Koalitionsverhandlungen:Luftnummern und Weichenstellungen

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Vor den bayerischen Koalitionsverhandlungen: Was sich durch die Liberalen für München ändern könnte.

D. Hutter, Ch. Rost, P. Chrone

Rauchen in Kneipe und Bierzelt, die Situation an den Schulen oder die großen Verkehrsprojekte bei der S-Bahn und im Luftverkehr - viele Themen, welche die Münchner ganz direkt betreffen, werden nicht im Rathaus, sondern auf der Landesebene entschieden. Und dort will nun, einen erfolgreichen Abschluss der Koalitionsverhandlungen vorausgesetzt, die FDP ein gewichtiges Wörtchen mitreden. Im Wahlkampf sind die Liberalen nicht zuletzt durch ihre Plakatkampagnen gegen das strenge Rauchverbot aufgefallen. Eine Lockerung dieser Regelung - Hassobjekt der vor den Kneipentüren versammelten Rauchercliquen - gilt daher als höchstwahrscheinlich. Kaum Hoffnung dürfen sich dagegen die vor allem in den Umlandgemeinden beheimateten Kritiker des stetig zunehmenden Luftverkehrs machen. Die FDP als wirtschaftsnahe Partei hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie den Münchner Flughafen weiter ausbauen will. Kritischer sehen die Liberalen den erweiterten Betrieb in Oberpfaffenhofen - die FDP-Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat ihren Wahlkreis im Fünfseenland.

Landung in Oberpfaffenhofen - die FDP will den Flugbetrieb wieder einschränken. (Foto: Foto: Fuchs)

Populäre Luftnummer: Die FDP will die Öffnung des Flughafens Oberpfaffenhofen stoppen - doch das ist juristisch kaum noch möglich

Die FDP will bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen mit der CSU die Öffnung des Flughafens Oberpfaffenhofen für Geschäftsflieger verhindern. Entsprechende Pläne bestätigte Lars Pappert, Sprecher der Landesgruppe Bayern. Die umstrittene Anlage im Fünfseenland solle sich auf ihre alte Rolle als reiner Werksflughafen beschränken. Mehrere von der SZ befragte Rechtsexperten bezweifeln allerdings, dass eine solche Kehrtwende noch möglich ist. Die bereits erteilte Genehmigung, die sich auf eine umfassende juristische Begründung stützt, könne nicht einfach für nichtig erklärt werden.

"Wir wollen das Landesentwicklungsprogramm entsprechend ändern", sagt Pappert, dessen Partei gute Chancen auf das Wirtschafts- und Verkehrsministerium zugeschrieben werden. Der Genehmigungsprozess für Oberpfaffenhofen hatte mit einer Änderung eben dieses Papiers begonnen - die neu aufgenommene Zielsetzung, Oberpfaffenhofen für Geschäftsflieger zu öffnen, war die Grundlage eines entsprechenden Antrags des Flughafenbetreibers Edmo. Allerdings hat die Regierung von Oberbayern bereits bei der Erteilung der Genehmigung klar gemacht, dass die Öffnung auch ohne den Passus im Landesentwicklungsprogramm zulässig gewesen wäre.

Experten gehen davon aus, dass der Vorstoß der FDP keine Aussicht auf Erfolg hat. "Die Politik wird das mit Sicherheit nicht mehr rückgängig machen können", erklärt Joachim Krauß, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, der die Stadt München bei ihrem juristischen Kampf gegen Oberpfaffenhofen vertritt. "Das kann derzeit nur ein Gericht." Erst wenn die Justiz feststelle, dass die Genehmigung oder aber der Passus im Landesentwicklungsprogramm rechtswidrig ist, sei die Politik wieder am Zuge. Derzeit aber liege dem Flughafen-Betreiber eine offizielle Erlaubnis vor, die auch durch eine nachträgliche Änderung des Landesentwicklungsprogramms nicht ihre Gültigkeit verliere.

Michael Mattar, der FDP-Fraktionschef im Münchner Rathaus, hält auch nach einem Aus für Oberpfaffenhofen einen separaten Geschäftsflughafen im Raum München für unverzichtbar. Dann eben an anderer Stelle.

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Die Spanien-Fraktion: Wirte erwarten eine Lockerung des Rauchverbots in Kneipen und Bierzelten

Sowohl die Wirte als auch das Münchner Kreisverwaltungsreferat, das für die Kontrolle des Nichtraucherschutzgesetzes zuständig ist, gehen davon aus, dass in den Koalitionsverhandlungen zwischen CSU und FDP die sogenannte spanische Lösung vereinbart wird. Die sieht vor, dass in Gaststätten mit mehreren Räumen ein Zimmer als Raucherbereich deklariert werden kann, in Wirtschaften mit nur einem Raum entscheidet der Wirt, ob das Rauchen erlaubt ist.

Wiesnwirtesprecher Toni Roiderer geht davon aus, dass auch auf der Wiesn 2009 in den Zelten geraucht werden darf. "Wir werden aber wie schon in diesem Jahr den Tabakverkauf im Zelt untersagen." Dadurch werde bis zu 60 Prozent weniger geraucht. Roiderer glaubt, dass sich eine CSU/FDP-Koalition für die "spanische Lösung" entscheidet. Auch Wiggerl Hagn, Wirt im Unionsbräu, sieht das so. "Ich hoffe, dass dann in Einraumwirtschaften der Wirt entscheiden kann." Die meisten Stehkneipen würden wieder zu Raucherkneipen werden, glaubt Hagn. KVR-Sprecher Christopher Habl sieht ebenfalls Vorteile durch die spanische Lösung. "Kontrollen wären dann transparent und nachvollziehbar."

Ernst-Günther Krause dagegen, Vorsitzender des Vereins ,,Nichtraucher-Initiative München'', glaubt, dass es bei der derzeitigen Regelung bleibt. Grund: Der gestiegene Getränkeumsatz. Krause verweist auf Daten des Bayerischen Landesamts für Statistik. Demnach stieg der Umsatz in Bars und Kneipen im ersten Halbjahr 2008 im Vergleich zum Vorjahr um knapp zehn Prozent an. ,,2005 und 2006 gab es einen Rückgang.'' Krause sagt: ,,Es wird ein Umdenken geben'' - und keine Änderungen am Nichtraucherschutzgesetz.

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"Die Sprengel gehören abgeschafft": In der Schulpolitik prallen zwei Welten aufeinander

In der Bildungspolitik liegen zwischen der bisherigen Politik der Staatsregierung und der Landeshauptstadt Welten. Vor allem bei der Finanzierung der Schulen und bei Ganztagsmodellen vertreten die CSU und rot-grün im Münchner Rathaus völlig unterschiedliche Standpunkte. Nun könnte ausgerechnet die FDP für ein besseres Verhältnis sorgen, wenn sie sich in den Koalitionsverhandlungen durchsetzt. Dann nämlich, so die FDP-Stadträtin Nadja Hirsch, die an den vorbereitenden Gesprächen zur Koalitionsrunde beteiligt war, würden staatliche, städtische und private Schulen künftig gleich behandelt.

Bislang bekam die Stadt München, die 14 Gymnasien und 20 Realschulen in kommunaler Trägerschaft unterhält, weniger als die Hälfte der Lehrpersonalkosten vom Freistaat erstattet. Von insgesamt 300 Millionen Euro jährlich muss die Stadt 160 Millionen aus eigener Kasse bezahlen. Die Privatschulen erhalten immerhin 90 Prozent der Lehrergehälter vom Staat. Die FDP will die CSU nun dazu drängen, dass es für alle Schulen gleich viel Geld gibt. ,,Die Missverständnisse sollen nicht mehr auf dem Rücken der Schüler ausgetragen werden'', so Hirsch.

Auch in puncto Ganztagsangebote will die FDP ihren künftigen Seniorpartner in eine Richtung bringen, die München schon lange verfolgt: den konsequenten Ausbau dieser Modelle. ,,Neue Grundschulen müssen beim Bau so gestaltet werden, dass es dort genügend Räume für den Ganztagsbetrieb gibt'', fordert die FDP-Stadträtin. Eine längere gemeinsame Grundschulzeit von sechs Jahren, wie sie die FDP fordert und wie sie auch die Münchner Stadtspitze wünscht, ist für die CSU indes nicht verhandelbar. Durch und durch liberale Züge kennzeichnen die dritte Forderung der FDP gegenüber der CSU: Die Schulen bräuchten deutlich mehr Freiheiten. Jede Einrichtung müsse ihr eigenes Profil entwickeln können, so Hirsch, etwa mit einem breiteren Fremdsprachen-Angebot oder mehr Raum für künstlerische Aktivitäten. Im Zuge dessen sollten sich dann die Eltern eine Schule für ihre Kinder aussuchen dürfen. ,,Die Aufteilung in Sprengel gehört abgeschafft'', fordert Hirsch. Auch die Lehrer sollen die Schule, an der sie arbeiten wollen, frei wählen können.

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Einigkeit über dritte Startbahn

Bei den Freien Wählern hätte sich die CSU schwerer getan. Mit der FDP aber verfügen die Christsozialen über einen potentiellen Koalitionspartner, der einen Ausbau des Münchner Flughafens für absolut unverzichtbar hält - das Thema dürfte bei den anstehenden Verhandlungen also rasch und im Konsens durchgewunken werden. "Wir sind uns mit der CSU einig", bestätigt Lars Pappert, Sprecher der FDP-Landesgruppe Bayern. Der Flughafen im Erdinger Moos habe eine "weit überregionale Bedeutung" und müsse im Wettbewerb mit anderen internationalen Drehkreuzen gestärkt werden.

Da schon heute nicht mehr alle Anfragen von Fluggesellschaften berücksichtigt werden könnten, sei eine Erweiterung der Kapazität unumgänglich - also der Bau einer dritten Start- und Landebahn, deren Genehmigungsprozess bereits läuft. Um ausreichend Platz für große Verkehrsmaschinen zu haben, will Michael Mattar, der FDP-Fraktionschef im Münchner Rathaus, zudem möglichst große Teile der Privat- und Geschäftsfliegerei auf einen kleineren Airport verlagern. Bliebe dieses Segment im Moos oder werde gar noch gestärkt, "können wir gleich die vierte Startbahn bauen".

Lesen Sie weiter: Kommt die zweite S-Bahn-Stammstrecke?

Warten auf die Weichenstellung

Es ist ruhig geworden beim Thema zweite S-Bahn-Stammstrecke - verdächtig ruhig, wie viele Verkehrsexperten finden. Offiziell laufen derzeit die detaillierten Umplanungen für den neuen Streckenverlauf des Tunnels, den Bayerns Verkehrsministerin Emilia Müller (CSU) im Spätherbst 2007 vorgestellt hat. Ob mit einer CSU/FDP-Koalition alles so weiterläuft wie bisher, ob der Freistaat mehr Dampf macht oder ob die Debatte letztlich doch auf einen Ausbau des DB-Südrings hinausläuft, ist nicht absehbar.

Laut Michael Mattar, dem FDP-Fraktionschef im Münchner Rathaus, wird die zweite Querung der Innenstadt bei den Koalitionsgesprächen auf Landesebene vorerst keine Rolle spielen. "Wir haben uns noch keine abschließende Meinung zu dem Projekt gebildet", meint Mattar. Zwar seien die Liberalen überzeugt, dass eine Verbesserung des S-Bahnsystems notwendig ist. Wie das geschehen soll, sei aber noch nicht ausdiskutiert.

Offenkundig gibt es bei der FDP auch Sympathien für die vor allem von den Grünen vertretene Idee, statt der teuren Röhre den Südring auszubauen - Mattar wäre eine viergleisige und damit leistungsfähigere Streckenführung allerdings sympathischer als das derzeit verfolgte Modell eines Teilausbaus. ,,Wir haben große Zweifel, dass das eine tragfähige Lösung wäre.''

Bei der zweiten S-Bahn-Röhre, der Vorzugsvariante des Freistaats, sieht die FDP Mattar zufolge "die Kostenentwicklung sehr kritisch". Auf der anderen Seite dürfe nicht vergessen werden, dass das Projekt eines neuen Hauptbahnhofs sehr eng mit der zweiten Stammstrecke verknüpft sei. Wie berichtet, sollen das moderne Empfangsgebäude und seine Tiefgeschosse, um Kosten zu sparen, möglichst gleichzeitig mit dem Treppenhaus des neuen S-Bahnhofs gebaut werden - was letztlich bedeutet, dass ohne die Stammstrecke auch kein neuer Bahnhof kommt. "Wir wollen aber auf jeden Fall einen neuen Hauptbahnhof haben." Die FDP werde ihre Haltung zur zweiten Stammstrecke "in Kürze" festlegen.

© SZ vom 14.10.2008/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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