Lesung:Ganz groß

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Kluge Köpfe, pfiffige Frisuren, beachtliche Karrieren: Bettina Reitz, heute BR-Fernsehdirektorin, mit Florian Henckel von Donnersmarck. (Foto: Robert Haas)

Florian Henckel von Donnersmarck stellt im Literaturhaus sein Buch "Kino!" vor. Dabei verbeugt er sich höflich vor einer Frau, die ihn früh förderte. Und sein Sohn tanzt Limbo dazu

Von Thomas Becker

Limbo im Literaturhaus? Warum nicht? Wenn Papa so lange arbeiten muss, muss man sich als Kind ja irgendwie beschäftigen. Also flugs ein Stück Schnur gespannt und los! "Ein bisschen lower, Lara!", befiehlt Alexis im deutsch-amerikanischen Sprachmix. Und schon biegt er seinen Körper unter der Schnur hindurch, begleitet vom aufgekratzten Gejohle seiner Geschwister. Prompt folgt die Ermahnung des Vaters: "Kinder, macht keinen zuuu großen Aufstand!" Netter Versuch, Paps, aber wenn es auf Mitternacht zugeht, drehen die drei sieben- bis elfjährigen Kids erst so richtig auf. Da geht es Florian Henckel von Donnersmarck auch nicht anders als anderen Vätern.

Dafür hat er ihnen und seinem Publikum auch schon einen zweiteiligen Marathon beschert: Erst zwei Stunden Lesung und Gespräch mit Bettina Reitz, der Fernsehdirektorin des Bayerischen Rundfunks, plus zwei Signierstunden. Vier Stunden Hollywood-Feeling für neun Euro Eintritt: ein guter Deal für Donnersmarck-Fans. Davon gibt es viele, seit fast zehn Jahren, seit "Das Leben der Anderen", dem wunderbaren Spielfilm-Debüt des damaligen HFF-Studenten aus dem altschlesischen Adelsgeschlecht. In der Reihe "Literatur & Film", in der schon Volker Schlöndorff, Hanna Schygulla und Michael Ballhaus zu Gast waren, stellt er "Kino!" vor: 126 Seiten "essayistische Texte, eine Rede, Erlebnisse, Erinnerungen", wie Bettina Reitz zusammenfasst. Sie hatte als Leiterin des Programmbereichs Spiel-Film-Serie beim BR die Begabung Donnersmarcks erkannt und sitzt nun stolz neben dem Ex-Zögling, der seit dem Oscar-Gewinn als "Unser Mann in Hollywood" gilt.

"Lieber Florian, du bist ein Weltbürger", sagt sie. Da sagt der in Los Angeles lebende Regisseur mit dem abgeschlossenen Russisch-Studium nicht nein, erinnert sich aber gern an frühere Besuche im Literaturhaus, zum Beispiel als HFF-Vertreter beim Treffen des Bundesverbands Regie: "Da kam man sich unheimlich wichtig vor als Student." Auch ein Vortrag von Michael Crichton hat sich ihm eingeprägt: "Das erste Mal, dass ich jemand traf, der so groß ist wie ich. Er ist 2,10 Meter oder so. Über zwei Meter weiß man das nie so genau." Donnersmarck misst 2,05 Meter, ungefähr. Und da bedeutet es etwas, dass in seiner Familie ausgerechnet Limbo getanzt wird.

Im Buch entwirft Donnersmarck in luzider Analytik eine Weltformel des Kinos, schwärmt von diesem "großen, transportierenden Medium", preist deutsche Schauspieler als "die besten der Welt" und wünscht sich im deutschen Film noch etwas mehr Verdichtung, sein Lieblingswort, wie er sagt. Aber er erzählt auch gerne, beispielsweise vom "Leben der Anderen". Kein Verleih wollte seinen ersten Langfilm, erst der von ihm ungeliebte Riese Buena Vista. Der machte gleich einen Deal: Kino-Betreiber, die den als zu düster, zu ernst, zu deutsch geltenden Film nicht mindestens drei Wochen lang zeigen, bekommen keine Kopie von "Fluch der Karibik III"! Schön ist auch die Geschichte von seinem ersten Zuschauer: Joachim Gauck, damals Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen. Eher widerwillig war er der Einladung zur Privatvorführung gefolgt, doch nach 137 Minuten im Kino bei den Hackeschen Höfen umarmte Gauck den Regisseur Donnersmarck gerührt und sagte: "Ich werde Ihnen helfen."

Kein Wort verriet unser Mann in Hollywood jedoch zu seinem nächsten Filmprojekt. Nur so viel war am Rande der Signierstunde zu vernehmen: "Auf die nächsten zehn Jahre bin ich verplant."

© SZ vom 28.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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