Kurzkritik:Altes Schema

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Die US-Band "Calexico" in der Muffathalle

Von DIRK WAGNER, München

So wie der Multiinstrumentalist Martin Wenk die Trompete ansetzt, schwingt in der ausverkauften Muffathalle fast schon ein wenig Jazzmusik in den bewährten Klangteppich von Calexico. Leider, und das trennt die Band allerdings schon seit einigen Jahren von ihrer anfänglichen Experimentierlust, bleibt es nur bei der Andeutung von musikalischen Möglichkeiten. Statt diese dann auszuleben, setzt die einstige Absplitterung von Giant Sand ein weiteres Mal auf ihren bewährten Mix, der die fiktiven Wüstenlandschaften, die ihre Musik zweifellos assoziiert, in eine Klangfarbe taucht, die nicht selten von den Soundtracks eines Ennio Morricone inspiriert zu sein scheint.

Und um im Wüstenbild zu bleiben, entpuppen sich dann aber die neuen Ansätze, mit denen Calexico ihr altes Schema zu brechen versuchen, nur allzu oft als Fata Morgana, als eine Luftspiegelung also, die den See nur vortäuscht, in welchen man so gerne eintauchen würde. Ein bisschen mexikanische Folklore hier, ein bisschen Psychedelica dort, dazu noch der einstige REM-Hit "The One I Love", der schon in den Achtzigerjahren nur zu häufig als Liebeslied missverstanden wurde, jede Menge kubanischer Salsa, sowie ein Teelöffel Reggae, fertig ist eine Popmusik, die man bei vielen anderen Interpreten vermutlich sogar als befreiend feiern würde. Doch verglichen mit den musikalischen Exzessen in früheren Calexico-Konzerten gerät die Musik diesmal leider doch nur allzu gefällig.

Insgesamt verhindert das freilich kein schönes Konzerterleben. Vor allem die älteren Songs wie das schon in Calexico-Konzerten obligatorische Love-Cover "Alone Again Or" erinnern schon immer wieder daran, mit welch einer großartigen Band man es hier zu tun hat. Die weitaus großartigste Leistung in diesem Konzert ist allerdings nicht die eigentliche Musik, sondern eine Bühnenbeleuchtung, die entgegen dem Songtitel "Moon Never Rises" den Mond dann eben doch farbenprächtig aufsteigen lässt. Und der ist dann mal keine Fata Morgana.

© SZ vom 23.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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