Kundenfreundlichkeit:Servicewüste Stadtwerke München

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Interne Belege dokumentieren wenig kundenfreundliches Verhalten des Konzerns: Rigorose Stromsperrungen, unbeantwortete Briefe, schlechte Kommunikation.

Doris Näger

Klagen von Kunden über die Stadtwerke München (SWM) sind häufig Gegenstand der Berichterstattung. Meist geht es um Einzelfälle. Der SZ liegen nun Unterlagen vor, denen zufolge ein geradezu kundenfeindlicher Umgang der SWM System hat. Dazu gehört beispielsweise, dass Tausende E-Mails und briefliche Anfragen über Wochen hinweg unbeantwortet bleiben.

Stadtwerke München: Stromsperrungen und überhöhte Rechnungen (Foto: Foto: dpa)

Überhöhte Rechnungen, lange Reaktionszeiten, rigorose Stromsperrungen bei Zahlungsrückständen - Klagen über die Stadtwerke gibt es viele. Der SZ liegen nun Informationen vor, die die Ursachen für die Unzufriedenheit der Kunden erhellen.

Interne Arbeitsanweisungen fordern die Callcenter-Mitarbeiter zu strengem Umgang mit den Kunden auf. Gleichzeitig hat sich offenbar ein immenser Postberg aufgetürmt: Einer internen Tabelle zufolge, die der SZ vorliegt, waren Ende Januar 30000 Dokumente - also Briefe, Mails, Anfragen - nicht bearbeitet.

Die Folge ist unter anderem, dass Kunden Mahnungen für ihre Abschlagszahlungen erhalten, obwohl sie bereits eine Einzugsermächtigung erteilt haben.

Nicht erreichbar

Auch die telefonische Erreichbarkeit scheint äußerst mangelhaft zu sein. Einer internen E-Mail gemäß kommen nur sechs von zehn Anrufern zu einem Agenten durch. Die Mitarbeiter dürfen weder Durchwahl noch personenbezogene E-Mail-Adresse herausgeben, sodass der Kunde bei Nachfragen sein Anliegen oft mehrmals erzählen muss, weil er keinen festen Ansprechpartner hat.

Frühere Mitarbeiter berichten, dass Neukunden grundsätzlich in einen teuren Tarif eingestuft würden - ohne die Information, dass es günstigere gibt. Wird ein Zählerstand geschätzt, werde dies dem Kunden gegenüber als "maschinell errechnet" bezeichnet.

Abschlagszahlungen richteten sich nach dem Verbrauch des Vormieters, unabhängig von der Zahl der Bewohner. Dadurch würden sie zum Teil viel zu niedrig oder viel zu hoch angesetzt. Im ersten Fall werden die Kunden von hohen Nachzahlungen überrascht, im zweiten gewähren sie den Stadtwerken ein zinsloses Darlehen.

Während sich die Stadtwerke durchaus Zeit lassen bei der Beantwortung von Anfragen, gelten für den Kunden klare Zeitpläne: Wenn der Kunde eine Rechnung von mehr als 200Euro 14 Tage nach der ersten Mahnung nicht zahlt, wird ihm der Strom abgestellt.

Bei Beträgen unter 200 Euro gibt es eine zweite - gebührenpflichtige - Mahnung. Zahlt der Kunde wieder nicht, "wird darauf gewartet, dass der Betrag über 200 Euro steigt", heißt es in internen Arbeitsanweisungen. Ausgenommen von Stromsperrungen sind beispielsweise Familien nur dann, wenn ein Kind maximal ein Jahr alt ist, oder Personen, die auf ein Beatmungsgerät angewiesen sind.

Ohne Ausnahmen

Dabei dürfen Mitarbeiter keine Rücksicht darauf nehmen, ob die Kunden arbeitslos oder krank sind. "Keine Ausnahmeregelungen" lautet die Arbeitsanweisung. Häuft jemand Stromschulden an, darf er, so berichten Insider, diese nur dann in Raten abzahlen, wenn er im vergangenen Abrechnungsjahr maximal eine Mahnung erhalten hat oder wenn die SWM vom Konto des Kunden höchstens einmal den Rechnungsbetrag nicht einziehen konnten. Andernfalls bleibt ihm nur, den Gesamtbetrag auf einmal zu begleichen, sonst riskiert er eine Stromsperre.

Wie viel Schaden die SWM durch nicht gezahlte Rechnungen haben, ist nicht bekannt. Andere Stromversorger beugen dem Einnahmenverlust jedoch vor, in dem sie eine Versorgung auf Guthabenbasis oder im Prepaid-System einrichten.

Call-Center Angestellte. Bei den SWM "äußerst mangelhaft" (Foto: Foto: dpa)

Die LechwerkeAG in Augsburg beispielsweise betreiben Zähler mit Tastaturfeld: Der Kunde zahlt mindestens elf Euro ein und erhält dann eine Schlüsselzahl, die den Strom freischaltet. Die Stadtratsfraktion der Grünen hat ein vergleichbares System im Herbst auch für München gefordert. Auf den Antrag gibt es noch keine offizielle Antwort.

