Schwere Vorwürfe gegen Medizinfirma:Tausende Batu-Produkte beschlagnahmt

Lesezeit: 4 min

An Krankenhäuser und die Wiesn-Wache gingen die umstrittenen Medizinprodukte von Batu. Nun haben Staatsanwälte und Polizisten die Räume der Firma durchsucht.

Silke Lode

Kaum jemand hatte noch daran geglaubt, dass die Batu Medical AG eine plausible Erklärung abliefern würde für die Vorwürfe, die gegen sie im Raum stehen. Mindestens drei Kliniken, darunter das Stadtklinikum, eine OP-Praxis und die Sanitätsstation des Oktoberfests, hat Batu mit chirurgischen Instrumenten und anderen Medizinprodukten beliefert, von denen niemand weiß, ob sie für die Patienten sicher sind.

Der gelbe Griff ist das Markenzeichen von Batu-Medizinprodukten, die auch auf der Wiesn-Wache eingesetzt wurden. Doch die auf dem Foto erkennbare CE-Kennzeichnung 0482 ist gefälscht, zudem gibt es Hinweise, dass die Farbe giftige Schwermetalle enthält. (Foto: N/A)

Zumindest einige CE-Kennzeichnungen sind nachweislich gefälscht, Gesundheitsbehörden in Deutschland und der Schweiz haben nach Bekanntwerden der Vorwürfe vor Batu-Produkten gewarnt. Nun steht fest, dass Batu auch die letzte Chance, sich zu erklären, nicht genutzt hat: Am Freitag verstrich eine Frist der Behörden in Hannover, wo Batu seinen Sitz hat. Eine Woche hatte das dortige Gewerbeaufsichtsamt Geschäftsführer Frank Turau Zeit gegeben, sich zu äußern. Ohne Erfolg.

Thomas Spieker vom niedersächsischen Gesundheitsministerium hält das für "sehr ungewöhnlich". Beim Roten Kreuz in München (BRK) findet Peter Behrbohm deutlichere Worte dafür, dass Batu offenbar auf Tauchstation geht: "Das ist der Hammer." Für das BRK ist die Sache besonders unangenehm, da die Wiesn-Wache ein Prestigeprojekt ist, das gerade erst einen Hygiene-Skandal überstanden hat. Vor dem Oktoberfest 2010 haben die Kontrolleure deshalb besonders genau hingeschaut - umso größer ist nun auch bei den Behörden der Ärger darüber, dass man zwar auf medizinische Einmalprodukte umgestellt hatte, dabei aber auf Betrüger hereingefallen ist.

Fehler hat das BRK nach allem, was bisher bekannt ist, nicht gemacht. Das Beispiel der Wiesn-Wache zeigt vielmehr, dass das Problem tiefer geht: Wer als Hersteller bewusst an der Zertifizierung sparen oder minderwertige Medizinprodukte auf den Markt bringen will, um schnelles Geld zu machen, der findet auch eine Lücke in der Kontrollkette.

Beim städtischen Gesundheitsreferat (RGU) erinnert man sich noch genau an die Kontrolle der Wiesn-Wache: Kurz vor dem Oktoberfest waren die Experten vor Ort, es ging um Personal- und Basishygiene, die Station wurde baulich unter die Lupe genommen und der Einsatz von Desinfektionsmitteln überprüft. Lauter Aspekte, die nicht zufällig, sondern wegen konkreter Mängel in der Vergangenheit in den Blick genommen wurden.

Weil es zudem Probleme mit den Sterilisationsgeräten gegeben hatte, waren die Auflagen für eine Aufbereitung vor Ort so hoch, dass sich das BRK für eine Alternativlösung entschieden hat: medizinische Einmalprodukte von Batu. "Wir haben CE-Nummern auf den Verpackungen gesehen, alles sah prima aus", berichtet eine RGU-Sprecherin. Einzeln überprüft habe man die Nummern nicht: "Das schafft man nicht und dafür sind wir eigentlich auch nicht zuständig."

Zuständig wäre dafür theoretisch das Gewerbeaufsichtsamt der Regierung von Oberbayern. "Von uns war aber vor dem Oktoberfest niemand da", sagt Behördensprecher Heinrich Schuster. "Wir kontrollieren anlassbezogen, für einen Rundum-Check haben wir nicht das Personal."

