Mehr Lehrer für Grund- und Hauptschulen:Neunzig neue Klassen

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Das Kultusministerium verspricht: Wenn Migranten in der Überzahl sind, sollen Schüler künftig in kleineren Einheiten unterrichtet werden.

Christian Rost

Durch das Lernen in kleineren Klassen sollen die Bildungschancen für Kinder aus zugewanderten Familien verbessert werden. "Klassen mit einem Migrationsanteil von mehr als 50 Prozent werden künftig geteilt, wenn die Schülerzahl 25 übersteigt", sagte Kultusminister Ludwig Spaenle der Süddeutschen Zeitung. An den Münchner Grund- und Hauptschulen entstehen dadurch rund 90 zusätzliche Klassen.

Spaenle erhofft sich in kleineren Klassen einen spürbar besseren Lernerfolg gerade bei Migrantenkindern: "Denn sie sind nicht weniger begabt als ihre deutschen Mitschüler", so der Minister. (Foto: Foto: dpa)

Spaenle (CSU) verspricht in seinem Konzept "Migration und Integration", das er am morgigen Dienstag im Kabinett vorstellt, dass den Schulen für sein Vorhaben genügend Lehrkräfte zugeteilt werden. Bei der Finanzierung kann er auch auf Bundesmittel aus dem mit 6,5 Milliarden Euro ausgestatteten Bildungspakt hoffen. Der Minister will sich dafür einsetzen, dass in den Schulen genügend Räume für die zusätzlichen Klassen zur Verfügung gestellt werden. Die Planungshoheit dafür liegt bei der Stadt als Sachaufwandsträgerin, die momentan jedoch schon die Kosten für Umbauten für den Ausbau der Grund- und Hauptschulen zu Ganztagesschulen tragen muss.

Keine exorbitanten Kosten

Die Raumfrage sollte aber dennoch zu lösen sein. Denn exorbitant hohe Investitionskosten sieht die Stadt durch die geplanten Klassenteilungen nicht auf sich zukommen. Zwar steigen in München - entgegen der Entwicklung auf dem Land - die Schülerzahlen weiter. Im Durchschnitt säßen momentan aber nur 23 Kinder in den Grundschulklassen und 21,2 Jugendliche in den Hauptschulklassen, sagt Eva-Maria Volland, die Sprecherin des Münchner Schulreferats. "Sicher sind mancherorts die Klassen größer, an einigen Schulen gibt es aber noch Raumreserven." Insgesamt befinden sich 130 Grund- und 44 Hauptschulen in München.

Sollten tatsächlich Umbaumaßnahmen oder Erweiterungen an einzelnen Schulen notwendig werden, stelle sich die Stadt dem "selbstverständlich", versichert Volland und verweist auf das Bemühen der rot-grün regierten Kommune, gerade Kindern aus zugewanderten Familien bessere Bildungschancen zu ermöglichen. So ist erst vorige Woche die Öffentlichkeitsphase der "Leitlinie Bildung" beendet worden, wobei in Regionalkonferenzen 1100 Münchner ihre Ideen für ein besseres Bildungswesen eingebracht haben.

Zentrale Themen waren auch Migration und Integration. An den Münchner Schulen nimmt dieser Bereich einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Die Hälfte aller Münchner Kinder und Jugendlichen bis 17 Jahre hat mittlerweile mindestens einen nichtdeutschen Elternteil. Und zu Beginn dieses Schuljahres lag bei den Erstklässlern der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund erstmals bei mehr als 50 Prozent. In manchen Schulsprengeln in der Stadt ist bereits die 80-Prozent-Marke überschritten.

Angesichts dieser Zahlen zeigte sich auch der Ausländerbeirat der Stadt schon besorgt darüber, dass die Kinder und Jugendlichen in den Schulen untereinander nicht mehr genügend Deutsch sprechen, weil zu wenige Muttersprachler in den Klassen sitzen. Der Lernerfolg einer Klasse leidet merklich, wenn die Mischung nicht mehr stimmt.

Sprachliche Defizite

Weil gerade viele Kinder türkischer Herkunft erst in der Schule damit beginnen, Deutsch zu lernen, hinken sie aufgrund der sprachlichen Defizite oft bis zum Ende der Schullaufbahn ihren muttersprachlichen Mitschülern hinterher. So besuchen laut Münchner Bildungsbericht mehr als 60 Prozent der Schüler türkischer Abstammung - immerhin die größte Gruppe nach den deutschen - die Hauptschule, während nur gut neun Prozent aufs Gymnasium wechseln.

Im Vergleich: Die Übertrittsquote aller Kinder beträgt 52 Prozent. Auch bei italienischen Kindern liegen die Werte mit 57 beziehungsweise 15 Prozent weit unter dem Durchschnitt der Schüler aus anderen EU-Staaten. Während zehn Prozent der ausländischen Jugendlichen das Abitur bestehen, legen je 23 den Hauptschulabschluss, den Quali oder die Mittlere Reife ab - und ein Fünftel der Schüler steht am Ende ohne jeden Abschluss da.

Die Pisa-Studie habe Bayern insgesamt gute Ergebnisse bescheinigt, sagt Spaenle. "Allerdings wurde auch deutlich, dass die Resultate bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund nicht zufriedenstellend sind." Das Absenken der Klassenstärken müsse jetzt konkret umgesetzt werden. Spaenle erhofft sich in kleineren Klassen einen spürbar besseren Lernerfolg gerade bei Migrantenkindern: "Denn sie sind nicht weniger begabt als ihre deutschen Mitschüler", so der Minister.

Münchens zweite Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) reagiert auf die Ankündigungen der Staatsregierung skeptisch. Mit Blick auf die zuletzt diskutierten Gelenkklassen und die nun beabsichtigte Förderung von Migrantenkindern stellt Strobl im Kultusministerium eine "hohe Veränderungsdynamik" fest, so werde es jedenfalls in der Öffentlichkeit vermittelt. "Entscheidend aber ist, was davon tatsächlich hängen bleibt. Davon werden wir uns erst in den nächsten Jahren überzeugen können", so Strobl.

© SZ vom 16.03.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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