Kolumne: After Eight:Die Lizenz zum Draußensitzen

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Kaum ist das Wetter schön, geht das Gezanke um den Gärtnerplatz wieder los. Outdoor-Fans wollen draußen sitzen, Anwohner ihre Ruhe.

Beate Wild

Kaum sind die Temperaturen mal wieder im erträglichen Bereich angelangt, drängt es die Münchner mit Gewalt nach draußen. Die Sonnenbrille wird auf die blasse Nase gesetzt und federnden Schrittes das nächste Terrassen-Café aufgesucht. Recht so!

Auch abends bleibt man gerne mal draußen sitzen und pfeift auf die Halsschmerzen, die einen am nächsten Tag einzuholen drohen. Wir sind schließlich Münchner! Quasi mit der Lizenz zum Draußensitzen ausgestattet!

Die Nähe zu den mediterranen Nachbarn spüren wir genau dann am stärksten, wenn wir uns abends unsere Freunde und wahlweise Bier, Prosecco, Wein oder gleich alle drei Getränkesorten schnappen, und uns statt in ein hochpreisiges In-Lokal einfach auf einen öffentlichen Platz begeben. Das haben wir in den Sommerferien in Italien so gesehen und kennen wir noch von unserem Erasmus-Jahr in Spanien. "Botellón" heißt das Procedere dort.

Der Ausdruck heißt übersetzt die "große Flasche". In dem Wort "Botellón" selbst ist also schon beinhaltet, dass es sich um gemeinsames Abhängen mit begleitendem Alkoholgenuss handelt. Wir Deutschen haben für diese Tätigkeit nicht mal ein extra Wort, aber die Ausübung haben wir uns in den vergangenen Jahren bis zur Perfektion angeeignet.

Da sitzt man nun also an einem der ersten warmen Frühlingstage abends auf den Stufen vor dem Gärtnerplatztheater, nimmt einen tiefen Schluck von seinem Augustiner-Bier und grübelt über das Problem dieser Stadt nach - was einem auch sofort die gute Laune verdirbt.

Das "ausufernde Partygeschehen", wie sie es ausdrücken, ist den Herrn vom BA 2, also dem Bezirksausschuss Ludwigvorstadt-Isarvorstadt, schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Nun hat man bei der letzten Sitzung beschlossen, das Partyvolk in diesem Jahr endgültig aus dem "Gärtnerplatz-Paradies" zu vertreiben.

Ein ganzes Paket von Sanktionen hat man verabschiedet: Stärkere Kontrollen durch eine Grünanlagenaufsicht, die das nächtliche Partyvolk in seine Schranken weisen soll, eine Reinigung des Platzes bereits zwischen 22 und 24 Uhr (statt morgens um 6 Uhr), um die Nachtschwärmer zu verscheuchen, die Verteilung von Flyern und die Einsetzung von Mediatoren, die bei den Lärmenden und Feiernden Verständnis für die Nachtruhe der Anwohner wecken sollen.

Diese Vorschläge des BA 2 werden nun der Stadt München zur Prüfung vorgelegt. Man hofft dort auf breite Zustimmung.

Lesen Sie auf Seite 2, welche Befürchtungen sich um den Gärtnerplatz ranken.

Sollte die Stadt dieses Maßnahmenpaket absegnen, ist der Gärtnerplatz tot. Dann ist es vorbei mit jeglicher Urbanität, aller bayerischen Gemütlichkeit und jedem mediterranen Flair. Es reicht offensichtlich noch nicht, dass immer mehr Clubs und Bars aus dem Viertel vertrieben werden - jetzt auch noch das Prinzip Friedhofsruhe zur Ausgehzeit.

Damit wir uns richtig verstehen: Wir reden nicht davon, dass wir - wie von einigen dieser Herren befürchtet - Zelte aufstellen und dort nächtigen wollen. Wir wollen auch nicht grillen und ein Lagerfeuer anzünden. Und wir haben auch Verständnis, dass die Anwohner nicht in den Nachtstunden durch die Darbietungen eines Singer-Songwriters unterhalten werden wollen, der sich vorkommt wie eine Mischung aus Bob Dylan und Pete Doherty.

Dass diese Art von Belästigungen nicht tolerierbar sind, dafür haben wir vollstes Verständnis. Aber bitte, wen stört es, wenn die Münchner mit einem kühlen Bier den Tag ausklingen lassen und sich des - endlich mal! - schönen Wetters erfreuen? Selbst zwei Kollegen, die direkt am Gärtnerplatz wohnen, bestätigen uns, dass "normales" Abhängen ihrer Mitbürger sie noch nie gestört hat. Offensichtlich sehen das manche Anwohner aber anders.

Genau an solchen Problemen merkt man einmal wieder, wie kleinbürgerlich München doch leider ist. Hier versucht man schon wieder mit einer langen Liste an Verboten die Sache in den Griff zu bekommen - und vergisst dabei, dass die wenigsten der Münchner, die am Gärtnerplatz chillen, rücksichtslose Ruhestörer sind.

Radikales Verbieten von jeglichen urbanen Aktivitäten führt uns nicht weiter. Die Situation erfordert Verständnis von beiden Seiten. Die Outdoor-Fans müssen sich umsichtig verhalten und die Anwohner dürfen nicht so empfindlich sein. Und falls doch, sollten sie umziehen in eine ruhigere Gegend. Neuhausen soll auch recht schön sein.

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