Medienstandort München:"Es kommt auf Qualität an"

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Medien-Experte Ring über die Branche, schlecht bezahlte Praktikanten und die neuen Herausforderungen an den Printbereich.

Michael Ruhland

1200 akkreditierte Journalisten, eine schier unüberschaubare Zahl von Vorträgen, Diskussionen und Workshops - heute beginnen die Medientage München im ICM in Riem. Wohin sich die Branche entwickelt, zeigt der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien, Wolf-Dieter Ring, im SZ-Gespräch auf.

Wolf-Dieter Ring, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien. (Foto: Foto: SZ/Haas/Archiv)

SZ: Trotz Kirch-Pleite im Jahr 2002 und Platzen der Internet-Blase ist die Medienbranche in München kontinuierlich gewachsen. Wie war das möglich? Ring: Von einer echten Krise kann man in München gar nicht sprechen. Sicherlich sind die Werbeeinnahmen 2002 zurückgegangen, und es gab für einige wirtschaftliche Probleme. Es war aber bei der Kirch-Pleite ein großer Vorteil, dass Pro7/Sat 1 nicht zerschlagen wurde. Der neue Investor hielt am Kernbereich Fernsehen fest. Damit blieb die Gruppe gegenüber RTL wettbewerbsfähig.

SZ: Das allein reichte sicher nicht. Ring: Entscheidend ist, dass Kirch schon Mitte der 90er Jahre die Weichen zur Digitalisierung gestellt hat. Das hieß damals DF1, Digitales Fernsehen 1. In Unterföhring kann man sehen, was Unternehmen wie Arena, Plaza Media, Deutsches Sportfernsehen und Premiere heute davon noch nutzen. Deswegen ist der Standort so gut aufgestellt.

SZ: München ist neben Berlin und Köln wichtigster Medienstandort in Deutschland. Inzwischen ein Selbstläufer? Ring: München hat immer noch die Nase vorn. Das liegt auch an der verlässlichen Medienpolitik. Die Vielfalt von Unternehmen aus allen Bereichen der Medienbranche stellt natürlich eine wichtige Zugkraft dar. Kabel Deutschland hat sich für den Standort entschieden, auch Astra. Wir haben hier vor Ort nicht nur die Verlage, die Fernsehsender, den Printbereich, sondern auch die Telekommunikationsanbieter. Wichtig ist ferner, dass wir in Bayern die regionalen und lokalen Medien entwickelt haben. Das ist einzigartig in der Bundesrepublik. Nicht zuletzt ist gute Aus- und Fortbildung ein wesentlicher Standortfaktor.

SZ: Der Begriff "Generation Praktikum" ist gerade auch durch die Medienbranche geprägt. Bevor eine Planstelle geschaffen wird, stellt man lieber drei Praktikanten ein. Und zahlt nichts. Ring: Praktika sind dann positiv zu sehen, wenn daraus auf Dauer Zukunftschancen für junge Leute erwachsen. Mein Eindruck ist, dass sie sich dann nicht ausgebeutet fühlen, wenn sie eine interessante Aufgabe haben und verantwortungsvolle Funktionen daraus werden. Man darf aber nicht die ganze Programmarbeit von Praktikanten machen lassen. Das ist kein vernünftiger Weg.

SZ: Nehmen wir das Beispiel München TV: Dort arbeiten viele Volontäre und Praktikanten, um die Kosten niedrig zu halten. München TV schreibt heuer erstmals schwarze Zahlen, auch weil junge Leute ausgenutzt werden. Ring: Ein Sender, der im Aufbau ist, muss in dieser Phase natürlich sparen. Das kann ich verstehen. Es kommt aber niemand daran vorbei, auf Dauer inhaltliche Qualität zu garantieren. Um sich stärker zu positionieren, gehört sicherlich mehr dazu, als nur mit Praktikanten zu arbeiten.

SZ: Zeitungsverlage verdienen ihr Geld immer öfter mit Nebenprodukten wie Lexika und CD-Sammlungen. Ist das für Sie nicht ein Alarmzeichen? Ring: Nein, weil das genau dazu dient, die Qualität und Wettbewerbsfähigkeit des Kernprodukts zu sichern. Alle Zeitungshäuser müssen sich heute breiter aufstellen. Das gilt auch für Fernseh- und Hörfunksender. Die Technik schafft Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle und -felder. Das ist ein Schwerpunkt der Medientage.

SZ: Das Buch wurde vor zehn Jahren totgesagt. Stattdessen erlebt es seit Jahren eine regelrechte Renaissance. Zeitungen kämpfen zwar um Auflage, können sich aber behaupten. Ist das gedruckte Produkt resistent gegen die fortschreitende Virtualisierung? Ring: Es gibt natürlich einen Veränderungsprozess, was die Nutzung anbetrifft - mit Blick auf das Internet und allen seinen Möglichkeiten. Eine These bestätigt sich aber: Neue Medien verdrängen alte nicht. Das ist sehr spannend. Langfristig werden die digitalen, elektronischen Nutzungen die Printbranche aber noch gewaltig herausfordern.

© SZ vom 18.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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