Auf den Dienst am Kunden werden die Call- und Service-Center-Agenten offenbar auch nicht ausreichend vorbereitet. Laut Aussagen früherer Mitarbeiter sind die Schulungen "äußerst mangelhaft". Anweisungen seien widersprüchlich, Schulungsleiter hätten Ausspracheprobleme, Fachbegriffe würden falsch erklärt.

Hintergrundfragen der Angestellten würden unter dem Vorwand abgewiesen, es handle sich um Firmen-Interna. Zudem wird auf die Mitarbeiter Druck ausgeübt: "Drei mal pro Woche wurden wir per E-Mail darauf hingewiesen, dass wir auch am Samstag arbeiten sollen", sagt beispielsweise der frühere Mitarbeiter Harald S. Die Teams würden unter Druck gesetzt, möglichst selten krank zu sein.

Störfaktor Kunde

Eine Teamleiterin soll gesagt haben: "Wenn man mal Bauchschmerzen hat, kann man auch in die Arbeit kommen. Es kann ja sein, dass die Schmerzen in zwei, drei Stunden wieder vergangen sind." Die Fluktuation ist laut S. hoch. Von einem 15-köpfigen Team seien nur in der Zeit von Dezember bis Mitte Februar eine Person freiwillig gegangen, zwei andere hätten sich innerhalb des Hauses woanders hin beworben. Frühere Mitarbeiter sprechen von Mobbing und Einschüchterungsversuchen.

Mit dem Privatkundenservice der Stadtwerke ist die SWM Consulting und Service GmbH beauftragt, ein 100-prozentiges Tochterunternehmen des Konzerns. An ihrer Spitze steht seit eineinhalb Jahren Geschäftsführer Klaus Burkart. Vor seinem Antritt wechselte die Firma innerhalb eines Jahres vier Mal den Geschäftsführer.

200 Mitarbeiter sollen alle Anfragen beantworten, Beschwerden behandeln und Rechnungen überprüfen, die per Fax, Telefon, Mail oder Brief eingehen. Dass dieser Service alles andere als funktioniert, hat auch das Wirtschaftsmagazin Capital thematisiert: Für die aktuelle Ausgabe wurde unter dem Titel "Störfaktor Kunde" der Service zahlreicher Unternehmen, Banken und Versicherungen in der Bundesrepublik getestet.

Münchens Stadtwerke bekamen schlechte Noten: Von 20 getesteten Versorgungsunternehmen landeten die SWM auf Platz 19. Von 16 Testmails wurde nur eine einzige beantwortet - nach zwei Wochen, heißt es in der Zeitschrift.

Freiwillige Mehrarbeit

Die Stadtwerke München sehen sich keineswegs in der Schuld ihrer Klienten. Hinsichtlich des Capital-Tests berufen sie sich darauf, dass rund um den Jahreswechsel "der schriftliche Kundenkontakt erheblich erhöht" gewesen sei. Um die Servicestandards wieder zu erreichen, hätten einige Mitarbeiter freiwillig Mehrarbeit geleistet. Aktuell liege die telefonische Erreichbarkeit bei über 90Prozent, Schreiben würden durchschnittlich in einer Woche beantwortet.

Bei den Tarifen, so die SWM weiter, würden die Kunden über das günstigste Angebot informiert. Die Abrechnungen seien transparent. Falls der Zählerstand nicht ermittelt werden könne, sei "in den bundesweit gültigen Allgemeinen Versorgungsbedingungen klar geregelt, dass der Zählerstand auf Grundlage verschiedener Parameter, beispielsweise Vorjahresverbrauch und klimatische Einflüsse, errechnet" würden.

"Sollte diese seit Jahrzehnten in Deutschland angewandte Methode verwendet werden, wird in der SWM-Rechnung darauf hingewiesen", teilt die Pressestelle mit. Und weiter: Im Umgang mit Stromschulden sei "ein konsequentes Forderungsmanagement nicht nur im Unternehmensinteresse, sondern vor allem im Interesse der großen Mehrheit der pünktlich zahlenden Kunden". Ansonsten, heißt es, müssten die Zahlungsausfälle etwa in die Strom- und Erdgaspreise einkalkuliert werden.

Als die Münchner Abendzeitung im letzten Herbst zur Wahl des Menschen 2005 aufrief, verschickten die SWM an alle Mitarbeiter eine E-Mail mit der Aufforderung, SWM-Geschäftsführer Kurt Mühlhäuser zu wählen. Vorgefertigte Postkarten dafür gebe es im Sekretariat. Laut SWM habe man nur informiert, dass Mühlhäuser nominiert sei. Gewählt wurde schließlich der neue Papst.

© SZ vom 1.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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