Streetlife-Festival in München:Ausweitung der Latsch-Zone

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An diesem Wochenende haben die Künstler wieder Leopold- und Ludwigstraße zur autofreien Zone erklärt: Es ist Streetlife-Festival.

Florian Zick

Der Mann in der Lederhose und den Wadlstrümpfen hat es nicht leicht: Er versucht seine Vorstellung von einer sauberen Umwelt unters Volk zu bringen, doch die meisten Passanten strömen an ihm vorbei zu den Ständen mit den Wurst- und Käseangeboten. Wie jedes Mal, wenn Streetlife-Festival und "Corso Leopold" die Strecke zwischen Odeonsplatz und Münchner Freiheit in eine Kunst- und Kulturmeile verwandeln, kommt es hier zum Duell zwischen Politik und Vergnügen, zwischen Appellen an die Vernunft und kulinarischen Versprechungen.

Erstmals auf dem Streetlife: Kräftemessen auf dem Rugby-Feld. (Foto: N/A)

Das Erstaunliche dabei: Es läuft alles so stressfrei ab, wie man sich sonst vielleicht nur noch Vorstandswahlen in einem Kegelclub vorstellt. Kein Streit, alles harmonisch. Odeonsplatz, Samstagabend: Die Temperatur ist noch lau und die Bierbänke vor der Bühne an der Feldherrnhalle sind komplett belegt. Ein Pärchen sucht mit seinen zwei Flaschen Radler Unterschlupf im kleinen Verkaufszelt eines Raumausstatters. Neben den Stühlen liegen Stoffproben, wahrscheinlich aus fair gehandelter Alpaka-Wolle, denn so ist alles hier auf dem Straßenfest, ein bisschen öko und ein bisschen besonders. Und der Besitzer des Zeltes lässt die beiden gewähren. Er macht nur ein paar Scherze, kein Geschimpfe, kein Gezeter. So eine entspannte Stimmung gibt es nicht einmal auf dem Tollwood-Festival.

Vielleicht liegt das auch daran, dass "Streetlife" und Corso Leopold gemeinsam ein sehr demokratisches Straßenfest bilden. Sie ergänzen sich, für jeden ist etwas dabei. Für Junge und für Alte, für BWL-Studenten und Öko-Tanten, für Bodybuilder und Schmächtige. Vor der Universität etwa messen sich Vierer-Teams auf sandigem Untergrund beim Beach-Rugby. Ein paar Meter weiter wiegen Jugendliche vor der Latin-Arena ihre Rasta-Zöpfe zum Rhythmus von Reggae-Musik. Und wieder etwas weiter tanzen vor und auf der Bühne einer Tanzschule Menschen Discofox.

Fußgänger und Radfahrer haben die Macht übernommen: Leopold- und Ludwigstraße sind an diesem Wochenende autofreie Zone. (Foto: N/A)

Es ist ein bisschen wie die Wiederkehr des Sommermärchens. Seit der Fußball-WM im eigenen Land kämpfen die Deutschen ja ein bisschen darum, dieses locker-lässige Bild, das die Welt damals von ihnen bekommen hat, zu konservieren. Diesen Sommer war das oft eine schwierige Angelegenheit, etwa weil man sich zu viel über das Wetter aufregen musste oder sich in gesellschaftlichen Debatten verkrampfte. An diesem Wochenende jedoch war das anders: Auf den Straßen hört man unterschiedliche Sprachen, von Französisch bis Russisch. Zu essen gab es, was auch immer man wollte: Riesenbratwurst, afrikanische Küche oder spanische Paella. Alles wirkte multikulturell und ausgelassen.

In so einer Atmosphäre lässt man sich auch gerne ein bisschen Öko-Edukation gefallen und viele mehr oder weniger geglückte Wortspiele mit dem Begriff "Fair handeln". Zumindest die Infobroschüren, die Leute wie der Mann in Lederhose verteilen, nimmt man gerne mit. Die Forderungen sind ja auch durchaus konsensfähig: gegen Gentechnik in der Landwirtschaft - und für Speiseeis aus Ziegenmilch.

© SZ vom 13.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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