Maskottchen mit Charakter:Knuffige Lederfreaks auf Reisen

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Die Frösche, Affen, Feuersalamander und Schildkröten der Münchner Lederschneiderin Laura Didion feiern Geburtstag, gehen auf Reisen und schreiben Briefe. Mit anderen Worten: Sie führen ein aufregendes Leben. So aufregend, dass sie darüber auf ihrer eigenen Homepage berichten.

Franziska Schwarz

Vanillahopis Online-Bildergalerie kann einen glatt neidisch machen: Vanillahopi im Sandstrand liegend, Vanillahopi unter einer schattigen Palme, Vanillahopi vor einem Tempel. Ein typischer Internetblog - wenn es sich bei Vanillahopi nicht um eine Salamander-Puppe aus Leder handeln würde.

Keine Angst, das ist keine perverse Parallelwelt. Eher eine etwas andere Community. Sie besteht aus niedlichen Tierchen, allesamt handgefertigte Unikate, die man ganz real über eine Homepage ( www.lauradidion.de) bestellen kann. Die bunten Kerlchen werden per Post geliefert - und mit ihnen die Login-Daten für eine dazugehörige Webseite. Diese Webseite beinhaltet das passwortgeschützte "Profil" des Tieres: Die Figuren haben einen Namen und einen Geburtstag, außerdem ein erstes Foto. Sie können Freundschaften schließen und sich Nachrichten schreiben - zumindest wenn ihr Besitzer ein bisschen hilft.

"Die Tiere haben eine Identität, aber noch keine Geschichte", erklärt Laura Didion, die Schöpferin des bunten Zoos. Die gelernte Diplom-Sozialpädagogin, die sich selbst seit langem als "Lederschneiderin aus Leidenschaft" bezeichnet, fertigt die Tiere in ihrem Atelier in der Klenzestraße an.

Die Idee zu dem Online-Shop kam ihr im Urlaub: "Als ich vor zehn Jahren zum ersten Mal alleine in Südafrika unterwegs war, hatte ich ein kleines Strickschaf dabei, was mich beschützt hat und vor allen Sehenswürdigkeiten posieren musste. Seitdem reise ich gerne mit Schafen, wenn ich alleine unterwegs bin und fotografiere sie", erzählt Didion.

Nachdem sie einige Tiere veräußert hatte, wurde sie oft gefragt, ob sie nicht ein Foto des verkauften Tieres haben möchte, damit sie weiß, wo es wohnt. "Das hat mich auf die Idee gebracht, die Tiere mit einer Identität zu versehen und ihnen eine Welt zu geben", erzählt Didion.

Zwar muss sie die Community, wie jede andere auch, verwalten und zensieren. Bisher sind aber keine Unflätigkeiten vorgekommen. Wer Internet-Communities eher als Auffangbecken für Profilneurotiker kennengelernt hat, braucht solche Auswüchse hier nicht fürchten. Die Kuscheltier-Identität funktioniert offensichtlich wirkungsvoll als abschreckender Filter gegen virtuelle Grobiane.

27 Freunde, 44 Gästebucheinträge

Salamandermädchen "Vanillahopi" kann sich also über schlechten Umgang nicht beklagen. Sie hat bereits 27 Freunde in der Community und 44 Gästebucheinträge. Im Oktober vergangenen Jahres notierte Vanillahopi in ihrem Blog: "Da hab ich doch glatt ein paar Promis getroffen und mit einem davon ging´s direkt auf die Münchner Wiesn. Wow! Was für Eindrücke! Aber seht selbst." Weiter unten finden sich die Beweisfotos.

Vanillahopis Besitzer sagt, das Tier helfe ihm, aus sich rauszugehen. Seit Jahren habe er nicht mehr fotografiert - inzwischen hat Vanillahopi eine beeindruckende Galerie. "Durch das Tier bekommen die Fotos irgendwie einen größeren Wahrheitsgehalt", findet er.

Die Identifikation mit den Tierchen ist also stark, wie früher mit bestimmten Comic-Helden oder dem Teddy. Die Tierchen brachten sogar schon ein "Blind Date" zustande - im wahrsten Sinne des Wortes. Zwei Pärchen, die sich zuvor nie gesehen hatten, und zufällig zur gleichen Zeit über einen Strand in Uruguay schlenderten, erkannten plötzlich, dass sie alle dieselbe Schwäche für kleine Ledertierchen hatten und derselben Comunity angehörten: Vier erwachsene Menschen hielten jeweils "Olivia", "Mick", "Emil" und "Erna" in der Hand. Ohne die Tierchen als Erkennungszeichen hätte man sicher nicht vermutet, dass man auch nur aus demselben Land kommt.

Putzig, aber nicht albern

Interessanterweise sind die enthusiastischsten Käufer Männer mittleren Alters. "Männer haben durch die Maskottchen eine Möglichkeit, etwas Nettes zu verschenken, ohne dass es albern wirkt. Die Tiere sind ja nicht rosa und aus Plüsch", sagt Didion. Auch Vanillahopis Besitzer findet, man brauche sich der Tierchen nicht zu schämen, weil sie einfach cool und lustig seien.

Der Kameramann hat den Salamander auf all seinen Berufsreisen dabei. "Die Reaktionen sind immer super! Letztens machte mein Team eine ziemlich anstrengende Berichterstattung aus Manchester. Wir begleiteten eine Rocker-Gang - schwierige Typen waren das. Doch als sie das Tier gesehen haben, waren sie hellauf begeistert. Einer hat sich Vanillahopi sogar auf die Glatze gesetzt und anschließend auch welche für seine Kinder bestellt."

Rund 1680 Fotos und Grafiken verzeichnet die Community inzwischen. Einige Tiere stellen sogar Podcasts online, und erzählen mit einem Soundfile aus ihrem Leben. Das wäre dem guten alten Teddy wohl zu aufwändig gewesen. Bei Laura Didion haben die Tiere jedoch die goldene Regel des Internets verinnerlicht: Nur wer eine Seite hat, existiert.

Wer ein Ledertier adoptieren will, kann unter www.lauradidion.de seinen Antrag abgeben. Gegen eine Gebühr von 29 Euro plus Versand kommen Adelaide, Rodriguez oder Pierre per Nachnahme ins Haus. Persönlich kennen lernen kann man Laura Didions bunte Truppe in der Lederwerkstatt "Antonetty" in der Klenzestraße 56 im Glockenbachviertel.

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