Neu-Kardinal Walter Brandmüller:Von Ansbach in den Vatikan

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Er spricht ein halbes Dutzend Sprachen und ist einer von etwa 560 Bewohnern des Vatikans: Im Alter von 81 Jahren wird der konservative Historiker Walter Brandmüller zum Kardinal ernannt.

Christiane Kohl

In Walter Brandmüller hat Papst Benedikt gleichsam seinen Chefhistoriker zum Kardinal gemacht. Seit 1998 leitet der in Ansbach geborene Franke das Päpstliche Komitee für Geschichtswissenschaften im Vatikan, in manch einem prominenten Streitfall der Kirchengeschichte hat der 81-Jährige im Lauf der Zeit schon engagiert Stellung bezogen. Ob es Inquisitionsfragen waren, der Fall Galilei oder die umstrittenen Positionen des während des Zweiten Weltkriegs amtierenden Papstes Pius XII. gegenüber den Nazis. Brandmüller gilt als Mann, der mit seiner Auffassung nicht hinter dem Berg hält, und er vertritt zumeist eine eher konservative Position.

Konservativ: Walter Brandmüller, 81, wird zum Kardinal ernannt. (Foto: dpa)

Schon zu Zeiten von Papst Johannes Paul II. galt er als einflussreicher Historiker in der katholischen Kirche. Seit 1981 Mitglied in der päpstlichen Geschichtskommission, wirkte der Historiker und Theologe zunächst 27 Jahre als Professor für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Universität Augsburg, zuvor war er an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Dillingen tätig. Zu seinen Spezialgebieten zählte damals die Geschichte der Konzilien im Mittelalter. Nebenher betreute der 1953 zum Priester geweihte Wissenschaftler eine kleine Gemeinde in Bayern als Pfarrer: "Meine weltlichen Kollegen hatten eine Familie, ich hatte meine Pfarrei", pflegte er zu seiner Universitätszeit zu sagen.

Nachdem der Papst Brandmüller 1998 zum Chefhistoriker ernannt hatte, zog der Bayer in den Vatikan, wo er seither als einer von etwa 560 Bewohnern des Kirchenstaates lebt. Seine Wohnung liegt gleich neben dem Petersdom, im vierten Stock des Palazzo della Canonica, nicht weit von der Tankstelle im Vatikan. Konservativ und zugleich humorvoll und jovial führt Brandmüller ein äußerst gastliches Haus: Der Historiker genießt es sichtlich, im Zentrum des Kirchenlebens zu wirken.

Brandmüller spricht ein halbes Dutzend Sprachen, er gilt noch als einer jener Professoren, die man als Universalgelehrte betrachten kann. Bei aller Freundlichkeit gibt sich der Kirchenhistoriker freilich in der Sache zumeist recht entschieden. So ergriff er unumwunden für Pius XII. Partei, dem Kritiker vorgeworfen hatten, zu unentschlossen gegenüber Nazi-Deutschland gewesen zu sein. Und die Position der Kirche in der Inquisition wertete er als "Verteidigung der Vernunft".

© SZ vom 21.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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