Lange Nacht der SZ-Autoren:Geschenk an die Leser

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Von der Lesung bis zum Tanz: Das umfangreiche Programm zu Ehren der SZ-Leserschaft begeistert Publikum wie Autoren.

Elisabeth Bauschmid

Das Ärgerliche an Zeitungen - und an der Süddeutschen ganz besonders - ist: Sie sind so dick. Zu dick jedenfalls, als dass man sie richtig auslesen könnte, von A bis Z, vom Streiflicht links oben bis Serviceseite und dabei weder das Handelsregister auslässt und auch jetzt.de nicht nur überfliegt.

Hilmar Klute und Wolfgang Görl lesen SZ- Texte. (Foto: Foto: Catherina Hess)

Das schaffen allenfalls Pensionäre, und das auch nur, wenn sie weder Kind, Gattin noch Kegel haben und kein anderes Hobby außer dem einen: SZ zu lesen. Die anderen aber, die noch ein Leben kennen jenseits der Süddeutschen?

Die leiden. Täglich (vielleicht außer am Wochenende). Geplagt von einem chronisch schlechten Gewissen, weil sie wieder mal nicht alles aufgegessen haben und die Mama schimpft und weil sie schließlich eineneurovierzig (im Abo) bezahlt haben für ihre Zeitung, aber, wenn's hoch kommt, nur für sechzig Cent lesen.

Für sie hat die SZ die lange Nacht der Autoren erfunden, einen Abend, an dem die SZ-Leser Redakteure und Schreiber, die für sie ackern, lokal oder global, auf Seite drei oder im Bayernteil, ganz persönlich erleben können . . . und hat damit alles nur noch schlimmer gemacht.

Erstens, weil die Nacht schon am heißen Nachmittag beginnt, mit einem Kinderprogramm, der wunderbaren Lesung von Oscar Wildes Erzählung "Das Gespenst von Canterville". Zweitens, weil das Programm zwar nicht dick, aber reichhaltig ist, also wieder zur Auswahl zwingt.

27 Lesungen, Talks und Diskussionen an neun - so sagt man ja heute - Locations, in der SZ und außerhalb: Das ist nicht zu schaffen. Und so steht der SZ-Leser nebst Leserin erneut vor einem Problem, muss sich entscheiden wie Buridans Esel.

Nur dass er nicht hin- und hergerissen ist zwischen zwei Heu-haufen und darob verhungert, sondern auszuwählen hat unter lauter Perlen und Juwelen aus den SZ-Werkstätten, aber jetzt nichts aufheben, rausreißen kann zur späteren Lektüre.

Von Neuaubing übers Streiflicht nach Delhi

Oh Qual der Wahl. Sollen wir zuhören, wie der wie immer höchst amüsante Joachim Kaiser im Forum Aperçus zur Kultur vorträgt, oder uns darüber informieren, warum Frauen besser sind als Männer (und umgekehrt)?

Lauschen wir den großen Reportagen aus Neuaubing und Delhi, erleichtern wir unser Gewissen bei Rainer Erlinger oder gehen wir doch zu den für diesen Abend aus ihrer Anonymität heraustretenden Streiflichtlern im Servicecenter? Wo sich, wie sich am Gelächter und am Applaus zeigt, lauter Kenner ein-gefunden haben, Afficionados, welche das Streiflicht von der Liaison von Uhu und Tesa auswendig runterbeten könnten, auch rückwärts.

Schade nur, dass sie so auf die "Neunte Liga" im Sport verzichten müssen. Der präsentiert sich nämlich im Abseits, irgendwo, fern der SZ, in der Prinzregentenstraße. Ungerecht, wo doch gerade im Ressort Sport die zukünftigen Axel Hackes dem Buchmarkt entgegenwachsen.

Nun, nichts ist vollkommen, zeigen wir Mut zur Unvollständigkeit. Außerdem nimmt einen das Gewitter, das gegen neun über München hereinbricht, die Entscheidung ab. Lassen wir also die Lesung "Mein Kind fragt" im HVB-Forum sausen, kommen wir ruhig zu spät, wenn die Interviewer vom SZ-Wochenende über ihre Stern- und Schreckstunden plaudern; lassen wir uns nieder beim großen Kritikerraten.

Es ist nicht der am besten besuchte Event dieses Abends, aber sehr unterhaltsam und unter dem Gesichtspunkt der Interaktivität rundum gelungen. Texte aus Kritiken werden vorgelesen, wir dürfen raten. Wer war der Täter? Im Falle einer Kritik über Polt war es übrigens Joachim Kaiser, sonst eher nicht für Bayerisches zuständig. Zur Belohnung für Rater beziehungsweise Kenner gibt es Hörkassetten und Bücher aus dem SZ-Shop.

Zu Ehren der SZ-Leserschaft muss im Übrigen angemerkt werden, dass sie sich nicht nur gut unterhalten wissen will, sondern die Gelegenheit beim Schopfe ergreift zu kritischen Fragen und Klagen. Beim letzten Programmpunkt der SZ-Autorennacht - inzwischen hat es aufgehört zu regnen und es ist auch Nacht geworden - kneifen aber die meisten.

"Stop reading , start dancing" heißt es - sehr laut - in der Muffathalle. Wir aber beschließen: Start reading. Schließlich ist die Wochenendbeilage noch nicht bewältigt, müssen wir noch die Außenansicht vom Dienstag nachlesen, und das SZ-Magazin haben wir nur überflogen und beschlossen, dass wir Schellfisch mit Mango doch nicht nachkochen.

© SZ vom 23.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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