Endlich Wochenende:Weiche, widerliche Wiesn!

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Hilfe, die Italiener kommen! Deshalb nicht auf die Wiesn, sondern: Zum Griechen, auf den Balkan - und in bayerische Wirtshäuser.

Moritz Baumstieger

Endlich Freitagabend! Doch was tun? Das kann natürlich jeder selbst entscheiden, doch ein paar Anregungen können nicht schaden. Die sueddeutsche.de -Redaktion stellt jeden Freitag ihr perfektes Wochenende vor.

Am Italienerwochenende versuchen viele Münchner die Wiesn zu meiden. Die sueddeutsche.de-Redaktion stellt ihre Vorschläge für ein perfektes Wochenende vor. (Foto: Grafik)

Freitag, 16 Uhr

Aus zwei Gründen sollte man die Wiesn an diesem Wochenende großräumig umgehen: Erstens wird ab diesem Abend Schluss sein mit der Altweibersommer-Sonne, die Petrus in seiner Gnade der Jubiläumswiesn bisher gegönnt hat. Zweitens: Die Blechlawine rollt bereits über den Brenner - Mamma mia, es ist Italienerwochenende! Also fahre ich nach Feierabend schnell zur Theresienwiese, setze mich in den Augustinergarten, und nehme bei einer Maß und einer Breze Abschied vom Oktoberfest. Für die nächsten 48 Stunden.

Freitag, 19 Uhr

Auch wenn der temporäre Wiesn-Boykott die perfekte Möglichkeit wäre, ein komplett unbayerisches Wochenende zu verbringen: Jetzt ist mein Ehrgeiz geweckt. Bayerische Lebensart abseits der Wiesn? Geht! Ich radle in die Tegernseer Landstraße, dort spielt im Puerto Giesing ein gewisser Hans Söllner. Den habe ich viel in dem Alter gehört, als ich meinem großen Bruder noch Musikkassetten stibitzt habe. Mal gucken, wie sich der Söllner Hansi in die MP3-Zeiten herübergerettet hat. Sein Song "Mein Vater hat an Marihuana-Baum" mausert sich im Winzerer Fähndl zum heimlichen Wiesn-Hit - doch eigentlich müsste Söllner auch in Zeiten des Atomkompromisses etwas Neues zu sagen haben.

Freitag, 23 Uhr

Der Abend ist noch jung, das Wetter morgen schlecht. Grund genug, noch etwas aufzubleiben. Im Ampère gibt es an diesem Abend Folklore, zumindest so etwas in die Richtung: Balkanstyleee-Nacht, das heißt: Trompeten, Pauken, Sliwowitz - und viel Schweiß, weil viel getanzt wird. Also nichts wie hin, bevor die erste Welle der Wiesn-Gänger die Eingänge verstopft.

Samstag, 11.30 Uhr

Puh, das war anstrengend. Deshalb packe ich nun einen Stapel Zeitungen, die Freundin und das Radl ein, und mache mich auf den Weg ins Glockenbachviertel. Da will ich erst in aller Ruhe im Baadercafé einen Schokokuchen zum Frühstück essen, und mich dann, wenn die Kraft noch reicht, im "7. Schuh-Himmel" in der Hans-Sachs-Straße umsehen. Schließlich trage ich nun schon seit Wochen dieselben zwei Paar Turnschuhe abwechselnd spazieren.

Samstag, 14 Uhr

Ich renne schnell zur U-Bahn: Aus beruflichen Gründen geht es in die Allianz-Arena, wenn der MVG nicht immer noch streikt. Da spielt heute der FC Bayern gegen die Spaßkombo aus Mainz, die zur Zeit auf Platz eins steht. Da also, wo die WM-müden Bayernspieler gerne hinwollen. Von mir aus müssen die Mainzer die Tabellenspitze aber nicht räumen - als Sechzger-Fan bleibt einem ja angesichts der Erfolglosigkeit der eigenen Mannschaft nichts anderes, als klammheimliche Freude über Heimniederlagen des FC Bayern zu empfinden.

Samstag, 20 Uhr

Ich steige am Sendlinger Tor aus der U3 und sammle dort mein Fahrrad auf. Mit dem geht es nach Untergiesing in die Claude-Lorraine-Straße. Dort gibt es eine gegrillte Dorade oder eine Lammhaxe im "Lucullus", der wohl einfachsten aber besten griechischen Taverne der Stadt. Hier ist es zwar fast genauso laut wie auf der Wiesn - aber Publikum, Essen und vor allem auch die Preise sind angenehmer.

Samstag, 22:30 Uhr

Nun steht eine schwierige Entscheidung an: Schon wieder ins Puerto Giesing? Wäre ein Katzensprung, nur einmal den Berg von Unter- nach Obergiesing rauf. Dort legen heute die Leute vom Optimal auf. Und wenn einer guten Sound haben muss in dieser Stadt, dann doch die Plattenladenbesitzer Upstart, Lester Jones und Christos Davidopoulos. Einziges Manko: Der volle Bauch, der keinen Berg hochradeln will. Also doch lieber auf ein Gute-Nacht-Bier im Café am Hochhaus. Dort legt Mirco Hektor auf, der recherchierte einst die Geschichte des Münchener Nachtlebens für sein Buch "Mjunik Disco". Und seine musikalische Version davon ist garantiert Wiesnhit-frei.

Sonntag, 11 Uhr

Und weiter geht das bayerische Wiesnboykott-Wochenende. Im Fraunhofer gibt es nicht nur wunderbare Weißwürste und wunderbares Weißbier. Sondern heute auch eine Matinée, die an den ebenfalls wunderbaren, Schauspieler Jörg Hube erinnert, der letztes Jahr verstorben ist-. Franz Xaver Kroetz, die ExpressBrassBand und Zwirbeldirn werden beim "Herzkasperl" Teile aus Hubes Programmen nachspielen - und so mancher wird sich die eine oder andere Träne verdrücken.

Sonntag, 15 Uhr

Ab nach Hause. Mal wieder aufräumen, die Freunde abtelefonieren und schon einmal die Lederhose für Montag auslüften, wenn die Wiesn wieder Touristenfrei ist. Auf dem Weg aber: Kurzer Stopp in der Glyptothek. Nein, nicht wegen den alten Statuen, sondern weil die Jahreseintrittskarte für das kleine Café noch einmal ausgenutzt werden muss. Und der Birnen-Rahmkuchen einfach unübertrefflich ist. Und weil es einer der einzigen Orte der Stadt sein dürfte, an dem ganz sicher keine Filzhüte und "Oktoberfest: I survived" T-Shirts anzutreffen sind. Wetten?

Sonntag, 20 Uhr

Sofa und Bett sind gefährlich nah und ziemlich verlockend. In einer halben Stunde läuft im City-Kino "Jud Süß - Film ohne Gewissen" - daheim bleiben und Tatort gucken oder noch mal raus und ins Kino? Im Ersten ermittelt das Berliner Team, das ist zwar ganz nett - aber: Die letzte Chance, an diesem wiesnfreien Wochenende noch einmal einen Kinosaal aufzusuchen, bevor es wieder in die Bierzelte geht.

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