Künstler in der Domagkstraße:Mehr Hippie, weniger Lack

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Die Künstlerkolonie in der Domagkstraße steht für ein breites Spektrum an Kreativen. Doch ab Juni 2008 werden dort Wohnungen und Gewerbeflächen entstehen - und nur ein kleiner Bereich soll für die Künstler übrig bleiben.

Ingrid Schiller

"So etwas, wie in der Domagkstraße gibt es in ganz Europa nicht", schwärmt Gotlind Timmermanns. Die Malerin und Organisatorin von Kunstausstellungen hat seit vier Jahren ihr Atelier in der Domagkstraße. Die Künstler-Mischung auf dem Areal der ehemaligen Bundeswehrkaserne reizt sie, die Zusammenarbeit zwischen den Kreativen aus allen möglichen Bereichen sei einmalig.

(Foto: Foto: Ingrid Schiller)

Maler, Musiker, Filmemacher, Fotografen und Literaten haben ihre Arbeitsstätte in der Domagkstraße. Doch die Tage der buntgemischten Künstlerkolonie, wie sie derzeit anzutreffen ist, sind gezählt. Die Stadt München will auf dem Gelände der ehemaligen Funkkaserne Wohn- und Gewerbeflächen errichten. Die Bagger sollen ab 30. Juni 2008 rollen.

Das bedeutet für die jetzigen Bewohner eine gehörige Veränderung: Künftig soll sich der Wirkungskreis der Künstler auf 6000 Quadratmeter und ein Haus beschränken. Die Stadt München wird die Sanierung des Hauses 50 für mehrere Millionen Euro übernehmen und dort 111 Ateliers - derzeit sind es 250 Ateliers - bereit stellen.

Wer von den Kunstschaffenden ein Atelier erhält, ermittelt eine vom Stadtrat eingesetzte Jury gemeinsam mit einer empfehlenden Vorschlagsliste der Domagkateliers. Die Bewerbungsfrist läuft bis zum 22. Februar 2008.

Im Vorfeld der aktuellen Lösung gab es viele Varianten zur Entwickung des ehemaligen Kasernenareals. Die Künstler legten bereits 2001 im Workshop "Zukunft Domagk" ihre Visionen und Strategien dar. Damals war noch von 20.000 Quadratmeter für die Kunstschaffenden die Rede.

Ein Teil dieser Fläche wurde den Bewohnern zum Marktpreis angeboten, ein weiterer Teil unterhalb des Marktpreises. Doch Georg Höngdobler räumt ein: "Selbst die Kosten unterhalb des Marktpreises waren zu teuer." Auch eine Erbbaurechtslösung, die vorgesehen hätte, dass die Künstler das Haus 50 mit seinem derzeit nicht nutzbaren Südflügel selbst renovieren, scheiterte an der mangelnden Finanzkraft.

Der von Wohnraumproblemen geplagten Stadt München bringen die Künstler Verständnis für den Bau von Wohnflächen an der Domagkstraße entgegen. Planungen für Gewerbeflächen könnten sie allerdings schwer nachvollziehen, da es ihrer Ansicht nach gerade im Norden Münchens genug freie Flächen gibt.

Georg Höngdobler, Sprecher der IG Domagkstraße, erkennt durchaus die gute Arbeit der Stadt für das Projekt in der ehemaligen Funkkaserne an, dennoch ist es für die Künstler schwer nachvollziehbar nicht in die Planungen eingebunden zu werden. "Unsere Kompetenz wird nicht abgefragt."

Zudem sind sie mit dem Konzept der Stadt nicht ganz glücklich. "Es scheint, als hätte die Stadt die Variante 'Viele Ateliers, wenig Geld' bevorzugt", meint Hongdöbler. Und auch die zukünftigen Mietkosten von etwa 10 Euro pro Quadratmeter sind für die Künstler hoch. "Das ist ganz schön viel", findet auch Gotlind Timmermanns.

Ein Anliegen für das bestehende Haus 49 haben die beiden Künstler auf dem Herzen: Sie würden sich wünschen, wenn dort eine Genossenschaft, wie etwa die Genossenschaft Wagnis oder der Verein Genius Loci, zum Zug kommen würde und eine etwas andere Art des Wohnens in direkter Nachbarschaft zu den Künstlern in Haus 50 entstehen würde.

Die Künstlerkolonie blickt immerhin auf eine fast 15 Jahre alte Geschichte zurück. Nach der Aufgabe der Bundeswehrkaserne 1993 mieteten sich einige Künstler in den ehemaligen Kasernegebäuden ein. "Schon damals herrschte in München Ateliermangel", erklärt Georg Höngdobler.

Kunstschaffende aus allen Richtungen haben sich seitdem ihr Büro in den Domagkateliers geschaffen, 300 Künstler aus mehr als 30 Nationen haben hier ihre Wirkungsstätte in 250 Ateliers. "Wir bezeichnen uns selbst als Europas größte Künstlerkolonie", meint Höngdobler.

Gerade deshalb kämpfen sie für den Erhalt der Schaffensräume für Künstler - und auch um der Stadt München ein bisschen "Hippie-Flair" und "weniger Lack" zu verleihen. "Unsere Veranstaltungen sind eine große Bereicherung für München und ein Angebot an die Bürger", sagt Tinnemanns. Georg Höngdobler geht noch weiter und spricht davon ein "Bollwerk" in München zu errichten. "Ich möchte in München etwas umkrempeln. Die Domagkstraße ist ein Anziehungspunkt für Künstler, das ist gut und sollte erhalten bleiben."

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