Justitias Stammgast:Ein Rentner kann's nicht lassen

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Alfons W. hat ein "Problem mit der Rechtsordnung": 50 mal stand er schon vor Gericht. Das ist nach Ansicht des Amtsrichters "einsame Spitze". Jetzt war er wieder da - wegen 3,30 Euro.

Alexander Krug

Im Gericht ist Alfons W. eine Art Stammgast. 50 mal schon stand er vor dem Kadi und nach Einschätzung von Amtsrichter Ludwig Ernst liegt er damit an "einsamer Spitze".

Alfons W. ist kein Schwerverbrecher, vielmehr hat er ein - wie es die Staatsanwältin formuliert - "Problem mit der Rechtsordnung". Seine Vorstrafenliste weist vor allem kleinere Diebstähle und Betrügereien aus, die er seit seiner Jugend angesammelt hat. Das Benutzen von Bus und Bahn ohne gültigen Fahrausweis gehört auch dazu, und deshalb sitzt er nun zum wiederholten Male auf der Anklagebank.

Altersweisheit?

Alfons W. ist Rentner und 61 Jahre alt, doch von Altersweisheit scheint er noch weit entfernt. Am 6. April vergangenen Jahres hatte ihm das Amtsgericht schon einmal eine Geldstrafe von 700 Euro wegen Schwarzfahrens aufgebrummt. Nicht einmal vier Wochen später wurde er erneut in der S-Bahn ohne Ticket erwischt und wiederum zwei Monate danach in einem Bus der Linie 701.

Alfons W. will das zunächst so nicht stehen lassen. "Ich hatte ja eine Seniorenkarte", behauptet er, "doch die hatte ich an dem Tag vergessen." Zum Beweis legt er einige Monatsmarken vor - doch ausgerechnet die vom fraglichen Zeitraum fehlt. Dann versucht er es mit einer anderen Taktik. Er sei als ehemaliger Werkschutzmann der Bahn zur kostenlosen Benutzung des MVV berechtigt, erklärt er. Beide Argumente überzeugen den Richter nicht, zumal die als Zeugen aufgebotenen Kontrolleure ein solches Privileg in Abrede stellen. "Das ist längst abgeschafft", erklärt einer.

Als Bahnmitarbeiter würden sie lediglich vergünstigte Fahrkarten erhalten, dieser geldwerte Vorteil müsse aber auch versteuert werden. Außerdem sei der Angeklagte nie Bahnmitarbeiter, sondern nur als "Subunternehmer" tätig gewesen.

Alfons W. streckt daraufhin die Waffen. "Dann bin ich halt schwarzgefahren", grummelt er. Amtsrichter Ernst bohrt nach. Warum er denn immer wieder straffällig werde, will er wissen. "Mir scheint es fast so, als gefalle es Ihnen bei uns?"

Der Angeklagte zuckt nur mit den Schultern. Nach der Verlesung der Vorstrafenliste, die fast länger dauert als die Verhandlung, fordert die Staatsanwältin eine viermonatige Bewährungsstrafe. Diese verhängt schließlich auch der Richter, der Alfons W. wegen 3,30 Euro Schaden nicht hinter Gitter bringen will. "Irgendwann hat aber auch der geduldigste Richter kein Nachsehen mehr mit Ihnen", warnt er. Alfons W. will das Urteil trotzdem nicht akzeptieren. "Ich geh' zu einem Anwalt", schimpft er beim Rausgehen.

© SZ vom 4.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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