Kolumne: After Eight:Strand verzweifelt gesucht

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Ein kühler Drink in der Hand und die Isar im Blick - schön wär's. Die Münchner sind so stolz auf ihren Fluss, doch gastronomisch herrscht dort tote Hose. Hier spielt München noch in der Provinzliga.

Beate Wild

Entspannt in einem Liegestuhl, einen kühlen Drink in der Hand, die glucksende Isar im Blick. Von der Bar plätschert leise Chill-Out-Musik herüber, zwischen den Zehen spürt man den weißen Sand. In der Luft liegt der Duft von Grillfleisch, die Leute lachen und sind gut gelaunt.

Wäre das nicht schön? Genau so könnte es am Isarufer in München aussehen. (Foto: Foto: istock)

Hört sich an wie im Paradies? Ja, liebe Münchner, dann träumt mal lieber weiter! Denn von einem bewirteten Stadtstrand und urbanem Isarflair ist München noch Lichtjahre entfernt. Nach langem Hin- und Her macht an diesem Donnerstag zwar wieder die altbekannte Sommer-Strandbar der Urbanauten für drei Monate auf der Corneliusbrücke nahe dem Deutschen Museum auf, doch das ist auch schon das einzige Lichtlein in der ansonsten gastronomischen Finsternis an der Isar.

Warum schafft München nicht, was in anderen Städten schon längst gang und gäbe ist? Wir erinnern uns an das Hamburger Elbufer (Stichwort: Costa Hamburgo), an die zahlreichen Berliner Strandbars zwischen Reichstag, Museumsinsel und East-Side-Gallery an der Spree oder an die Strandkörbe auf den Kölner Rheinterrassen. Jede Stadt, die an einem Fluß liegt und etwas auf sich hält, hat Strandbars. Selbst Städte, die sich bislang nicht gerade als Metropolen hervorgetan haben, wie beispielsweise Stuttgart oder Magdeburg, haben eine Kneipe am Flussufer. Nur München, das Millionendorf im Süden der Republik, schafft das nicht. Die alte Residenzstadt will den Strand unter dem Pflaster partout nicht entdecken.

Gut, mag da jetzt der eine oder andere einwenden, es gibt ja noch den Nektar Beach auf der Praterinsel, der im Übrigen ebenfalls an diesem Wochenende seine Pforten öffnet. Das stimmt, doch dieses Etablissement setzt auf ein bestimmtes Publikum, das weiße Hosen und Champagner-Drinks schätzt. Beim "Sofa-Dining", wie das Restaurant sein Konzept beschreibt, entspannen Sportwagen fahrende Manager, Zahnarztsöhne und blondierte Erbinnen. Oft heißt es hier sogar nur: geschlossene Gesellschaft. Also kein Lokal für den Otto-Normal-Münchner.

Aber, mag nun auch der Einwurf kommen, die Stadt München bemüht sich doch um die Renaturierung der Isar und ihrer Auen. Wie passt denn das mit bewirtschafteten Strandbars zusammen? Sehr gut sogar. Während man sich von der Reichenbachbrücke in Richtung Süden um eine natürliche Flusslandschaft bemüht - was durchaus Sinn macht, derzeit allerdings noch arg nach Jahrhundertbaustelle aussieht - passiert im Innenstadtbereich Richtung Norden gar nichts.

Das Isarstück zwischen Corneliusbrücke und Maximiliansbrücke beim Bayerischen Landtag wäre optimal für Strandbars und Terrassen geeignet. Bisher ist dieser Abschnitt weitestgehend verwahrlost, von einem gepflegten Ufer kann nicht die Rede sein. Warum kann das ganze Areal nicht vorsichtig mit Gastronomiebetrieben aufgewertet werden?

Da wäre etwa die kleine Parkanlage um den Vater-Rhein-Brunnen auf der Museumsinsel neben der Ludwigsbrücke. Die Urbanauten haben sich hier schon desöfteren um eine Lizenz für eine temporäre Bar bemüht - bisher vergeblich. Die Lokalbaukommission (LBK) schmettert die Anträge stets mit dem Argument ab, man müsse die Landschaft schützen.

Lesen Sie auf Seite 2, was vor 200 Jahren schon an der Isar los war.

Die neue Isar
:Plantschen in der Innenstadt

Seit kurzem gibt es mitten in der Innenstadt einen beruhigten Seitenarm der Isar zum Plantschen. Der neue Isarplan hat bereits einige Freunde gewonnen, auch wenn die passende Strandbar fehlt.

Auch direkt neben dem Deutschen Museum gäbe es ein paar schöne Stellen für Strandkneipen. Am breiten Gehweg entlang der Widenmayer- und der Erhardtstraße würden sich Cafés bestens machen. Auf der Praterinsel gibt es noch Privatflächen, die man einbeziehen könnte, und auf dem Gelände des ehemaligen Gartenbaustandorts an der Eduard-Schmid-Straße in der Au wäre Platz für eine großzügige Terrasse.

Während sich andere Städte ihren Flüssen zuwenden, kehrt München der Isar den Rücken zu. Die Stadtratsfraktion der Grünen hat diesen Mangel thematisiert und Anfang April eine Initiative im Stadtrat für mehr urbanes Flair an der Isar gestartet. Dass die Grünen mit ihrem Antrag etwas erreichen, ist fast undenkbar, denn die Lokalbaukommission wacht mit Argusaugen über jede auch noch so kleine Änderung im Stadtbild.

Dabei war der innerstädtische Isarbereich nicht immer eine gastronomische Wüste. Bereits vor 200 Jahren eröffnete das erste Lokal auf der Praterinsel. Der Wirt taufte sein Lokal "Praterwirtschaft", bereits der Name sollte an den berühmten Wiener Vergnügungspark erinnern. Um für das entsprechende Flair zu sorgen, stellte er vor dem Gasthaus ein Karussell auf. Mit der Zeit kamen weitere Cafés dazu, zeitweise zählte man 15 Gastronomiebetriebe an den innerstädtischen Isarufern. Vor 100 Jahren noch waren Prater- und Museumsinsel ein Tummelplatz für die Münchner in ihrer Freizeit.

Was heute daraus geworden ist, sieht man ja. Mittlerweile dominieren die Autos an den Isarufern. Alleine die Erhardtstraße (zwischen Reichenbach- und Ludwigsbrücke) gleicht einer Stadtautobahn. Da nützt die ganze Renaturierung Richtung Süden auch nichts, wenn anderen Orts die Autos am Ufer vorbeirasen und Lebensqualität unmöglich machen.

Dass gastronomische Angebote am Isarufer bei der Bevölkerung gut ankämen, hat bereits das Brückenfest zum 850. Stadtgeburtstag im vergangenen Jahr gezeigt. Wenn schon das Grillen im Innenstadtbereich verboten ist und man erst nach der Wittelsbacherbrücke seine Würstl auf den Rost legen darf, würden Strandbars hier wenigstens für Ausgleich sorgen und den Münchnern ein bisschen mehr urbanes Lebensgefühl verschaffen.

Aber da haben wir wieder diesen ewigen Widerspruch, in dem sich München befindet. Einerseits möchte die Stadt gerne urban und weltoffen sein, auf der anderen Seite hat man Angst vor jeder kleinen Veränderung. Man denke da beispielsweise nur an den leidigen Hochhaus-Streit. So lange München sich nicht traut, etwas Neues auszuprobieren, wird die Stadt weiterhin in der Provinzliga spielen.

Die Kolumne "After Eight" erscheint jeden Donnerstag auf dem neuen Stadtportal "münchen extra" von sueddeutsche.de.

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