Kurzkritik:Ergreifender Mahler

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Robert Trevino und die Münchner Philharmoniker

Von Klaus P. Richter, München

Es war eine spannende Kombination in der Gasteig-Philharmonie: Schubert und Mahler - und noch mehr ein spannender Dirigent. Aber das ahnte man erst nach und nach, als er für Schuberts vierte Sinfonie über ihr "tragisches" c-Moll hinaus eine veritable Beethoven-Aura erschuf. Denn diese Sinfonie steht von jeher in dem Ruf, ein mäßiges Beethoven-Imitat zu sein. Aber Robert Trevino, der junge Amerikaner mit dem italienischen Namen, inszenierte im ersten und im letzten Satz mit klug dosiertem Pathos und sanguinischem Temperament ein recht glaubhaftes Imago Beethovens aus Schuberts Geist.

Das empfand man besonders im Vergleich zum Andante, wo der eigene Schubert-Ton fast etwas verloren wirkte. Vollends als Glücksfall aus der bunten Revue der Gastdirigenten in der Lorin-Maazel-Lücke erwies sich Trevino bei Mahlers fünfter Sinfonie. Das gewaltige Opus, an dem Mahler ewig in drei Fassungen herumgefeilt hat, war die Herausforderung des Abends für alle Beteiligten. Sogar - im komplexen, weitschweifig-mäandernden Finalsatz - für das Publikum. Die erste Trompeten-Fortefanfare des Trauerkonduktus aber setzte ein gewaltiges Welterzählungsepos in Gang, das genau so viel Weltverstörungspotenzial wie Welterlösungssehnsucht ausbreitete. Nach dem dramatischen Einsturz am Satzende waren es die Durchführungsturbulenzen des zweiten Satzes, wo Trauermarsch und Klage sinfonisch zerfetzt werden, die Robert Trevino bannend gestaltete. Genauso aber gelangen ihm die andächtigen Kantilenen und magischen Klangoasen, in denen Mahlers lebenslängliches Ringen um transzendente Erlösung so ergreifend Musik wird. Das berühmte Adagietto, die intime Liebeserklärung an die neu eroberte Alma, bewahrte Trevino sensibel vor Kitschverdacht.

Zum Höhepunkt aber wurde das turbulente Scherzo, in dem sich Mahler virtuos aus den Schubladen der damaligen U-Musik von Ländler bis Walzer bedient. Hier verstand man bestens, warum Trevino bereits in seinen ersten Moskauer Konzerten so begeistert gefeiert wurde. Und hier zeigten auch die Münchner Philharmoniker, in voller 100-Mann-Formation und überragend in ihrer großartigen Blechbläser-Riege, Weltklasseflair.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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