Blogger in München:Das bisschen Haut

Lesezeit: 3 min

Sie ziehen sich aus, schreiben über ihr Liebesleben und wundern sich, dass andere dies komisch finden - Münchner Blogger intim

Veronika Dräxler

Der Mund: lasziv geöffnet. Die Lippen: glänzend. Scrollt man durch den Blog der Münchnerin Lilly Schön, 24, findet man jede Menge stimmungsvolle Fotos, Szenarien, die neugierig machen: fast nackte Beine, wären da nicht die roten Kniestrümpfe, bewegte Partyszenen, aber auch Kulinarisches, das Hunger auf mehr macht. Hunger auf Lillys Leben.

Lilly Schöns Füße: Die Münchner Bloggerin postet private Inhalte im Internet. (Foto: Lilly Schön)

Nicht wenig davon erfährt man auch, wenn man ihren Blog lillypanic.blogspot.com durchstöbert. Lilly postet wie inzwischen viele junge Menschen private Inhalte im Internet. Mit ihrem Blog dokumentiert sie ihr Leben und sortiert ihre Fotos, einsehbar für jeden, den es interessiert.

Dass Fotos aus ihrem Alltag sie angreifbar machen könnten, glaubt sie nicht. Für Lilly ist es bei ihrem Blog wichtig, Persönlichkeit zu zeigen, vor allem: ein Gesicht zu haben. "Wenn ich meine Beine mit einem neuen Kleidungsstück inszeniere, tue ich das nicht, weil ich meinen Körper unbedingt zeigen will, sondern um ein Gefühl zu vermitteln", sagt sie.

Persönliches und Tattoo-Motive, auf die Mischung kommt es an. Nur Familienfotos haben für Lilly nichts in ihrem Blog zu suchen. Fotos mit ihren Freunden hingegen schon. Dies sei auch für ihre Freunde vollkommen in Ordnung - für Fremde erst recht. "Mir gefällt es, wenn auch Menschen einen Kommentar abgeben, die ich nicht kenne. So komme ich immer wieder mit neuen Leuten in Kontakt", sagt Lilly.

"Ich brauche die Rückmeldung der Leser"

Anja-Lisa Schauberger, 20, geht es ähnlich: "Ich kann gar nichts mehr für mich alleine schreiben, ich brauche diese wahnsinnig belebende Rückmeldung von Lesern aus dem Internet", sagt sie. Die Münchner Germanistikstudentin veröffentlicht Geschichten aus ihrem Liebesleben. Ein Blatt vor den Mund nimmt sie dabei nicht: "In meinen Texten bin ich sehr ehrlich", sagt sie. Dass es hierbei um Gefühle geht? Egal! "Es scheint immer noch ein gesellschaftliches No-Go zu sein, selbstverständlich und offen über sein Liebesleben zu erzählen", sagt sie und wirkt dabei richtig ärgerlich.

Zugegeben, die ein oder andere Beziehung habe sie sich durch ihre offenherzigen Texte schon verbaut, gibt Anja-Lisa zu. Auf ihre Texte, die sie bei jetzt.de unter dem Pseudonym _plastikherz_ veröffentlicht, würde sie deswegen aber auf gar keinen Fall verzichten. "Wer mich wirklich mag, der kann damit umgehen, dass ich öffentlich genauso ehrlich bin wie privat. Wenn jemand damit ein Problem hat, dann ist das zwar schade, aber dann konzentriere ich mich lieber auf die Menschen in meinem Leben, bei denen ich sein kann wie ich bin."

Für Mode-Bloggerin Amelie Kahl, 20, ist diese Form von Öffentlichkeit wichtig. Und Ansporn, sich immer intensiver mit Fotografie, Mode und Stil auseinanderzusetzen. Die Abiturientin ist ihr eigenes Model, zeigt in ihrem Blog windcriesamy.blogspot.com regelmäßig Fotos aus ihrem Zimmer, auf denen sie selbst posiert und Mode inszeniert. Dass sie hier zum Teil sehr wenig anhat? Egal.

Fotografischer Sinn für Ästhetik

"Ich verdränge eigentlich, dass meine Leser viel über mich und meinen Alltag wissen", sagt Amelie. Dass ein Teil ihres Privatlebens jetzt öffentlich sei, "war eigentlich reine Gewöhnungssache", sagt sie und ergänzt: "Ich finde das in Ordnung, auch wenn ich verstehe, dass andere Menschen das komisch finden."

Aber was ist in Zeiten von Facebook und anderen sozialen Netzwerken überhaupt noch privat?

"Ich finde, dass es niemand etwas angeht, was ich gestern gegessen habe oder wie mein Zimmer im Detail aussieht", sagt etwa Mia Janik, 20. Sie beschränkt ihre persönlichen Mitteilungen auf Gedichte zu ihren Fotostrecken - und zeigt in ihrem Blog marlene-impressions.blogspot.com gerne mal Haut oder eine intim anmutende Szene mit ihrem Freund. Leichtsinn? Oder eine inzensierte öffentliche Intimsphäre?

Für Mia dokumentieren die Fotos auf ihrer Internetseite ihren fotografischen Sinn für Ästhetik. Und keineswegs ihr Privatleben. Sagt sie zumindest. "Bei den Fotos mit meinem Freund zum Beispiel schreibe ich nicht darunter, dass er das ist, was wir gemacht und ich gedacht habe." Ihr Zimmer könne man sich vielleicht vage vorstellen. "Ich will aber, dass meine private Umgebung offen bleibt."

Weitere Texte junger Autoren unter www.sz-jugendseite.de .

© SZ vom 21.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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