Mit der Firma aufs Oktoberfest:Wenn der Frohsinn Anlauf braucht

Lesezeit: 2 min

Dicht an dicht mit dem Banknachbarn, die Luft zum Schneiden, ohrenbetäubender Lärm - so stellen sich viele den idealen Bierzelt-Besuch vor. Aber manchmal geht's auch ganz anders los.

Protokoll: Daniela Dau

10.30 Blick in den Tischkalender - verflixt. Heute geht die Redaktion aufs Oktoberfest und mein Dirndl hängt zu Hause im Schrank. Dann halt ohne.

(Foto: Foto: sueddeutsche.de)

12.43 Beim Mittagessen Verhaltenstipps von Kollegen, die heute abend leider verhindert sind: "Die erste Maß schnell trinken und dann sofort rauf auf die Bänke, sonst hält man's nicht aus!". Schönen Dank auch, Drückeberger!

16.18 Abmarsch aus der Redaktion. Wir quetschen uns in die U-Bahn, wo die geballte Vorfreude bereits zu spüren ist - und zu riechen. Einige Mitfahrer haben offenbar schon am Alkoholpegel gearbeitet.

16.53 Der Festplatz kommt in Sicht, die ersten richtig Betrunkenen auch. Visionen von riesigen Kotzlachen, die man auf dem Rückweg wird umkurven müssen, machen die Runde.

17.00 Ankunft an der Festhalle, die wegen Überfüllung bereits geschlossen ist, wo die Massen sich vor den Eingängen verkeilen, die Enge drangvoll und der Durst immer größer wird - nichts von alledem. Gelöst schlendern wir durch die weitgeöffneten Türen, verscheuchen lässig ein paar Ortsfremde und nehmen an den reservierten Tischen Platz. Ist doch gar nicht so schlimm.

17.24 Trotzdem, Wiesn geht eigentlich anders, oder? Nur vereinzelt hüpfen ein paar Unentwegte auf den Bänken herum, schwenken zur schlappen Blasmusik ihre Filzhüte und machen auf Verbrüderung. Massen-Frohsinn - Fehlanzeige. Wir bestellen die erste Runde ("g'scheit Trinkgeld geben, dann kommt die zweite schneller!", wissen ein paar Wiesn-Profis) - und harren der Dinge. Nur die Kollegen von der Technik sind stimmungsmäßig schon eine Stufe weiter.

18.17 Eine stadtbekannte TV-Moderatorin betritt die Bühne und erklärt, wie das mit dem Feiern geht: "Also, ich frag' "Wie samma?" und ihr schreit's "guat samma!". Wie die Lemminge klettern viele Gäste auf die Bänke, stemmen die Krüge, brüllen "Prost!" - inszenierte Super-Stimmung für die Fernsehaufzeichnung.

18.20 Der Kapelle reicht's jetzt mit der Gemütlichkeit, der aktuelle Wiesn-Hit wird angedroht: "Viva Colonia!". Die Technik steigt geschlossen auf die Bänke und intoniert danach unaufgefordert "Die Hände zum Himmel!" Geht's jetzt los?

18.32 Erst mal nicht. Unsere Band setzt aus zwecks Pinkelpause - gute Idee. In der Schlange vor der Damen-Toilette bekannte Wortfetzen. "Mei, is' mir schlecht vom Karussell!" - "wieviel hast'n du schon?" - "der schaut ja so süß aus" - "...hat aber 'ne Freundin..."

19.38 Diskussionen über die Zusammenstellung des Liedguts, die Band spielt ein Italien-Medley. Kollege H. kann sich damit überhaupt nicht anfreunden, steht aber mit seiner Meinung alleine: Der Rest wendet sich den frisch gefüllten Maßkrügen zu.

20.15 Und dann klappt's auch ohne Kommando: Plötzlich stehen alle auf den Bänken, lachen, schunkeln, tanzen, singen mit - und wir mitten drin. Die Musik gibt alles, ein Gassenhauer jagt den anderen, der Text ist egal, beim Refrain ist das ganze Zelt wieder dabei. Zwei Kolleginnen verlassen fluchtartig das Getümmel, müssen angeblich Fotos machen für die morgige Seite. Wer's glaubt...

20.53 Mitten im Trubel lehnt ganz für sich ein Betrunkener an der Wand, führt leise Selbstgespräche und gelegentlich ein Taschentuch an die rotgeweinten Augen. Doch dann spielen sie "Fürstenfeld" und der Jammer ist vergessen, schlägt um in ein breites Grinsen und ein paar wackelige Tanzschritte - Wiesn-Magie.

21.35 Abschied von den Kollegen, mein Babysitter wartet zu Hause - eigentlich schade...

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: