Kolumne: After Eight:Vom Bett in die Disco

Lesezeit: 2 min

Lange Zeit war im Münchner Nachtleben extremes Aufbrezeln angesagt. Doch seit einiger Zeit schert man sich nicht mehr um Dresscodes. Die Jogginghose ist zurück.

Beate Wild

Der Typ steht lässig am Tresen. Er plaudert mit dem Barkeeper und sieht wirklich fantastisch aus. Er hat ein saloppes army-grünes Sakko an, dazu einen Schal umgebunden. Dann wandert unser Blick weiter, nach unten, und was sehen wir da? Eine Jogginghose! Grau, weit, schlabberig. Fast ein wenig schmuddelig.

Kommt der gut aussehende Kerl gerade vom Training? Oder war er schon im Bett - und ist noch kurz mal raus auf ein Bier, weil sein Kumpel Liebeskummer hat und dringend jemanden zum Reden braucht? Waren alle seine Jeans in der Wäsche?

Wahrscheinlich nichts von all dem. Vermutlich ist der Trend nun nur in München angekommen. Jogginghose in der Disco.

Trainingshose und Jackett - das trägt Mann heute, wenn er bequem und gut gestylt ausgeht, sagt zumindest Emmanuel de Bayser, Inhaber des Berliner Luxus-Departmentstore "The Corner". Auch Frauen haben die "Loungewear" für sich entdeckt. Und selbst im verschlafenen München ist die Jerseyhose immer öfter zu sehen.

Man muss sich ja wundern, wie sich der Style bei Münchens Nachtschwärmern geändert hat. Zum Glück, kann man da nur sagen. Früher, das heißt noch bis vor einigen Jahren, haben sich alle beim Ausgehen extrem aufbrezelt. Frauen gingen nur mit Highheels in den Club, dazu am besten Minirock sowie Extrem-Dekolleté. Auch die Männer gaben sich redlich Mühe. Designerhemd und Markenjeans mussten schon sein. Alle sahen aus, als hätten sie sich in eine Art Ausgeh-Uniform geworfen.

Der Spleen mit der teuren Kleidung trug ja schon seit den Siebzigern zum ungeliebten Image Münchens als Schickimicki-Metropole der Republik bei. Da kann man es doch eigentlich nur begrüßen, dass sich das Ganze langsam ändert. Im Laufe der letzten Jahre ist die Kleidung immer salopper geworden, "casual", "out of bed" oder "loungy" wie man auf Neudeutsch sagt.

Lesen Sie auf Seite 2, wie man den neuen Style auf keinen Fall tragen sollte.

Damit wir uns richtig verstehen: Die Jogginghose von heute hat nichts mit dem Kleidungsstil US-amerikanischer Rapper zu tun. Also keine Hosen, wie sie 50 Cent trägt, bei denen der Schritt bis zum Knie hängt und der Hosenbund die Po-Falte freigibt. Auch keine Feinripp-Unterhemden, schief sitzende Caps oder üppiger Goldschmuck gehören zu diesem Style.

Immer mehr internationale Modelabels nehmen die "sweatpants", wie die Amerikaner dazu sagen, in ihre Kollektionen auf. Ein Vorreiter des "Out-of-bed-look" ist der 25-jährige Designer Alexander Wang, der die Jogginghose nicht nur auf dem Laufsteg zeigt, sondern sie auch selbst gerne abends in Clubs trägt.

Und München macht die Modewelle mit. Vor allem in den hippen Locations im Glockenbachviertel sieht man die neuen Hosen immer öfter. Der Klassiker ist grau, doch auch schwarz und armygrün sind beliebt. Auch Mädels sind mit den Sporthosen zu sehen, oft in knallrot oder kermitgrün. Madonna hat es schließlich vorgemacht, sie trägt schon seit Jahren hartnäckig ihre Fitnesshosen auch außerhalb des Gym.

Selbst die Modeprofis sind mit dem Look anscheinend einverstanden. Der deutsche Designer Michael Michalsky erklärt, dass Jogginghosen in Discos durchaus erlaubt seien: "Das kann geil sein, wenn man sie mit einem Jackett und einem guten T-Shirt kombiniert." Und so erlebt die Sporthose ihr Revival. Nicht nur aus Baumwolle und Jersey, auch in der Luxusvariante aus Kaschmir ist sie zu haben. Dass man mit einer Jogginghose nicht am Türsteher vorbeikommt, muss man nicht mehr befürchten, sie gehört längst nicht mehr zur Standardausrüstung von Prolls. Die Sportkleidung ist im szenigen Nachtleben angekommen.

Ob man das nun gut findet oder nicht, ist Geschmackssache. Wir freuen uns jedenfalls, dass München endlich etwas entspannter wird. Wem es nicht gefällt, der kann ja weiterhin in seiner langweiligen Designer-Jeans ausgehen. Der Typ am Tresen in seiner grauen Schlabberhose war jedenfalls ziemlich sexy.

Die Kolumne "After Eight" erscheint jeden Donnerstag auf "München Extra", dem Stadtportal von sueddeutsche.de.

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