Messerstecher verletzt acht Menschen:Amokläufer vor Gericht

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Der Täter leidet an Verfolgungswahn - Gericht entscheidet, ob er auf Dauer im Bezirkskrankenhaus bleiben muss.

Alexander Krug

Alles ging blitzschnell, am Ende lagen acht zum Teil schwerverletzte Menschen auf dem Gehweg: Der Amoklauf eines mutmaßlich geisteskranken Mannes mit einem Klappmesser in einem Bus der Linie 52 am 6. August vergangenen Jahres wird ab kommenden Montag das Münchner Landgericht beschäftigen. In dem Prozess gegen Giovanni A. geht es allein um die Frage, ob der 49-Jährige auf Dauer in dem Bezirkskrankenhaus bleiben muss, in dem er seit der Tat untergebracht ist.

Wirre Selbstgespräche

Den Ermittlungen zufolge war Giovanni A. gegen 23.15 Uhr an der Haltestelle Schweigerstraße in den Bus eingestiegen. Der Gelenkbus war mit rund 80 Personen - vorwiegend Besuchern der Auer Dult - voll besetzt, so dass die wirren Selbstgespräche des gebürtigen Italieners zunächst nicht weiter auffielen.

Erst als er laut "Scheiß-Deutsche" und "Deutsche Mörder" brüllte, entstand Unruhe, die abrupt in Panik umschlug, als der 49-Jährige beim Halt am Sendlinger-Tor-Platz aufsprang und mit der etwa sieben Zentimeter langen Klinge seines Klappmessers wahllos auf Fahrgäste einzustechen begann.

Seinem ersten (und am schwersten verletzten) Opfer stach er noch im Bus in den Bauch, die anderen sieben wurden außerhalb des Wagens getroffen, wobei er manchen noch nachlief, um auf sie einzustechen. Insgesamt fünf Opfer werden in dem Prozess als Nebenkläger auftreten, drei von ihnen vertritt der Münchner Rechtsanwalt Peter Schuster.

Keine Hoffnung auf Schmerzensgeld

Der Bankangestellte Horst B., 48, wurde im Unterbauch getroffen, der Krankenpfleger Andreas R., 46, in der Schulter und der Controller Gerhard K., 57, in der linken Wange, wobei ein Gesichtsnerv verletzt wurde. Eine lange Narbe ist die sichtbare Folge, schwerer aber wiegt wohl das seitdem vorherrschende Taubheitsgefühl auf der linken Gesichtshälfte. Die Opfer schilderten fast übereinstimmend, zuerst nur einen "Schlag" verspürt zu haben. Erst später registrierten sie, von einem Messer getroffen worden zu sein.

Anwalt Schuster zufolge leiden seine Mandanten noch heute unter Angstzuständen. Seit dem Vorfall beobachten sie ihre Umgebung aufmerksamer, sind aber zumindest in der Lage, wieder öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Hoffnung auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld können die Opfer indes begraben.

Giovanni A. war 1979 als Gastarbeiter nach München gekommen. Jahrelang hatte er als Hilfsarbeiter in der Großmarkthalle gearbeitet, 2004 war er jedoch arbeitslos geworden. "Da ist nichts zu holen", schätzt Anwalt Schuster, der die zivilrechtlichen Ansprüche aber trotzdem weiter prüfen will. Hilfe können die Geschädigten somit allein von der Opferschutzorganisation "Weißer Ring" erhoffen. Zeitweise hatte man sich sogar überlegt, den MVG zu verklagen. In jedem Fall, so Schuster, wolle man zunächst den Ausgang des Strafverfahrens abwarten.

Doch nicht mit Aids infiziert

Giovanni A. wird verteidigt von dem Anwalt Joachim Schwarzenau. Viel wird in dem Prozess abhängen von den Gutachten der Sachverständigen. Der Angeklagte soll sich bei Vernehmungen auf Erinnerungslücken berufen haben. Nach Angaben von Zeugen soll er schon früher durch wirre Selbstgespräche und als Einzelgänger aufgefallen sein.

Der Antragsschrift zufolge leidet er an einer Schizophrenie und an Verfolgungswahn. Die Staatsanwaltschaft begründet die Unterbringung mit einer weiterhin bestehenden Gefährlichkeit und daraus resultierender Wiederholungsgefahr.

Für die Opfer des Amokläufers bleibt letztlich nur ein positiver Aspekt bestehen. Zunächst hatte sich das Gerücht verbreitet, einer der Getroffenen sei mit Aids infiziert. Es blieb ein Gerücht.

© SZ vom 25.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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