Modedesignerin Heidi Zach:Nackt wie im Internet

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Modedesignerin Heidi Zach kämpft gegen die Offenherzigkeit in sozialen Netzwerken. Für ihre Kollektion "Nudismus 2.0" hat sie Objekte gestaltet, die wir tragen würden, wenn wir uns real so entblößen würden wie im Internet.

Bettina Pfau

Das Tragen der Oberteile ist zweitrangig. Aufzeigen und Widerspiegeln - das ist es, was Heidi Zach, Modedesignerin aus München, mit ihrer Kollektion "Nudismus 2.0" möchte. Drei Shirts hat die 23-Jährige bisher dazu entworfen und ausgestellt. Drei Versuche, die Offenherzigkeit in sozialen Netzwerken zu stoppen.

"Kleidung ist ja auch Selbstdarstellung", sagt die junge Modedesignerin Heidi Zach. (Foto: Conny Mirbach)

Heidi Zach hat 2006 ihren Abschluss am Mode-Institut der Stadt Wien gemacht und absolvierte anschließend eine Designausbildung im Fach Damenoberbekleidung an einer renommierten Modeschule in München. Ihre Arbeit wird dort sichtbar, wo die Grenzen zwischen Mode und Kunst verschwimmen. Bereits während ihrer Ausbildung setzte sich die 23-Jährige stark mit dem Thema Urbanität auseinander. Mit ihrer Abschlusskollektion im Jahr 2009, "Urban Warriors", kam Heidi Zach beim chinesischen Mode-Contest "Hempel Award" unter die Top 30 und wurde deswegen im März 2009 zur Pekinger Fashion Week eingeladen.

SZ: Du hast nun drei Unisex-Oberteile zum Thema "Nudismus 2.0" kreiert. Was ist unter diesem Titel zu verstehen?

Heidi Zach: "Nudismus 2.0" steht für die meist leichtsinnige Freizügigkeit im Internet. Fast jeder Jugendliche gibt in sozialen Netzwerken private Dinge über sich und sein Leben preis. Man verrät, mit wem man zusammen oder verwandt ist, welche Filme man mag, wo man sich gerade befindet und was man dort macht. In einem gewissen Sinne zieht man sich im Internet nackt aus.

SZ: Wieso dann überhaupt noch Kleidung? Würden wir unseren Kleidungsstil daran anpassen, müssten wir ja eigentlich auch nackt auf die Straße gehen, oder?

Zach: Nicht ganz. Internetprofile verraten immer nur die halbe Wahrheit. Jeder präsentiert sich so, wie er gerne gesehen werden möchte. Positive Dinge werden veröffentlicht, negative vertuscht. Niemand erzählt eben gerne von seinen Makeln.

SZ: Und wie kann man dieses Phänomen modisch darstellen?

Zach: Kleidung ist ja auch Selbstdarstellung. Ich habe Objekte gestaltet, die wir vielleicht tragen würden, wenn wir uns im realen Leben so entblößen würden wie im Internet. Ich möchte, dass der Blick wieder mehr auf den echten Menschen gerichtet wird. Darum habe ich für meine Shirts Leder und transparenten Stoff gewählt.

SZ: Wieso ausgerechnet diese beiden Stoffe?

Zach: Leder ist ein natürliches Material und steht meiner Meinung nach dem Menschen näher als zum Beispiel Polyester. Der transparente Stoff hat für mich etwas Psychologisches. Obwohl man etwas an hat, hat man eigentlich nichts an. Der reale Mensch wird erkennbar.

SZ: Sollen wir uns denn zukünftig wirklich alle so freizügig kleiden?

Zach: Nein, die Shirts sind auch nur in einer abgewandelten Form tragbar. Zum Beispiel mit etwas darunter. Mir geht es mit diesen Stücken hauptsächlich um Selbstreflexion. Was wäre, wenn ich mich so zeigen würde, wie ich tatsächlich bin? Darüber soll sich der Betrachter Gedanken machen.

SZ: Es steckt aber schon viel Gesellschaftskritik in "Nudismus 2.0".

Zach: Das stimmt, aber ich möchte gar nicht den Sheriff spielen und die ganze Internetwelt verteufeln. Ich sehe mich eher als Beobachterin, die widerspiegelt und verdeutlicht.

SZ: Verdeutlichen?

Zach: Dadurch, dass wir ständig online sind und unsere Kontakte per Mail und Chat pflegen, gehen persönlichen Beziehungen leichter kaputt oder entstehen vielleicht erst gar nicht. Das ist sehr schade.

SZ: Entkommen kann man den Internet-Communities aber wohl nicht. Immerhin hast du selbst auch einen Facebook-Account.

Zach: Natürlich! Allerdings halte ich mich mit persönlichen Angaben zurück.

SZ: Wird es zu den Shirts auch noch passende Hosen oder Röcke geben?

Zach: Ich beschäftige mich auf jeden Fall noch weiter mit dem Thema und arbeite auch schon an weiteren Ideen.

Der Text ist auf der Jugendseite der SZ erschienen. Weitere Artikel von jungen Autoren finden Sie hier.

© SZ vom 09.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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