Kolumne: After Eight:Veteranen am Plattenteller

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Was in der Rockmusik funktioniert, kann im DJ-Business ganz schön in die Hose gehen: Legendäre Namen rocken noch lange keinen Club.

Beate Wild

Clubs sind der natürliche Lebensraum der Jugend. Am liebsten halten sich dort Leute um die 20 auf, doch das variiert je nach Location. Manchmal ist das Durchschnittalter erst 18, dann wieder 22 oder 25.

Hat der Job hinterm Mischpult eine natürliche Alterbegrenzung? (Foto: Foto: istock)

Man geht dorthin, um das andere oder vielleicht auch das gleiche Geschlecht zu treffen. Man will flirten, trinken, tanzen, die Nacht durchmachen, seine Grenzen testen. Das ist seit Erfindung der Diskothek so und wird auch immer so bleiben. Über der magischen Alteresgrenze von 30 werden Clubbesuche eher selten. Je älter man wird, um so weniger hält man das Ganze - den Lärm, den Rauch, das Gedränge, die Unmengen an Alkohol - aus. Oder man hat einfach weniger Interesse daran.

Rente versaufen?

Wer über 35 ist und noch jedes Wochenende in Clubs abhängt, hat entweder eine Bindungsangst, die sich gewaschen hat, oder legt gesteigerten Wert auf Beziehungen zu wesentlich Jüngeren. Und wer sogar die 40 überschritten hat, kann sich von den gerade halb so jungen Nachtschwärmern schon mal einen Spruch wie "Hey Alter, willst du deine Rente versaufen?" einfangen.

Unter diesen Umständen mutet es ein wenig seltsam an, dass man an den Plattentellern immer wieder Exemplare der Anfangs-Techno-Zeit oder gar der Achtziger-Jahre-Disko-Ära zu Gesicht bekommt. Es drängt sich die Frage auf: Fühlt sich ein so reifer DJ überhaupt noch wohl in seinem Job?

Am vergangenen Sonntag konnte man eine Fallstudie darüber in der Registratur machen. An den Plattentellern: Michi Beck, sonst Rapper der Spaß-HipHop-Combo "Die Fantastischen Vier", und DJ Thomilla. Zusammen sind sie besser bekannt als die "Turntablerocker". Beide sind schon ewig im Geschäft und haben das 40. Lebensjahr schon längst hinter sich gebracht.

Irgendwie mochte keine richtige Stimmung aufkommen. Die jungen Gäste standen lustlos auf der Tanzfläche herum, das Wort "tanzen" schien für sie ein Fremdwort. Und das, obwohl sich die beiden DJs wirklich redlich bemühten. Sie hatten sichtlich Spaß beim Auflegen, schwitzten, groovten, plauderten mit Gästen. Trotzdem sprang der Funke nicht über. Da fragt man sich zwangsläufig: Sind die beiden Plattenaufleger etwa zu alt?

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Registratur war voll bis unters Dach, der Name "Turntablerocker" zieht also immer noch. Nur der Sound, den die beiden lieferten, war fad und absolut "old school". Sind die Münchner denn so ahnungslos, dass sie gerne den Preis von zwei Gin Tonics (also 15 Euro) bezahlen, um einem alternden DJ-Duo dabei zuzusehen, wie es mit angestaubtem House-Beat-Elektro-Sound seine Gäste langweilt? Die besten Zeiten der Turntablerocker sind längst vorbei, normalerweise legen sie in Städten wie Hanau, Ludwigshafen oder Würzburg auf.

Auch Techno-Veteran Sven Väth, mittlerweile 45 Jahre alt und von der Szene inzwischen "Papa" genannt, kommt gerne in regelmäßigen Abständen nach München. Sonst sieht man Väth fast nur noch auf Ibiza und in seinem Cocoon-Club in Frankfurt. In Berlin und Hamburg weiß man heute schon gar nicht mehr, wer Sven Väth überhaupt ist. Während in anderen Metropolen die Partypeople hippe, angesagte DJs anbeten, bleibt man in München gerne beim Altbewährten. Sonst würden die Booker der Clubs doch nicht immer wieder die gleichen langweiligen Leute einladen, die mit ihren DJ-Sets hier anscheinend auch ganz gut Geld verdienen.

Grandmaster Flash darf ungestraft alte Kamellen spielen

Einer der wenigen, der es schafft, im fortgeschrittenen Alter von 51 Jahren immer noch souverän hinter dem Mischpult zu agieren, ist DJ-Urvater Grandmaster Flash ("The Message"), der auch München schon mehrere Male mit seiner Anwesenheit beglückte, das letzte Mal 2008 im mittlerweile geschlossenen Garden-Club. Der Altmeister und Erfinder des Auflegens darf auch ungestraft immer noch die alten Kamellen spielen. Alle anderen in dem Business sollten schon am Puls der Zeit bleiben.

Die "Turntablerocker" sollten sich besser ein Beispiel am guten alten DJ Hell nehmen. 46 Lenze zählt der Techno-Meister mittlerweile und doch hat er es geschafft, sich behutsam weiterzuentwickeln und ständig im Gespräch zu bleiben.

Eines seiner Geheimnisse ist, dass er gerne mit Künstlern zusammenarbeitet, die gut und gerne halb so alt sind wie er. Das hält offenbar jung und beschert neue Einfälle. Seit 25 Jahren ist Hell schon im Geschäft, seine Anfänge in München machte er im Parkcafé, im Café Größenwahn und im Babalu. Sein neues Album "Teufelswerk" ist so gut, dass es sogar vom Feuilleton in den höchsten Tönen gelobt wird. Das Clubpublikum liebt es. Wenn Hell auflegt, geht es so richtig ab, egal wie jung das Partyvolk ist.

Das biologische Alter kann also doch nicht alles sein. DJ Hell ist das beste Beispiel. Heute abend (Donnerstag, 4. Juni) kann man sich von seinen Künsten live in der Registratur überzeugen. Egal, wie alt man ist.

Die Kolumne "After Eight" erscheint jeden Donnerstag auf dem neuen Stadtportal "münchen extra" von sueddeutsche.de.

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