Kolumne: After Eight:Je später der Abend ...

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... desto verhungerter die Gäste: Die Münchner sind stolz auf ihre Stadt - meist zu Recht. Doch kaum packt sie nachts der Hunger, versagt ihr Dorf (fast) auf voller Linie.

Beate Wild

Wenn wir Münchner auch sonst nichts über unsere schöne Stadt kommen lassen, in folgende Bredouille ist doch schon jeder einmal geraten: Man ist mit seinen Freunden unterwegs auf einer Tour durch Münchens Kneipen. Man hat schon einige Bars hinter sich und manches Bier getrunken, da stellt sich plötzlich ein profanes Gefühl in der Magengegend ein: Hunger. Problem: Es ist weit nach Mitternacht.

Nachts essen ist schlecht für die Figur? Aber auf alle Fälle super für die gute Laune! (Foto: Foto: istock)

Vergleicht man das Angebot an nächtlichen Verpflegungsstationen im heutigen München mit dem vor fünf Jahren, kann man wenigstens schon eine kleine Entwicklung registrieren - von der Steinzeit ins Mittelalter.

2004 gab es so gut wie keine Auswahl für nächtliche Hungerleider. Da war beispielsweise das legendäre Adria, das Ende 2007 schließen musste. 35 Jahre lang versorgte das Schwabinger Lokal an der Giselastraße viele Nachtschwärmer bis drei Uhr morgens mit Pizza und Pasta. Einst war das für München geradezu sensationell.

Neben dem Adria gab es schon damals den Alten Simpl in der Türkenstraße (am Wochenende ebenfalls bis drei Uhr), das abgerockte Fischerstüberl in der Lindwurmstraße (bis sieben Uhr) und selbstverständlich das Lamms, die 24-Stunden-Institution für alle Partypeople am Sendlinger Tor.

Insgesamt aber hatte der hungrige Nachtmensch kaum Chancen, etwas Warmes zu bekommen - wollte man nicht in einem der üblichen Fast-Food-Restaurants landen, deren Charme irgendwo zwischen Bahnhofshalle und Uni-Mensa liegt.

Seit jedoch 2004 selbst im lärmempfindlichen München die Sperrstunde gefallen ist, hat sich einiges verbessert. Einiges, aber noch lange nicht alles.

Der Bergwolf in der Klenzestraße machte in Sachen lässiger Nachtgastronomie den Anfang. Ausgerechnet in der Hauptstadt der Weißwurst hatten sich zwei Kölner daran gewagt, den hungrigen Partymob mit Currywurst und Pommes zu verköstigen.

Die Münchner stürzten sich förmlich auf die Mantaplatten (Currywurst mit Pommes rot-weiß). Vielleicht, weil die Würste wirklich eine gute Nahrungsergänzung sind für alle, die im nicht mehr ganz nüchternen Zustand sind. Vor allem aber, weil man endlich im Glockenbachviertel bis vier Uhr morgens in lockerem, gepflegten Ambiente etwas essen konnte.

Lesen Sie auf Seite 2, wo man sich nachts in München Ratschläge fürs Leben abholen kann.

Nachts essen in München
:Nächtliche Genüsse

Unterwegs auf Kneipentour und plötzlich Hunger? Selbst in München kann man mittlerweile nach Mitternacht etwas zu essen bekommen - wenn man auch genau wissen muss wo.

Beate Wild

Von der Erfolgsstory des Bergwolfs animiert, trauten sich plötzlich auch andere Münchner Wirte, nach 23 Uhr den Herd noch anzulassen. Etwa der Cosmogrill in der Maximilianstraße, das M.C. Mueller in der Müllerstraße oder die Schnelle Liebe in der Thalkirchnerstraße - sie brutzeln erfolgreich bis in die frühen Morgenstunden für die ausgehungerten Großstadtstreuner.

In jüngster Zeit haben die Gute Nacht Wurst in der Klenzestraße und die Minibar in der Fraunhoferstraße nachgezogen - alle in der Nähe des Ess-Epizentrums Bergwolf gelegen. Das Angebot verbessert sich in kleinen Schritten.

Aber bei genauerem Hinschauen bemerkt man, dass von den neuen Nachtgaststätten alleine der Cosmogrill am Wochenende bis sechs Uhr morgens seine Burger brät. Bei den anderen ist irgendwann zwischen zwei und vier Uhr Schicht im Schacht. Und genau da liegt das Dilemma: Ist man nächtens auf Clubtour, stellt sich der Hunger oft nach vier Uhr morgens ein. Dann hat der agile Feierfreund in München wieder das altbekannte Problem: Wohin, wenn man jetzt noch etwas essen will?

Perlenohrringe neben Lederjacken

Genau - hier kommt wieder das gute, alte Lamms am Sendlinger Tor ins Spiel. Das Wirtshaus hat rund um die Uhr, also 24 Stunden durchgehend, geöffnet. Das muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen! Und das im Übrigen schon seit 17 Jahren.

Freilich ist dieses Etablissement etwas schräg und noch viel schräger seine Gäste. Doch es hat ein einzigartiges Ambiente, im Gegensatz zu den schon erwähnten Fast-Food-Ketten und den üblichen Döner-Imbiss-Stuben. Im Lamms treffen sich alle, die - aus welchen Gründen auch immer - die ganze Nacht unterwegs waren und sich mit Schweinebraten oder Schnitzel stärken wollen. Hier sitzen Mädchen mit Perlenohrringen neben tätowierten Jungs in Lederjacken; nüchterne Rettungssanitäter neben betrunkenen Barkeepern; junge, modisch gekleidete Frauen neben älteren Herren in Trachtenkleidung.

Ab und zu kommt man in den Genuss einer Live-Combo, selbstverständlich im bayerischen Stil. Die Bedienungen sind ziemlich robust und resolut, aber auch fit und schnell. Das Essen ist einwandfrei, die Biere sind gut. Aber das Beste sind die ehrlichen, philosophisch angehauchten Gespräche, in die man sich mit seinen zufälligen Tischnachbarn zwangsläufig verwickelt.

Da erzählt man ohne Hemmungen, was einem bedrückt und bekommt dann Ratschläge fürs Leben mit auf den Weg: "Wenn er dich betrügt, dann jag ihn zum Teufel" oder "Grad in den schlechten Zeiten braucht man ein wenig Ablenkung, da kann ein Bierchen mehr doch nicht schaden."

Ein schweres Manko für die Millionenstadt München: Selbst fünf Jahre nach dem Aus für die Sperrstunde gibt es immer noch wenige Gaststätten, die bis in die frühen Morgenstunden kochen. Mag sein, dass nachts essen nicht zuträglich für die schlanke Linie ist - der guten Laune aber hilft es auf alle Fälle.

Die Kolumne "After Eight" erscheint jeden Donnerstag auf dem neuen Stadtportal "münchen extra" von sueddeutsche.de.

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