Kriminalität:Eine mörderische Nacht der Exzesse

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Vier junge Leute sind angeklagt, einen Homosexuellen bestohlen, stranguliert und mit 21 Stichen getötet zu haben.

Von Alexander Krug

Wenn er Besuch aus der Stricherszene bekam, zeigte sich Heinz B. stets großzügig und gastfreundlich. Das wurde ihm offenbar zum Verhängnis. Vor dem Jugendgericht müssen sich seit gestern drei junge Männer und eine junge Frau wegen gemeinschaftlichen Mordes verantworten.

Das Quartett soll den 59-jährigen homosexuellen Frührentner aus Habgier umgebracht haben. Heinz B., der früher ein Dessousgeschäft hatte, war am 18. März vergangenen Jahres in seiner Wohnung in der Gartenstraße in Milbertshofen erdrosselt und erstochen worden.

Leben im Frauenhaus

Von den angeklagten Hüseyin U., 23, Schehab A., 28, Cagdas A., 18, und Carina K., 20, will vorläufig nur die letztere Aussagen zur Tat machen. Carina K. lebte damals in einem Frauenhaus. Einen Beruf hat sie nie gelernt, immer wieder hat sie Lehrstellen oder Jobs nach wenigen Wochen abgebrochen. Befreundet war sie mit Hüseyin U., mit dem sie sich an jenem Tag im Internet-Café am Hauptbahnhof traf.

Dessen Bekannter Schehab A. machte den Vorschlag, gemeinsam zu Heinz B. zu gehen, weil man dort etwas zu essen bekäme und auch schlafen könne. Schehab A. hatte den Frührentner etwa zwei Jahre zuvor in einer "Sex-Kabine" kennen gelernt und seitdem eine "intime Beziehung" mit ihm geführt.

In der Wohnung des Frührentners seien sie großzügig bewirtet worden, sagt Carina K. Es gab Sekt, Bier und Wodka. Während des Abends verschwanden alle drei jungen Männer nacheinander im Zimmer von Heinz B. "Sie hatten Sex", sagt Carina K., "wer mit wem und wie, weiß ich nicht." Sie selbst schlief in der Wohnung auch mit ihrem Freund Hüseyin U. Ob sie ein Kondom benutzt habe, will der Richter wissen. "Nein", antwortet Carina K. Heinz B. soll nach Polizei-Angaben aidskrank gewesen sein. Ob sich jemand der Angeklagten infiziert hat, ist unklar.

Suche nach Gegenständen

Im Laufe des Abends suchten offenbar alle Angeklagten abwechselnd nach stehlenswerten Gegenständen in der Wohnung. "Das ist eine Schatztruhe hier", soll Hüseyin U. gesagt haben. Irgendwann muss Heinz B. das bemerkt haben. "Er rief: ,Hört's auf, sonst rufe ich die Polizei'", sagt Carina K. Die drei Männer seien daraufhin in den Flur gegangen.

Sie habe "Geräusche" gehört und gesehen, wie sie zu dritt auf den am Boden liegenden Heinz B. eintraten. Sie habe das "nicht mitanschauen" können und sei in die Küche gegangen. "Ich habe eine geraucht. Ich wusste nicht, was ich tun sollte." Später sei Hüseyin U. mit einem Messer in der Hand in die Küche gekommen und habe es abgewaschen.

Heinz B. wurden insgesamt 21 Stiche in den Oberkörper versetzt. Die Anklage geht davon aus, dass Hüseyin U. mit einem Butterflymesser zustach, während Schehab A. den Mann mit einem Schal strangulierte. Carina K. soll den Ermittlungen zufolge die Tat beobachtet und gesagt haben: "Er darf nicht leben, sonst sind wir alle dran."

Zuckende Schultern

Diese Äußerung wird von der jungen Frau bestritten: "So etwas habe ich nie gesagt." Warum sie denn die Männer nicht einmal aufgefordert habe, sie sollten aufhören, fragt der Richter. Die Angeklagte zuckt mit den Schultern: "Ich weiß nicht." Nach der Tat flüchtete das Quartett nach Rotterdam, wo sie die 3000 Euro Beute, die sie in einer Geldkassette entdeckt hatten, in Drogen und teure Klamotten umsetzten.

Vorher hatten sie noch in der Wohnung von Heinz B. diskutiert, ob man diese nicht anzünden solle, um alle Spuren zu vernichten. "Es war im Gespräch", gesteht die Angeklagte, aber man habe von dem Plan dann doch wieder Abstand genommen. Der Prozess ist zunächst auf fünf Tage terminiert.

© SZ v. 9.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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