Kissinger-Preis an Altkanzler Schmidt:Der alte Mann und der Krieg

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Ehrfürchtig ging es bei der Verleihung des Henry-Kissinger-Preises in der Münchner Residenz zu. Der Geehrte, Altkanzler Helmut Schmidt, sprach über den Wert der transatlantischen Beziehungen - und über George W. Bush, ohne seinen Namen zu nennen.

Christina Maria Berr und Oliver Das Gupta

Im Kaisersaal in der Münchner Residenz zeigt sich Helmut Schmidt, Deutschlands bekanntester Raucher, am Donnerstagabend von einer ungewohnten Seite: Er qualmt nicht. Nur ab und an gönnt er sich eine Prise Schnupftabak.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Der Altkanzler erhält an diesem Abend den neugeschaffenen Henry-Kissinger-Preis für die Förderung transatlantischer Beziehungen - entworfen von der Künstlerin Gabriele von Habsburg. Der Preisstifter und Ehrenvorsitzende der American Academy ist selbstverständlich auch da. Außerdem: Der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, Richard Holbrooke, der ebenso eine Rede hält wie Zeit-Herausgeber Josef Joffe.

Die mehr als 300 Stühle sind prominent besetzt: Ex-Daimler-Chef Jürgen Schrempp, Schauspieler Ottfried Fischer, Sachsens Landesvater a. D. Kurt Biedenkopf sowie Sicherheitskonferenzchef Horst Teltschik und der Chef der Europäischen Zentralbank Jean-Claude Trichet sind da, dazu Unionsgranden wie Joachim Herrmann und Friedbert Pflüger.

Bezeichnend: Kein prominenter Sozialdemokrat ist zur Feierstunde für den Genossen Schmidt gekommen. Nicht einmal OB Christian Ude erscheint, wundert sich Charlotte Knobloch, die Vorsitzende des Zentralrates der Juden.

Auch der ewig Eilende fehlt: Ministerpräsident Edmund Stoiber. Der lässt sich von Staatskanzleichef Eberhard Sinner entschuldigen. Stoiber sei auf dem Weg nach Berlin - zur "Kauder-Runde", schließlich sei am nächsten Tag Bundesratssitzung, verrät Sinner.

Der gebürtige Fürther Kissinger beginnt seine Rede in deutscher Sprache, erzählt dass er Helmut Kohl sagte, er wäre, wenn er nicht in die USA gegangen wäre, sicherlich Studienrat in Nürnberg geworden. Kohl darauf: "Nach München hättest du es sicherlich geschafft."

Dann spricht Kissinger auf Englisch über seinen Freund Helmut Schmidt, der regungslos in der ersten Reihe sitzt. Der Altkanzler sei "Pfeiler der westlichen Werte", auf den sich die USA immer hätten verlassen können. "Keinem anderen Staatsmann habe ich mehr vertraut und wenigen habe ich so getraut wie Helmut", sagte Kissinger in seiner emotionalen Würdigung.

Es habe zu seiner Amtszeit keinen verlässlicheren Freund der USA gegeben als Schmidt, sagte Kissinger. Schmidt habe die internationale Politik wesentlich mitgeprägt. "Es ist eine Ehre, ihn als Freund zu haben".

In seiner offiziellen, gut formulierten Rede spricht Kissinger von seinen Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg. Er verpackt sie in eine Anekdote: Er habe zwar die amerikanischen Militär-Losungen gekannt, sei aber trotzdem von seinen Landsleuten ständig verhaftet worden: "Ich hatte einen deutschen Akzent."

Ode an die Partnerschaft

Danach ist Schmidt an der Reihe. Hinkend schlürft er aufs Podium, lässt sich auf einem Sessel nieder. Nun ist der alte Mann in seinem Element, der Rede. Auf Englisch. Er spricht von seinem ersten USA-Besuch, ein paar Jahre nach dem Krieg. Von der Großzügigkeit der Amerikaner, die sich nicht nur auf Care-Pakete und den Marshall-Plan beschränkte, sondern auch auf Wissen. So habe er ein paar Jahre später als Bundesverteidigungsminister den Amtskollegen auf gleicher Augenhöhe begegnen können.

Der Ode an die transatlantischen Partnerschaft folgen eindeutige wie diplomatisch gewählte Worte: Ohne die Regierung unter US-Präsident George W. Bush namentlich zu nennen, kritisiert Schmidt die amerikanische Politik und den Irakkrieg. Den Einmarsch hätten Männer befohlen, die nie selbst gekämpft hätten, sagt er.

"Die Männer, die den Krieg (im Irak) begannen", haben nie selbst einen miterlebt. Die Invasion nannte er einen "Krieg der Wahl und nicht der Notwendigkeit." Im persönlichen Gespäch mit sueddeutsche.de wird Henry Kissinger, der einstige US-Außenminister, später erklären, er teile in diesem Punkt die Auffassung seines Freundes Schmidt - "aber nicht die Details".

Schmidt warnt die Deutschen davor, nicht zu differenzieren. "Wir dürfen die amerikanische Nation nicht verantwortlich machen für die Fehler der US-Regierung". Der Altkanzler schließt seine Rede versöhnlich: "Ich bin überzeugt, dass die USA ihre innere und internationale Vertrauenskrise überwinden werden." Er glaube an den "inneren demokratischen Instinkt" der amerikanischen Nation.

Waigel witzelt

Die Rede endet mit einem Appell in deutscher Sprache, die transatlantische Partnerschaft zu pflegen. Lauter, langer Applaus, stehende Ovationen.

Anschließend werden Häppchen und Weißwein gereicht im Saal nebenan. Schmidt verschwindet schnell. Auch Theo Waigel, der frühere Bundesfinanzminister macht sich auf den Heimweg. Als er durch den fast leeren Kaisersaal zum Ausgang geht, bleibt er nochmal stehen. Er wundert sich, dass Edmund Stoiber nicht erschienen ist. "Wenn ich die Wahl hätte zwischen diesem Abend und der Kauder-Runde, hätte ich anders entschieden", sagt Waigel.

Dann setzt er ein breites Grinsen auf, die Augenbrauen ziehen sich hoch: "Er hätte ja einen Stellvertreter schicken können", sagt der alte Stoiber-Antipode und setzt lachend hinzu: "Zum Beispiel den Seehofer."

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