Kurzkritik:Zwischen Predigt und Oper

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Bachs Johannes-Passion in der Musikhochschule

Von EKATERINA KEL, München

Nach beinahe 300 Jahren kann Bachs Johannes-Passion immer noch ein kraftvolles musikalisches Ereignis sein. Das haben die Studierenden der Musikhochschule jetzt bewiesen. Andächtig und rührend zugleich spürten sie dem barocken Klang der Passion nach. Martin Steidler dirigierte mit Präzision und sanfter Ruhe. Durch seine ausgeglichene Bestimmtheit legte sich ein sakraler Hauch über alle Töne. Der beachtliche Klangkörper des gut 60-köpfigen Chores wirkte dabei samtig und anmutig.

Bach schrieb die Johannes-Passion in der Tradition des Gottesdienstes und versehrte sie gleichzeitig mit dem musikdramatischen Anspruch einer Oper. Dramaturgisch ist der Einstieg maßgebend für die gesamte Passion, denn hier steckt schon die ganze Emotionspalette: Gefahr, Trauer, Ermahnung, Andacht und - sehr viel Schönheit. Der Chorus, von barocken Traversflöten und Oboen konzentriert begleitet, lässt das unterschwellige Unheil, das Jesus erleidet, gleich am Anfang deutlich spüren. Das Barockorchester des Studios für historische Aufführungspraxis trumpfte auch sonst mit authentischen Instrumenten auf. Vorne eine Gruppe aus zwei Lauten, einer Viola da gamba, einem Cembalo und einer Orgel, bei den Streichern waren die Viola d'amore und die Violone vertreten. Die Darbietung überzeugte mit authentischer Zartheit barocker Musik. Mal konzentrierten sich die Musiker auf den Rhythmus, mal auf die dramatische Ausführung einer klagenden Intonation und balancierten zwischen sakraler Andacht und hauchender Leichtigkeit.

Der lyrische Tenor Julian Prégardien gab einen klangsicheren Evangelisten. Einige studentische Solisten standen dem Lehrer allerdings in nichts nach: Vielversprechend gestaltete Manuel Adt die Partie des Pilatus mit herrschaftlichem Bass, Stefan Steinemanns koloraturreicher Countertenor ließ Jesus' letzte Worte anmutig erklingen, und Anna Karmasin entsandte einen glasklaren, leuchtenden Sopran in den Großen Konzertsaal. Über zwei Stunden erstreckt sich Bachs Monumentalwerk, doch die Zeit verstrich wie im Flug. Frommer Glaube und dramatische Emotionen gingen bei der Aufführung eine erfolgreiche Symbiose ein. Das Publikum zeigte sich begeistert.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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