Kurzkritik:Lebendig

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Muffathalle: "Archive" als ewig aktive Trip-Hop-Band

Von Jürgen Moises, München

Morcheeba gibt es wieder, nach einer längeren Pause sogar in Originalbesetzung. Auch Portishead und Massive Attack existieren irgendwie noch, zumindest live, mit neuen Einspielungen lassen sie sich dagegen Zeit. Insofern könnte man sagen, dass Archive die einzige britische Trip-Hop-Band aus den 1990er-Jahren ist, die seit ihrer Gründung 1994 kontinuierlich an der eigenen Karriere arbeitet. In relativ kurzer Zeit hat die Band zuletzt sogar gleich zwei Alben fertiggestellt: "Axiom" im Mai 2014, "Restriction" im Januar 2015.

Bei ihrem Konzert in der fast vollen Muffathalle haben die Briten nun beide Alben vorgestellt. Wobei "Axiom" nur aus der Konserve zu hören war, denn "Axiom" ist gleichzeitig ein Film: eine düstere Endzeit-Parabel über Gehirnwäsche, Macht und Gehorsam, die - anstatt einer Vorband - als rund 40-minütige Projektion inklusive des von Archive komponierten Soundtracks zu erleben war.

Der Rest des zweieinhalbstündigen Konzertes stand ganz im Zeichen von "Restriction", ergänzt durch ältere Songs wie "Violently" oder "Numb". Dabei zeigten schon alleine die Songs von "Restriction" mit ihrer Bandbreite von Trip-Hop über Prog-Rock und Pink-Floyd-Anleihen bis hin zu leichtem Noise, warum Archive nie stehen geblieben sind. Und warum sie es aber gleichzeitig nie in den nostalgischen Kanon so mancher Trip-Hop-Verehrer geschafft haben. Denn seit ihrem Debüt "Londinium" sind Trip-Hop-typische, aus Dub und Hip-Hop entlehnte Rhythmen zwar ein zentrales Element, aber nur eines von vielen, die ihre Songs dafür sehr abwechslungsreich machen, genauso wie die verschiedenen Stimmen.

So wechseln sich in der Muffathalle die Gitarristen Dave Pen und Pollard Berrier sowie Sängerin Holly Martin am Mikrofon permanent ab. In manchen ruhigen Momenten wird mit breiten Synthie-Flächen vielleicht zu sehr eine einfache Mollklaviatur bedient. Andererseits entwickelt bei Songs wie dem fast 20-minütigen Rausschmeißer "Lights" gerade die Reduktion auf wenige Riffs und Akkorde in Kombination mit einer zunehmenden Dynamik eine sich steigernde Kraft. Hier steckt noch einmal alles drin, was die Musik von Archive vielleicht nicht einzigartig, aber bis heute lebendig macht.

© SZ vom 25.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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