Mit der Firma aufs Oktoberfest:Kollegenbacchanal

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Wenn sueddeutsche.de zur Wiesn geht ... ist das nicht anstrengend? Nein!

Protokoll: Hans von der Hagen

15:30 Der Kollege drängelt schon. Will möglichst früh zu Wiesn — wenn er schon gehen muss. In einer Stunde will er die Redaktion verlassen haben. Weil — am Eingang zur Paulaner-Festhalle wartet schon jemand auf ihn.

(Foto: Foto: hgn)

16:23 Überpünktlich verlassen wir die Arbeit. Sicherheitshalber.

16:45 Ausstieg aus dem U-Bahnschacht Goethestraße. Super Wiesn'-Wetter. Eine Kollegin ist mit dem Fahrrad gekommen. Wir erwägen einen Selbstversuch "mit dem Fahrrad in das Zelt", wegen der Diebe. Und der Provokation wegen. Verwerfen aber in letzter Sekunde die brillante Idee.

16:50 Die Paulaner-Halle erkennt man schon von weitem. Das ist die mit dem Krug auf dem Dach, gleich am Anfang der Sauf-Straße. Gute Geländekenntnis kann am späten Abend von Vorteil sein. Hier aber wird nichts schief gehen.

16:57 Am Eingang warten schon mehrere Personen auf uns. Man spürt die Erleichterung über das unerwartet pünktliche Eintreffen. Die Türen sind noch weit geöffnet. Hier wird so bald nichts notgeschlossen.

17:00 Unsere Box ist die Nr. 30, schon Wochen zuvor mit Verzehrzwang reserviert. Sie liegt dicht am Eingang. Eigentlich habe ich es ja lieber mitten drin. Egal. Hauptsache ein Plätzchen.

17:05 Die Kellnerin will und will nicht vorbeikommen. Der Praktikant hatte zunächst nicht verstanden, dass er für die Kontaktaufnahme zuständig war. Will sich jetzt mehr bemühen.

17:25 Die erste Maß wird geliefert. Es gibt eine Reiberei mit der Kellnerin über die Höhe des Bediengeldes. Die ebenso einhellig wie freimütig festgesetzte Höhe ("a Fuffzgerl") entpuppt sich als zu wenig. Gleich ganze 14 Cents zu wenig. Ich komme mangels Kleingeld vorerst nicht auf den gewünschten Betrag. Entschädige sie aber später großzügig. Gemessen an ihrem Duktus zu großzügig.

17:26 Die Maß steht vor mir. Sie ist wunderbar kalt, was selten der Fall ist. Und immerhin fast dreiviertel voll, wie immer. Die Kollegen sind auch zufrieden. Wir diskutieren über die Anwesenden, kaum über die Arbeit.

17:28 Die Brezn kommen vorbei. Die Kollegen decken sich ein. 3,30 Euro das Stück, 6,60 Mark also. Wahnsinn. Aber besser isses. Zum Aufsaugen, im Magen. Ich nehme nach einigem Zögern auch eine. Sie ist völlig frei von Restwärme. Kalt und durchgetrocknet. Wi - der - lich. Die Kollegen sind da unterschiedlicher Meinung. Aber manche lieben ja auch die Kantine.

17:40 Diskussion über die Musik. Ist das jetzt schon wieder der Trend zum Bayerischen, den lokale Blätter vor wenigen Tagen einforderten? Wahrscheinlicher aber ist, dass wir noch in der Übergangszeit sind. Noch immer etwas nachmittags (Blasgedudl) und noch nicht ganz abends (Rumgedudl).

17:53 Eine Kollegin fragt, wann wir die Hendl bestellen. Die gehören zum Zwangsverzehr. Aber noch ist ja nicht Abendbrotzeit. Das sieht sie auch sofort ein. Sie kommt übrigens aus dem Norden.

18:15 Die Gespräche verlieren an Scharfsinn. Die ersten müssen zur Toilette. Ein Praktikant berichtet stolz von einer männlichen Klo-Bekanntschaft. Mit der sprach er über die Eigenschaften von Frauen. Die anwesenden Kolleginnen sind entsetzt. Der Praktikant versucht, alles zu relativieren. Kriegt so gerade eben noch die Kurve.

18:17 Erneut Diskussion über die Musik. Sie ist anders geworden, aber nicht besser. Ein italienisches Medley. TV München belästigt das Zelt. Alle sollen kurz vor einer Livesequenz auf die Tische steigen und gute Stimmung signalisieren. sueddeutsche.de weigert sich, was aber völlig egal ist.

18:30 Der Photoapparat kreist. Jeder macht zu Dokumentationszwecken ein Selbstportrait.

18:47 Die Kollegin, die aus dem Norden, thematisiert erneut die Hendl. Es wäre ja nun bald sieben. Recht hat sie. Allerdings ist die Kellnerin nicht da. Aber sie kommt bald. Wir bestellen enthemmt.

19:13 Die Hühner werden geliefert. Zugleich kommen neue Maßen. Es wird hektisch am Tisch. Platz fehlt, Bediengeld ist nicht abgezählt. Aufregung. Aber nur kurz. Die Hühner werden ja sonst kalt. Und sie sind, wie immer, unglaublich. Eine Kollegin besteht auf Besteck. Es kommt, sogar unaufgefordert.

19:20 Anhaltende Diskussion über den Zusammenhang von Liebesleben und Huhn-Esstechnik auf Basis einer kürzlich erschienen SZ-Kolumne. Die Kollegin gegenüber, die partout kein Besteck haben wollte — aber ein Zitrustuch — zerreißt ihr Federvieh mit bloßen Händen und sortiert die Leichenteile auf dem Teller. Muss spontan an Gunter von Hagens denken. Ansonsten essen fast alle Redakteure das Huhn mit Besteck. Ich auch. Habe zum Glück vergessen, was das für das Liebesleben bedeutet.

19:25 Die neue Maß ist wieder fast dreiviertel voll. Aber wenigstens kalt.

20:10 sueddeutsche.de steigt freiwillig auf die Tische. Aber die Kapelle schafft es trotz heißen Bemühens nicht, mitzureißen. Die Zappelversuche bleiben fahrig. Bei den Technikern geht es etwas besser.

20:15 Die norddeutsche Kollegin geht mit einer anderen nach draußen, auf ein "Schnapserl". Und sie wollen die Wiesn bei Nacht fotografieren. Das geht, weil die Zelte immer noch geöffnet sind. Um diese Zeit. Unglaublich. Wahrscheinlich wegen der Championsleague. Und Bayern.

20:56 Ein Praktikant nimmt Kontakt zu einer Frau am Nebentisch auf. Er vermasselt es aber.

21:00 Der Kapellmeister spricht. Ein Thailänder darf gegen Bezahlung dirigieren. Alte Kameraden. Nur sueddeutsche.de kann das noch in Tanzbewegungen umsetzen. Alle anderen sind starr vor Schreck. Großer Toilettengang der Redaktion. Der Photoapparat kreist erneut.

21:33 Kollegin Norddeutsch ist besorgt, weil an der Reling ein Mann in unklarer körperlicher Verfassung steht. Nimmt Jacke und Tasche auf den Schoß. Sie befürchtet Schlimmes. Ich werde auch nervös, rücke den Rucksack etwas zur Seite — so, dass da allenfalls noch ein paar Spritzer drauf gehen würden.

21:53 Der Abend nimmt seinen Lauf. Schön ist es. Zumindest teilweise.

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