Für die Regierung von Oberbayern war der Fall Wiesn-Wache erledigt, als klar war, dass dort Einmalbesteck verwendet werden sollte. Doch der Haken an der Sache ist, dass es die CE-Nummer 4042, die etwa auf den Wundversorgungssets steht, nicht gibt. Andere Batu-Produkte tragen die Nummer CE0482, die auf die Zertifizierungsfirma Medcert in Hamburg schließen läßt. Batu ist dort jedoch nicht Kunde, die Zertifizierung wurde zu Unrecht aufgedruckt.

Auch auf der Wiesn-Wache wurde Batu-Besteck eingesetzt. (Foto: dapd)

Inzwischen verdichten sich die Hinweise, dass die Batu-Produkte nicht nur unzertifiziert, sondern auch mangelhaft sind. In der Schweiz sind Instrumente aufgetaucht, die "nicht verpackungskonform für Sterilprodukte verpackt" sind, heißt es in einer Warnung aus Niedersachsen. Die Firma Hartmann, ein Konkurrent von Batu, hat zudem die gelbe Farbe auf den Griffen der Instrumente untersuchen lassen - ein Markenzeichen von Batu. Laut Firmensprecherin Margarete Krämer hat ein extern beauftragtes Labor herausgefunden, dass die gelbe Farbe zu 30 Prozent Bleichromat enthält - ein Schwermetall, das auf einem Medizinprodukt "äußerst kritisch" zu bewerten sei, vor allem da die Farbe sich relativ leicht ablösen lasse.

Das Münchner Gesundheitsreferat und das BRK haben längst Strafanzeige erstattet, und da Batu auf die Vorwürfe nicht reagierte, haben Staatsanwaltschaft und Polizei am vergangenen Freitag Räume des Unternehmens in Hannover, Lörrach und München durchsucht. In Lörrach, wo Batu offenbar sein Zentrallager hat, wurden mehrere Tausend Medizinprodukte beschlagnahmt. Staatsanwalt Dieter Inhofer geht davon aus, dass die weiteren Ermittlungen wegen des Vorwurfs von Verstößen gegen das Medizinproduktegesetz sowie wegen des Anfangsverdachts des Betruges mehrere Monate dauern werden.

Ebenfalls am Freitag wurden Batu-Büroräume in Hannover durchsucht, am angeblichen Hauptsitz der Firma fanden die Ermittler jedoch nur die Buchhaltung. Auch in München wurde zeitgleich ein Lagerraum durchsucht - Batu unterhielt hier laut Handelsregister bis zum 8. Dezember 2010 eine Vertriebs-GmbH, die dann nach Hamburg umzog. Die Ermittler wurden offenbar trotzdem fündig, auch in München sei Beweismaterial sichergestellt worden, erklärte Inhofer.

Auf ein kompliziertes System aus Aktiengesellschaften und Töchtern in verschiedenen Ländern setzt Batu-Geschäftsführer Frank Turau seit Jahren. Mit verschiedenen Partnern war der 55-Jährige immer wieder an neuen Firmen beteiligt, vor allem in der Schweiz. Wiederholt wurden diese von Amtes wegen aufgelöst. Zuletzt wurde Turau Chef einer Firma, die eine insolvente Schönheitsklinik am Odeonsplatz übernehmen wollte.

Ein Businessplan Turaus, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, verdeutlicht den Kern seines Geschäftsmodells: Für Tageslöhne von ein bis zwei Euro lassen seine Firmen in Pakistan Tausende unterschiedliche Medizinprodukte fertigen. "Wir haben unseren pakistanischen Hersteller mit Maschinen, Katalogen und Kenntnissen so ausgestattet, dass er Instrumente der Firma Aesculap einwandfrei kopieren kann", heißt es dort. Die deutsche Firma Aesculap ist Marktführer der Branche, ihre Preise sollen um 40 Prozent unterboten werden.

Nach Turaus eigener Einschätzung ist diese Praxis legal, da die Produkte patentrechtlich nicht geschützt seien. Angreifbar wird er, wenn sich die strafrechtlichen Vorwürfe gegen ihn erhärten: Bei Verstößen gegen das Medizinproduktegesetz drohen in besonders schweren Fällen bis zu fünf Jahre Haft.

© SZ vom 01.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: