Joyce Vincent starb im Dezember 2003 in Folge eines Asthmaanfalls. Dass man den Leichnam der 38-jährigen erst über zwei Jahre später im Januar 2006 in ihrer Londoner Wohnung fand, weil die Miete nicht mehr überwiesen wurde, inspirierte den Porcupine Tree-Kopf Steven Wilson zu seinem vierten Solo-Album, das er mit einer hochkarätig besetzten Band in der Alten Kongresshalle live präsentierte. Musikalisch holte er seine Fans dort ab, wo die Prog-Rock-Legende Genesis die ihrigen spätestens mit dem Weggang ihres Gitarristen Steven Hackett einst stehen ließ. Dass Wilsons Bassist und Chapman Stick-Spieler Nick Beggs vor kurzem in Hacketts Genesis-Show mitspielte, sei hier nur angemerkt, um zu verdeutlichen, wie vertraut die Band mit dem musikalischen Vorbild ist.
Doch Wilsons Musik ist keine nostalgische, die kulturpessimistisch eine Zeit zurücksehnt, in der Stereoanlagen noch Altäre in Jugendzimmern waren und keine Applikationen auf Smartphones. Wilson bietet jener Pop-Vergangenheit wieder eine Zukunft und nutzt dafür technische Errungenschaften, die der akustisch recht launischen Kongresshalle einen satten Klang abgewinnen.
Da die bestuhlte Halle auf allen Seiten mit Lautsprechern umrahmt ist, erfahren die Zuschauer ein drei-dimensionales Klangerleben. Der Sound wirkt auch mal rücklings auf sie ein, während Visuals wie jene Videos, die immer wieder die fiktiv nachgebildete Joyce Vincent zeigen, das Augenmerk nach vorn richten. Die Collage aus tickenden Uhren, die vor dem Gitarrenspiel zu "The Watchmaker" erklingt, vereint großartig das entsprechende Zwischenspiel von Pink Floyds "Dark Side Of The Moon" mit Ligetis "Poeme Symphonique für hundert Metronome". Wo die Zeit so herrlich durcheinander tickt, klingt sie fast zeitlos.