Lange Nacht der Museen:Hopp, hopp, lieber Museumshopper!

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Kunstliebhaber und Kulturbanausen stiegen ein - und wieder aus. Wir blieben die ganze Nacht. Was sich im Shuttlebus der Route Innenstadt abspielte.

Von Lisa Sonnabend

Katharina ist zuversichtlich: Sie wird ihr ganzes Programm durchziehen. Sorgsam hat die 19-Jährige sich eine Route mit ihren Lieblingspunkten ausgetüftelt - sogar eine Kaffeepause ist verzeichnet. Siebzehn Museen und Galerien will sie sehen. Wenn nötig bleibt sie bis zum Ende um zwei Uhr nachts.

Wohin jetzt? Kaffeepause? Die Museumshopper auf dem Weg zur nächsten Station der Museumsnacht. (Foto: Foto: son)

Pünktlich um viertel vor sieben steht Katharina am Samstag am Odeonsplatz und wartet auf den ersten Shuttlebus der Route Innenstadt. Sie ist bereit: Warm eingepackt mit beiger Daunenjacke, breitem Schal und Wollhandschuhen. Nur die Mütze hat sie noch nicht über ihr langes lockiges Haar gezogen - schließlich ist der Abend lang, es wird noch kälter werden.

Mit ihr steigen sieben andere Kunstfreunde in den Bus. Wie ein normaler Linienbus wirkt er. Doch plötzlich beginnt der Lautsprecher fürchterlich laut zu rauschen - drei Minuten lang halten sich die Insassen die Hände an die Ohren und blicken sich verstört an. Ist das bereits Kunst und somit ein Zeichen, was einen während der Museumsnacht erwartet?

"Ich dachte, ich bin gar nicht eingeschaltet!", unterbricht schließlich eine Lautsprecherstimme das nervige Geräusch. Ein gutgelaunter Bayer beginnt mit der Begrüßung und zählt die Kunsthöhepunkte des Abends auf.

"Wo sind wir denn jetzt?"

Los geht es mit der Tour - aber auch mit der ersten Unklarheit. "Wo sind wir denn jetzt?", fragt eine blonde Frau Anfang 40 die Mitfahrer. "Kann der die Haltestellen nicht durchsagen? Das ist ja doof." - "Sie müssen den Plan anschauen", weiß eine junge Frau Rat.

Ja, ja, der Plan. Was ist in den Museen zu sehen? Wie verlaufen die Routen der vier Shuttlebusse? Wo muss man aussteigen? Er ist lebensnotwendig an diesem Abend. Jeder hat ihn dabei. Ob alleine, zu zweit oder in der Gruppe - während der Busfahrt blicken neugierige, orientierungslose Köpfe hinein. Ob zuerst ins Haus der Kunst, in die Galerie Goethe 13 oder in die Luitpold Lounge. Ob noch eine Station, zwei oder fast die ganze Runde.

Gesprächsfetzen sind zu vernehmen: "Der Bus ist aber unbequem!", "Magst Du auch ein Stück Schokolade?", "Da machen wir dann erst einmal eine Kaffeepause.", "Mausi, schätz mal, wie lang der Schwanz eines Tigers ist!" Niemand redet über den Anlass des Abends: Kunst.

Eine junge Frau Anfang zwanzig informiert eine Freundin über ihre Beziehungsprobleme: "Ich war gestern gemein zu Michael. Hab ihm gesagt, er soll sich seine Brille putzen!" Alle hören zu, aber sie gehören ja alle zu einer Gemeinschaft. Gemeinsamer Ort, gemeinsames Interesse, gemeinsame Ziele - zumindest einen Abend lang.

Verschiedenste Menschen steigen in den Bus ein und wieder aus. Der Deutschlehrer Manfred, Rechtsanwalt Klaus, die Kunststudentin Martina, Friseuse Carla oder die Schülerinnen Eva und Jenny. Kunstliebhaber und Leute, die die restlichen 364 Tage im Jahr Kulturbanausen sind.

Laufsteg Busdurchgang

Die neuesten Modetrends werden vorgeführt auf dem Laufsteg Busdurchgang: Trenchcoats in Rot, Tücher im Haar, Turnschuhe zum Anzug. Andere machen es sich mit zerrissenen Jeans und Dosenbier auf den Sitzen bequem.

Immer enger und hektischer wird es im Bus. Vor einigen Museen bilden sich erste Schlangen. Die Führungen durch das Rathaus seien ausgebucht, schimpft ein grauhaariger Mann. Ein anderer: "Da musste man jetzt aber weit latschen."

Je später die Nacht, desto mehr ältere Museumsbesucher verlassen den Bus und desto mehr junge Menschen steigen ein. Anfangs kamen sie oft alleine wegen des Kunstgenusses, jetzt durchstreifen sie die Nacht in der Gruppe auf der Suche nach Unterhaltung.

Haltestelle Beethovenplatz. Ein Dutzend Kunstkenner verlässt den Bus. "Ich glaub hier gibt es was zu sehen!", ruft eine Frau mit Kurzhaarschnitt ihrem Mann zu. Sie stürzen hinaus. Rudelverhalten, nennt man das. Wie wilde Wölfe sind sie hungrig - nach dem ultimativen Kunstgenuss.

Es ist halb zwei. Katharina betritt wieder den Bus. Ihr komplettes Programm hat sie durchgezogen - nur der Weg zur Hundertwasser-Ausstellung in der Kulturfabrik am Ostbahnhof war ihr zur weit. Sie schaut müde, erschöpft, gesättigt aus. Der sorgfältig ausgeheckte Plan ist zerknittert. Am Odeonsplatz steigt sie ein letztes Mal aus. Sie wirft den Plan in einen Abfalleimer. Es ist vollbracht.

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