Major-Label-Debüt:Posen und posten

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Die Truderinger Band "Exclusive" hat den Größenwahn zum Geschäftsmodell erhoben - und ist damit bei Sony gelandet

Von Rita Argauer, München

Dass Bands den Cinderella-Weg hinlegen, ist eher selten heutzutage. Eine Schülerband spielt schrammeligen Gitarren-Rock, irgendwann entwickelt sie einen eigenen Stil; etwas Besonderes, das sie herausstechen lässt. Die großen Labels werden aufmerksam: Der Band winkt die Musik als Beruf. Die Truderinger Band Exclusive ist nun auf diesem Weg schon recht weit. Die Veröffentlichung ihres Major-Label-Debüts steht im Mai an. Im Münchner Musikclub Milla präsentieren die Jungs zum ersten Mal ihre neuen Songs.

Und Exclusive stapfen auf diesem Aschenputtel-Pfad recht unbefangen voran. Obwohl der Major-Label-Hintergrund immer ein wenig problematisch ist: Das höchste Gut der Pop-Musik (Authentizität und Identifikation) ist für das kommerzielle Label und dessen Künstler wohl am schwierigsten zu erreichen. Auch bei Exclusive ist das spürbar: Sätze wie das oft wiederholte "Hallo München" und eine aufwendig aufgebaute Lichtshow, lassen die Bühne in der Milla zwar wie eine Mikro-Version des Olympiastadions wirken. Bisher beschränkte sich der Größenwahn der Jungs auf ihre Gesten und Texte. Bei zusätzlichem Großmut außen herum, verlieren ihre Aussagen die Dramatik - etwa im Song über sie selbst, in dem sie behaupten, "schneller als Licht zu sein", oder auf der Single-Auskopplung "Bruder".

Größenwahnsinnig war das Quintett schon auf dem Debüt-Album "Nachtmensch". Das erschien 2012 auf dem kleinen Münchner Label "Flowerstreet Records". Die Band forderte darauf eine "Neue Farbe" und ein "Leben wie Licht, das niemals verlischt" - Jugend, Draufgängertum und ein wenig Protzigkeit. Zu diesen Texten vermischten sie ihren ursprünglichen Indie-Rock mit den damals gerade neu angesagten Dubstep-Bässen - das war ziemlich spannend: Die Gitarren hatten die Leichtigkeit von Brit-Rock-Riffs und Fabian Bottlers Stimme war schon damals auffallend genug, aber nicht annähernd so schräg, dass es ihnen den Pop-Appeal verhagelt hätte.

Es folgten also Auftritte beim Public Viewing des Champions-League-Finales in London im Mai 2013, große Festival-Gigs und der Major-Label-Vertrag samt neuer Albumproduktion. Der Reiz lag damals aber auch schon darin, dass sie eigentlich nicht so groß waren, wie sie taten. Die Falco-Attitüde von Sänger Bottler brach sich an der Schülerband, die gerade ihr Abitur machte, die Musik war gleichzeitig lichter Britpop, fetter Dubstep und ein wenig prolliger Mainstream-Rock.

Vor kleinem Publikum schon ganz groß: die Truderinger Band "Exclusive" in der Milla. (Foto: Conny Mirbach)

Und jetzt, mit Musikindustrie und einem großen Budget im Hintergrund, wird es mit dem Größenwahn etwas schwieriger: Sony hat seine Marketing-Maschinerie angeworfen, zudem werden die PR und die Tour von der Initiative Musik des Bundes gefördert. Und mit den großen Gesten und dem auch live mit allerhand elektronischen Zusätzen verfetteten Sound zeigen die Truderinger, dass sie auch die großen Bühnen bespielen können. Die Gitarren spielen Metal-Riffs, die Synthies legen sich fast in Gothic-Rock-Manier in klagenden Fahnen über die Verzerrungen, das Schlagzeug rollt. Und lange wurde dieses Metal-Emblem - kleiner und Zeigefinger herausgestreckt wie zwei Teufelshörnchen - außerhalb des Metals nicht mehr so ausgiebig benutzt. Im düsteren, aber immer noch pop-rockenden Gewand, wurde aus der "Neuen Farbe" auf "Nachtmensch" nun ein kraftprotzender "Neuer Mensch" (Titeltrack des neuen Albums). Das Stück klingt sauber und ein wenig nach "Everybody (Backstreet's Back)", dem Song, mit dem sich die Backstreet Boys Ende der Neunzigerjahre als Rockband verkleideten.

Doch etwas zeichnet Exclusive in jedem fall aus: Schon auf "Nachtmensch" hatten sie einen künstlerischen Plan - da wurde stark überlegt, mit welcher Haltung und welchen Zitaten mainstreamige, aber interessante Pop-Musik heutzutage funktionieren kann. Die neuen Songs zeigen sich nun live noch ein wenig eindeutiger. Doch auch da scheint sich die Band immer noch sehr klar zu sein, was sie will. Für das neue Album haben sie sich Zeit gelassen: Nach Songwriting-Sessions in verschiedenen Studios in ganz Deutschland, haben sie letztlich mit ihrem alten Münchner Produzenten Thomas Eifert aufgenommen, der auch "Nachtmensch" produziert hat. Und dieser Eigensinn - den Major-Label-Strukturen gegenüber und sich selbst, in der Anstrengung die Musik öfter wieder neu aufzunehmen - hebt Exclusive von den Retortenbands ab. Da können sie noch so schmunzelnd ein Foto von sich auf Facebook posten und "Backstreet's Back, alright" darüber schreiben, und noch soviel von dem Song der Boyband zitieren. Dass sie den Zitatmechanismus nutzen und auf den Mainstream-Markt verweisen, während sie gleichzeitig Teil von ihm werden, ist eine kluge Bewegung; und eine ihrer wichtigsten Fähigkeiten.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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