Kreis und quer:Mr. Spock lässt grüßen

Lesezeit: 2 min

Die Coronakrise greift in alte Rituale ein, die Menschen müssen sich neue Formen ausdenken, sich ohne Ansteckungsgefahr zu nähern

Von Iris Hilberth

Die Abkehr von jahrzehntelang praktizierten Ritualen ist nicht immer einfach und verlangt mitunter höchste Konzentration. Kurz mal nicht dran gedacht, und schon fällt man in alte Muster zurück. Es dauert, bis man das Hirn umprogrammiert hat. Natürlich weiß jeder inzwischen: Händeschütteln ist aktuell eine sehr schlechte Idee. Und doch ist es in diesen Tagen hin und wieder noch vorgekommen, dass jemand seine Hand zur Begrüßung ausstreckte und der andere beherzt zupackte. Am Wahlabend etwa. Natürlich haben die beiden ihre Hände schnell wieder zurückgezogen, geradezu als hätten sie sich verbrannt. Ups - soll man ja nicht!

Aber wie denn dann? Auch in Zeiten vor Corona war es nicht immer leicht zu entscheiden, welche Begrüßungsform angemessen und richtig ist. Das fing schon mit der Frage an, ob man jemanden umarmen soll, den man kaum kennt, nur weil in einer Gruppe sich alle umarmen oder mit Bussi begrüßen. Auch bei Auslandsreisen wurde gerne auf die kulturellen Unterschiede der Begrüßungsformen hingewiesen. Was bei Barak Obama mal dazu geführt hat, dass er sich vor dem damaligen chinesischen Präsidenten Hu Jintao verbeugte, während der ihm die Hand hinstreckte.

Schaut man auf der Suche nach Alternativen zum viralen Händedruck die Begrüßungsrituale anderer Ländern an, so findet sich da vieles, was man derzeit erst recht von der Liste streichen kann. Auf den Polynesischen Südsee-Inseln etwa greift man gar die Hände des Gegenübers und streichelt mit diesen über das eigene Gesicht. Auch vom Nasenkuss der Inuit-Völker ist natürlich abzuraten. Den Männern den Bart zu kraulen wie in Neuguinea funktioniert auch kaum mit eineinhalb Metern Abstand.

So versuchten es einige Kandidaten in der Wahlnacht mit asiatischen Verbeugungsgesten, wirkten dabei aber noch etwas verkrampft. Auch wer sich für das Winken aus sicherer Entfernung beim Betreten des Rathauses entschieden hatte, konnte seine Verlegenheit bei dieser Geste kaum verbergen. Das Mittel der Wahl schien an jenem Sonntag noch der Ellenbogengruß. Den hatten die Grünen in Unterhaching fast schon automatisiert, auch der FDP-Kandidat in Oberhaching gratulierte dem wiedergewählten Bürgermeister auf diese Weise. Einige versuchten sich auch an dem in der Krise bekannt gewordenen "Wuhan-Shake", was allerdings wirklich ein Gruß für Fortgeschrittene ist, weil man sich mit den Füßen statt mit den Händen berührt und dies - um nicht die Balance zu verlieren - besser vorher im stillen Kämmerlein trainieren sollte. Wofür jetzt die richtige Zeit wäre.

All das ist erst ein paar Tage her, in den nächsten Wochen wird man noch seltener in die Verlegenheit kommen, jemanden zu begrüßen. Aber vielleicht wäre der alte Gruß der Vulkanier jetzt angemessen. Wir erinnern uns: Die Hand heben und nur zwischen Ring- und Mittelfinger auseinander spreizen. In "Startrek" war dies häufig verbunden mit den Worten "Lebe lang und in Frieden."

© SZ vom 21.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: