ihn angebrüllt, ihm Essen und Trinken verweigert und ihn einer "Suggestivgehirnwäsche" unterzogen.

Sein Anwalt Peter Witting hat seine Kritik schon früher geäußert. Er wirft den Ermittlern vor, sich von Anfang an ausschließlich auf Benedikt T. als Täter konzentriert und so andere wichtige Indizien außer Acht gelassen zu haben.

Kripochef Wilfling weist diese Vorhaltungen jedoch entschieden zurück. Die von Witting an verschiedene Zeitungen verschickten Stellungnahmen zum Mordfall Böhringer sind für ihn nur "Pressepamphlete". Der Vorwurf der einseitigen Ermittlungen sei absurd, "wir sind allen Spuren nachgegangen".

Josef Wilfling. (Foto: Foto: Robert Haas)

Auch die schriftlich vorgetragenen Vorwürfe des Angeklagten über die Vernehmungssituation seien frei erfunden. Benedikt T. habe sich damals "mit keinem Wort" beschwert, im Gegenteil: "Er hat ausdrücklich gesagt, er fühle sich nicht unfair behandelt. Wenn er halb gefoltert und halb misshandelt worden sein soll, warum hat er sich dann erst jetzt darüber beschwert", kommentierte Wilfling die "Lügengeschichten" des Angeklagten verächtlich.

Wilfling hat Benedikt T. nur einmal selbst vernommen, nämlich am Tag nach der Festnahme. "Er war sehr höflich und ruhig", erinnert sich der 60-Jährige. "Auf mich hat er wie ein schuldbewusster Schulbub gewirkt."

Benedikt T. habe keine Angaben zur Sache gemacht, aber nachdenklich gewirkt. Eine Stunde später sei er ihm noch einmal begegnet, und da habe Benedikt T. erklärt, sein Anwalt habe ihm geraten zu schweigen. "Er sagte: ,Tut mir leid, Herr Kriminaloberrat'. Er wirkte fast schon unterwürfig." Auf ihn, so Wilfling, habe er den Eindruck gemacht, als sei "er vor dem Kippen. Mein Eindruck war, dass er kurz vor einem Geständnis steht".

Benedikt T. hat aber kein Geständnis abgelegt. Der ansonsten ruhig wirkende junge Mann kommentiert die Aussagen Wilflings von der Anklagebank aus mit einer verächtlichen Handbewegung.

Anwalt Witting erinnert Wilfling an den Fall des Schauspielers Günther Kaufmann. Dem habe er doch auch ein Geständnis entlockt, dass sich dann als falsch herausgestellt habe. Wilfling reagiert gelassen: "Das können wir gerne mal unter vier Augen bereden."

Der Showdown geht in seine letzte Runde, und die entscheidet Wilfling für sich. Ob er zu Benedikt T. gesagt habe: "Wir von der Münchner Mordkommission haben noch jeden gekriegt"? Wilflings Antwort: "Das hab' ich nicht gesagt, auch wenn es stimmt." Die Lacher im Zuhörerraum zumindest hat er damit auf seiner Seite.

© SZ vom 30.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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