Kolumne: After Eight:Die Neo-Schickis sind da

Lesezeit: 3 min

Früher erkannte man Schickimickis eindeutig am piekfeinen Kleidungsstil. Heute tragen sie Schlabberlook statt Polohemd. Wo ist da noch der Unterschied zur Subkultur?

Beate Wild

Die beiden Typen sehen betont lässig aus. Der eine hat eine enge schwarze Hose an. Über dem weißen Hemd trägt er Hosenträger. Auf dem Kopf eine schwarze Wollmütze, dazu eine große schwarze Brille. Sein Kumpel hat eine weite lilafarbene Schlabberhose an, darüber ein Ringelshirt und einen Schal. Auch er hat eine Kopfbedeckung auf, und zwar eine Art türkische Mütze mit orientalischem Muster. Sieht so aus, als handle es sich hier um zwei Szenetypen. Um zwei echte Vertreter der Subkultur, oder?

Army-Kappe zum Jacket: Heute erkennt man die Schickeria nicht mehr am Outfit. (Foto: Foto: istock)

So kann man sich täuschen. Die beiden stehen nicht etwa in der Favorit-Bar, wie man aufgrund des Stylings vermuten könnte, sondern im Schumann's, eine der traditionsreichsten Bars der Stadt. Haben sich die beiden verlaufen? Sind sie neu in der Stadt? Oder wollten sie mit ihrem Auftritt gar jemanden provozieren?

Die Antwort ist eine ganz andere: Die Neo-Schickis sind da. Konnte man in den Achtzigern die Schickeria noch eindeutig an Polohemden und Perlenohrringen erkennen, tut man sich da heute schwerer. Heute tragen auch die Schickimickis, also die Söhne und Töchter aus gutem Hause und die Besserverdiener, lässige Klamotten. Mit Anzug oder Kostüm, wie es noch vor zehn Jahren in der Schickeria üblich war, geht heute keiner mehr weg.

Und wer geglaubt hat, dass die Schickimickis in München eine Erscheinung aus früheren Zeiten sind, die heute längst ausgestorben ist, der hat sich gewaltig geirrt. Im Gegenteil: Gerade in jüngster Zeit scheinen Schickeria-Lokale wieder in das Nachtleben der Stadt zurückzukommen. Sogar das P1 hat es geschafft, wieder von sich reden zu machen. Erst eröffnet der Club eine zusätzliche Bar im Haus der Kunst, dann zieht die Disco wegen Umbaus der eigentlichen Location auch noch hinauf in das ehrwürdige Museum. Es gibt jede Menge Eröffnungs- und Abschiedspartys - und plötzlich ist das P1 wieder in aller Munde.

Aber auch neue Schickimicki-Lokale schießen aus dem Boden. Etwa die Bar Lehel von Ex-P1-Geschäftsführer Klaus Gunschmann und Gandl-Chef Alexander Lutz. Am Karl-Scharnagl-Ring, unweit der teuren Maximilianstraße, befindet sich die neue Schicki-Zentrale. Hypermodernes und cooles Design. Die Gäste teilweise mit Anzug, teilweise aber auch im lässigen Schmuddel-Style. Vermutlich sind die Schlabberteile von einer sündhaft teuren Marke.

Denn seit auch Armani und Dolce & Gabbana Jogginghosen für mehrere hundert Euro verkaufen, gibt es in der Schickeria kein Halten mehr. Da haben die Nobelmarken gerade in München eine dankbare Käuferschicht gefunden. Kombiniert dann am besten noch mit einer Kappe im Army-Style oder gar einer Armee-Jacke vom neuen Münchner Mode-Designer Gerd Käfer, und fertig ist der neue Look. Wie sagt so schön ein befreundeter Münchner Modedesigner immer: "Kein Geschmack, aber Geld." Könnte was dran sein.

Lesen Sie auf Seite 2, warum München derzeit in einem absurden Widerspruch lebt.

Irgendwie lebt München in einem absurden Widerspruch. Einerseits tut sich in der Subkultur-Szene gerade in jüngster Zeit extrem viel. Partys in Abrissgebäuden, Urban-Art-Messen, alternative Locations gibt es mehr als je zuvor. Stadt und Leute öffnen sich, werden lockerer und - wenn man so will - großstädtischer.

Andererseits kann München offenbar nicht lassen von der berühmt-berüchtigten Schickeria. Es gibt genügend reiche Leute in der Stadt, die für einen Gin Tonic ohne mit der Wimper zu zucken 18 Euro hinblättern. Und solche Leute wollen ihre besonderen Lokale. Nur der Style dieser elitären Partycrowd hat sich eben geändert. Schlabberlook statt Ralph-Lauren-Hemd, Wollmütze statt Krawatte, Tigerprint statt Perlenohrringe.

Die Frage, die bleibt: Wenn sich schon die Neo-Schickis in lässigem Streetstyle kleiden, wie soll sich dann noch die Subkultur-Szene optisch abheben? Gerade die Münchner sind bei ihrem Kleidungsstil ja nicht besonders mutig veranlagt. Ausgefallene Outfits sieht man im Stadtbild eher selten. Die Hoffnung, die aufkeimt, ist, dass die Münchner es endlich wagen, auch etwas ausgeflippter aufzutreten.

Ruhig mal den Hut von Opa Franz aufsetzen, eine Fellweste aus dem Second Hand überziehen oder sich eine außergewöhnliche Frisur - am besten im Retro-Style der Achtziger - verpassen lassen! Münchner, traut euch was! Oder wollt ihr ewig provinziell bleiben?

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: