Kloster Andechs:Pater Anselm verlässt den "Heiligen Berg"

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Der monatelange Machtkampf um die Zukunft des berühmten Klosters ist entschieden. Prior Anselm Bilgri kehrt nicht mehr nach Andechs zurück. Er will Unternehmensberater werden.

Von Wolfgang Görl

Nach monatelangen Querelen ließ der Andechser Prior gestern erklären, er habe den Entschluss "im Zuge einer zunehmenden Entfremdung vom Gemeinschaftsleben unseres Klosters gefasst".

Das Kloster Andechs (Foto: Foto: dpa)

Pater Johannes Eckert, der Abt des Münchner Klosters Sankt Bonifaz, zu dem Andechs gehört, bestritt hingegen, dass Streit innerhalb des Konvents Bilgri zum Rückzug veranlasst habe.

Den Benediktiner-Orden selbst will Pater Anselm, der der Presse-konferenz in Sankt Bonifaz fernblieb, offenbar nicht verlassen. Er ließ durch einen Mitbruder ausrichten:

"Mein Wunsch wäre es, eine kirchenrechtliche Möglichkeit zu finden, weiterhin priesterliche und seelsorgliche Funktionen wahrnehmen zu dürfen."

Fünf Fernsehkameras und zahllose Mikrophone reckten sich Abt Johannes entgegen, als er sein wochenlanges Schweigen zu der Affäre gestern Mittag brach.

Er sowie der Konvent bedauerten die Sache sehr, aber es sei nun mal so, dass Pater Anselm "unsere Gemeinschaft aus persönlichen Gründen" verlasse und auch seine Ämter als Prior und Cellerar niederlege.

Falsch seien Spekulationen, denen zufolge es hinter den Kulissen Differenzen gegeben habe über die künftige Ausrichtung der klösterlichen Wirtschaftsbetriebe. "Wir müssen und werden gewinnorientiert arbeiten", sagte Eckert.

Pater Anselm hatte während seiner 18-jährigen Tätigkeit als Cellerar nicht nur die Andechser Brauerei zu einem florierenden Betrieb ausgebaut, sondern Lizenzprodukte eingeführt, eine Schnapsbrennerei gegründet sowie ein Franchisesystem aufgebaut, dem mittlerweile bundesweit neun Gaststätten mit dem Namen "Der Andechser" angeschlossen sind.

Ausschließlich aus persönlichen Gründen soll Pater Anselm Kloster Andechs verlassen haben. Foto: dpa (Foto: N/A)

Auch das erfolgreiche Festspiel "Orff in Andechs" geht auf Anselm zurück. Dem Dementi des Abts zum Trotz halten sich Gerüchte, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten Bilgris verbunden mit seiner saloppen Selbstdarstellung bei einem Teil des 24 Köpfe zählenden Konvents auf Missfallen gestoßen sei.

Tatsache ist, dass Bilgri bei der Abtwahl im vergangenen Jahr dem 15 Jahre jüngeren und bis dato unbekannten Johannes Eckert unterlegen ist, obwohl er als Favorit galt.

Bilgri hat daraufhin ein Sabbatjahr genommen. Dass er in seiner Erklärung von "zunehmender Entfremdung" spricht, führt der Abt auf "einen inneren Prozess" zurück und nicht auf äußere Faktoren.

Anselm hatte sich in vertraulichen Gesprächen aber ganz anders geäußert. Zudem ließ Bilgri erklären, dass er künftig in den Bereichen "Lebens- und Unternehmensberatung, Seminare und Kurse, Vorträge und Publikationen" tätig sein werde.

Gemeint ist offenbar das "Zentrum für Unternehmenskultur", eine Unternehmensberatung auf Grundlage der Regel des Heiligen Benedikt. Einer von drei Gesellschaftern ist Jürgen Schott, Anselms Vertrauter, den die Abtei wegen Unterschlagung angezeigt hat.

Bilgri hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe gesagt: "Wenn man mit mir nur fünf Minuten geredet hätte, wäre offenbar geworden, dass die Anschuldigungen jeglicher Grundlage entbehren."

Warum man stattdessen gleich die Staatsanwaltschaft einschaltete , erklärt Abt Johannes so: "Auf seinen Wunsch hin wollten wir Pater Anselm während der Sabbatzeit nicht mit wirtschaftlichen Dingen belasten."

© SZ vom 06. Juli 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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