Mit 14 wegen Alkoholvergiftung im Krankenhaus:"Ich dachte: Jetzt bist du tot"

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Steffi ist 14 Jahre alt und trinkt seit einem Jahr regelmäßig Alkohol - bis sie bewusstlos ins Schwabinger Krankenhaus gebracht wird.

Sibylle Steinkohl

Eine Party ohne Alkohol - für die 14-jährige Steffi (Name von der Redaktion geändert) und ihre Freunde ist das undenkbar. Vor einigen Wochen landete die Münchner Gymnasiastin nach einem Alkoholexzess auf der Intensivstation des Klinikums Schwabing, mit zwei Promille im Blut und einer gefährlichen Unterkühlung. Im SZ-Interview erzählt sie vom Saufen aus Spaß - und warum sie jetzt nichts mehr trinkt.

300 Jugendliche werden in München jährlich wegen Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Sag mal, Steffi, was habt ihr denn damals gefeiert?

Steffi: Den Geburtstag einer Freundin an einem relativ schönen Februarwochenende im Englischen Garten. Die Planung war spontan, wie und wo und wann, das haben wir am gleichen Tag besprochen.

SZ: Habt ihr auch besprochen, dass ihr alkoholische Getränke mitnehmt?

Steffi: Das mussten wir nicht besprechen, das ist selbstverständlich.

SZ: Was habt ihr dabei gehabt?

Steffi: Bier und Wein und Pitú, was das ist, weiß ich gar nicht, auf jeden Fall etwas Hochprozentiges (Pitú ist ein brasilianischer Cachaça-Schnaps mit etwa 40 Prozent Volumenalkohol, d. Red.). Sonst gab es noch Gummibärchen.

SZ: Wo bekommt ihr Schnaps und Bier, an der Tankstelle?

Steffi. Das ist unterschiedlich, jeder probiert es irgendwo. Manchmal bekommen wir auch nichts, weil wir ja noch zu jung sind. Aber bei irgendwem klappt es immer.

SZ: Seit wann trinkst du Alkohol?

Steffi: Seit ungefähr einem Jahr, mit 13 habe ich angefangen, wie die anderen auch. In den Ferien haben wir uns manchmal jeden zweiten Tag getroffen, in der Schulzeit nur am Wochenende. Wir trinken meistens Bier, manchmal mit Tequila oder Cola gemischt. Alle trinken. Es gibt vielleicht Ausnahmefälle, wo einer sagt, ich will nicht. Aber meistens kommen die Leute gar nicht, die nicht wollen. Es ist seltsam, irgendwie habe ich mir schon die ganze letzte Zeit gedacht, wenn es so weitergeht, passiert noch was, da kommt noch einer ins Krankenhaus.

SZ: Nehmt ihr euch denn vor, möglichst viel zu trinken, oder wetteifert ihr, wer am meisten verträgt?

Steffi: Nein, gar nicht. Bei einer normalen Unterhaltung, in der Schule zum Beispiel, sagen vielleicht ein paar, die mehr vertragen, scherzhaft zu einem anderen: Du verträgst nichts. Aber es ist nicht so, dass dann jemand sagt, komm, ich beweise es dir. Sich mit Absicht ins Koma saufen, das machen wir nicht, die Mädchen sowieso nicht, und die Buben auch nicht.

SZ: Warum trinkt ihr dann?

Steffi: Nur aus Spaß.

SZ: Und am Geburtstagsfest deiner Freundin? Wolltest du vielleicht jemanden beeindrucken oder hattest du Zoff?

Steffi: Zuhause hatte ich vorher ein bisschen Ärger. Aber das war nicht der Hauptgrund. Der Hauptgrund war Spaß. Es ergab sich so, leider. Aber dass mir ausgerechnet an diesem Tag so etwas passiert, hätte ich nie gedacht. Ich habe vor der Party auch noch was gegessen. SZ: Weißt du noch, was du alles getrunken hast?

Steffi: Am Nachmittag waren wir so 15 Leute, von denen ich gar nicht alle kannte. Es ging los mit Bier, dann kam Wein, und später, am Abend, wurde das Hochprozentige geöffnet. Da waren wir vielleicht noch zu siebt. Dann weiß ich nur noch, dass ich dringend aufs Klo musste und dass ich halb gezogen wurde und immer wieder auf die Nase gefallen bin. Ob mir schlecht war, kann ich mich auch nicht erinnern. Wahrscheinlich schon, mir wurde hinterher gesagt, dass ich mich übergeben habe. Ich hatte einen Filmriss vom Feinsten.

SZ: Was hast du hinterher erfahren?

Steffi: Ich bin wohl im Englischen Garten bewusstlos am Wegrand gelegen. Als zwei Radfahrer gekommen sind, sind alle weggelaufen, weil sie Angst hatten und keinen Ärger wollten. Das nehme ich den Näherstehenden von den Freunden schon übel. Als ich das gehört habe, war ich schon sehr sauer. Die Radfahrer haben dann den Krankenwagen alarmiert, oder die Polizei, ich weiß nicht genau.

SZ: Und im Schwabinger Krankenhaus bist du wieder aufgewacht:

Steffi: Ich wusste gar nicht, wo ich bin und ob ich noch lebe. Ich war total verkabelt, ich hatte eine Infusion und am Finger ein Ding, das immer geleuchtet hat. Außerdem hat es durchgehend gepiepst, wie wenn das Herz still steht. Ich dachte: Super, jetzt bist du tot. Dann hat plötzlich alles nach Alkohol gestunken. Und das Getränk, das mir eine Schwester gegeben hat, hat auch nach Alkohol geschmeckt. Allmählich habe ich dann begriffen, dass ich im Krankenhaus bin, auf der Intensivstation!

SZ: Was haben dir die Ärzte gesagt?

Steffi: Dass ich zwei Promille hatte und eine Unterkühlung. Am nächsten Tag hatte ich gleich ein Gespräch mit einem Drogenberater. Er ist zu mir ins Krankenhaus gekommen. Ein bisschen seltsam war das schon, weil ich mich ja an gar nichts mehr erinnern konnte. Jetzt werde ich aber weiter dorthin gehen, ich bekomme eine Art Betreuerin. Am Nachmittag dieses Tages durfte ich dann schon nach Hause.

SZ: Wie haben deine Eltern reagiert?

Steffi: Meine Mama ist gleich in der Nacht ins Krankenhaus gekommen, hat sie mir erzählt. Sie war sehr geschockt und betroffen. Bei meinem Vater kann ich es schwer einschätzen, ich glaube, er war sauer, auch weil er manches erfahren hat, was er nicht wusste.

SZ: Waren deine Freunde eigentlich geschockt?

Steffi: Unterschiedlich. Manche sind jetzt vorsichtiger und trinken weniger, das sind eher die Mädchen. Andere trinken genauso viel wie vorher, sie sind unberührter von dem Vorfall. Aber alle passen sehr auf mich auf. Sie sagen, ich solle nichts trinken, weil ich nichts vertrage. Sie wollen nicht, dass mir nochmal so etwas passiert.

SZ: Und wie verhältst du dich jetzt?

Steffi: Ich trinke höchstens mal noch einen Schluck. Sonst wird mir kotzübel. Einerseits mache ich das aus Vernunftsgründen, weil ich nicht will, dass es noch einmal so endet. Andererseits wird mir auch sofort schlecht. Ich vertrage es nicht mehr.

© SZ vom 20.05.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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