Kein Umsatz, nirgends:Verloren in der Hochsicherheitszone

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Die Inhaber der Läden rund um das Hotel "Bayerischer Hof" beklagen Umsatzverluste und fordern eine Verlegung des Tagungsorts.

Von Christian Mayer

Im toten Winkel hilft nur noch Sarkasmus. Zum Beispiel in der Salvatorstraße schräg hinter den Fünf Höfen, in der am Samstagmittag 27 Polizeifahrzeuge aus allen Teilen der Republik geparkt haben, aber die Kunden ausbleiben. Ein Schild mit der Aufschrift Gipfel-frei hängt am Schmuck- und Gemäldegeschäft Harry Beyer, vor dem zwei freundliche Polizeibeamte Dehn- und Streckübungen machen.

Einer gähnt, der andere zeigt stolz seine digitale Kamera, mit der er später vielleicht ein paar Verdächtige zwecks Beweisaufnahme ablichten wird. Wer weiß, vielleicht kommt es ja noch zum Zusammenstoß mit der radikalen Minderheit, die die Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz nutzt, um ein wenig Randale zu machen.

Ein paar Meter weiter wartet Filialleiterin Ingrid Neser in der Trachtenboutique Gössl auf Kundschaft. Noch hat sich kein Mensch blicken lassen im Laden, und Frau Neser und ihren Angestellten bleibt nichts anderes übrig, als aus dem Fenster zu schauen und müde Polizistinnen zu beobachten.

So wie Neser denken viele Ladenbetreiber rund um die Hochsicherheitszone des Tagungshotels: "Ich kann nicht verstehen, warum diese Konferenz nicht in einen Bunker am Flughafen verlegt wird." Stefan Schoeller vom gleichnamigen Designladen in der Kardinal-Faulhaberstraße demonstriert Gelassenheit. Gerade hat sich Guido Westerwelle in einer Tagungspause kurz im Laden blicken lassen, gekauft hat der FDP-Chef allerdings nichts.

"Klar, die Einbuße ist beträchtlich, wenn ein wichtiger Verkaufssamstag flachfällt. Aber wir leben nun einige Jahre damit - das ist unvermeidlich wie der Fasching", sagt der Geschäftsmann. So fatalistisch wie Schoeller sind die wenigsten Einzelhändler. Britta Schafrin, Inhaberin des Optikladens "Pupille", kann sich fürchterlich aufregen über das Polizeiaufgebot und die Demonstrationszüge, die inzwischen routinemäßig die Konferenz begleiten. "Wir haben achtzig Prozent Umsatzverlust, das ist geschäftsschädigend", sagt Schafrin, die den Politikertross samt Gefolge am liebsten auf eine "einsame Insel" verlegen würde. Jedenfalls weit weg von den Fünf Höfen, in denen sonst am Samstagnachmittag ein konsumfreudiges Gedränge herrscht, heute aber wenig los ist. Warum sie ihren Angestellten nicht frei gibt? "Geht nicht, schließlich kann man ja nicht wissen, ob einer der Chaoten nicht einen Farbbeutel aufs Schaufenster wirft."

Nun wäre es schon eine starke Übertreibung zu behaupten, dass die gesamte Innenstadt zu leiden habe unter dem Demo- und Polizeizirkus, der dann doch erheblich unspektakulärer verläuft als befürchtet. In der Kaufinger-, auch in der Sendlinger- und in der Theatinerstraße sind zwar junge Leute mit Rastalocken und ältere Demonstranten mit Anti-Nato-Transparenten zu beobachten, aber eben auch viele Münchner mit Einkaufstüten, die sich nicht haben abschrecken lassen.

Also doch business as usual? Das auch nicht. Je näher man an den Bayerischen Hof kommt, desto mehr erinnert die Bewachung an einen südamerikanischen Polizeistaat. Immerhin, in diesem Jahr hat vor der Stoffhandlung "KA International" am Promenadeplatz kein Wasserwerfer geparkt. "Ist doch schon ein Fortschritt, oder?" sagt Geschäftsführerin Angelika Valtin ironisch. Ihre Mitarbeiterin Ellen Skoruppa hat ein mulmiges Gefühl. Nein, keine Angst vor gewalttätigen Demonstranten, sondern die Sorge, dass schräg gegenüber im Hotel doch mal eine Bombe hochgehen könnte - trotz Intensivschutz durch Bundeswehr und Polizei.

Die Geschäftsleute an der Maxburg- und Pacellistraße haben ihre Konsequenzen gezogen: Fast alle Läden bleiben am Freitagnachmittag und am Samstag geschlossen. "Gipfel-frei" also im Bettenladen Duxiana, im Möbelstudio Muckenthaler, in der Buchhandlung Max Götz. Dagegen machen die Betreiber des Restaurants "Tizian" das Beste aus der schwierigen Lage. "Hier bedient Sie unsere Sondereinheit" steht an der Tür, und tatsächlich werden drinnen die Getränke von jungen Damen verteilt, die grüne T-Shirts mit der falschen Aufschrift "Pozilei" tragen - ein Faschingsscherz, der das Geschäft belebt.

Um 17 Uhr macht das Lokal aber dicht. Um diese Uhrzeit hat Modedesigner Martin Teufl die Hoffnung auf Umsatz begraben. "Ich bin nur reingekommen, weil eine Dame aus Österreich einen Termin hatte", sagt der junge Mann, der seine Kleider für die Society selbst entwirft.

Teufl ist einer der wenigen, der nicht gleich eine Hasstirade loslässt über das Klassentreffen der Diplomaten, Rüstungslobbyisten und Politiker im Bayerischen Hof. "Wir profitieren ja sonst von der Nähe zum Hotel", sagt Teufl. Etwa, wenn wieder mal eine gut betuchte Gruppe Araberinnen in der Boutique vorbeischaut, um sich mit feinem Stoff einzudecken, den die Männer dann mit der Kreditkarte bezahlen.

Leider sind an diesem Samstag keine Prinzessinnen aus dem Morgenland unterwegs, sondern nur ein paar eilige Politiker wie der Steuerexperte Friedrich Merz, der am Spätnachmittag vor dem Modehaus Loden Frey gesichtet wird. Einkaufen in München kann ja auch entspannender sein als Sicherheitspolitik - besonders wenn die Geschäfte so leer sind.

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