Jung und gut (9):Hamlet der Sanostol-Generation

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Das Kabarett von Claus von Wagner lebt davon, dass alles Historische auf seine aktuellen Bezüge hin abgeklopft wird.

Von Oliver Hochkeppel

Kurz vorm Gespräch musste er noch allerhand erledigen, zum Beispiel eine Reisetasche besorgen für den Abstecher zu den Bonner "Wühlmäusen" und den anschließenden Irland-Trip, den "ersten Urlaub seit langem".

Doch Claus von Wagner wirkt alles andere als gehetzt oder gestresst, obwohl in diesem Jahr einiges über den 25-Jährigen hereingebrochen ist. In rascher Folge hat der Nachwuchskabarettist mit seinem ersten professionellen Programm "Der Rest ist Schweigen - Eine Zwischenbilanz" diverse erste und zweite Preise abgeräumt: den Ottobrunner Nachwuchswettbewerb, den Oberbayerischen Kabarett-Förderpreis, die "Goldene Weißwurscht", eine St. Ingberter Pfanne und den Kabarett Kaktus.

Gesellschaftskritik oder Eigenwerbung

Parallel dazu hat Wagner sein Studium der Kommunikationswissenschaften, der Neueren Geschichte und des Medienrechts abgeschlossen. Thema der Magisterarbeit: "Kabarett im deutschen TV: Gesellschaftskritik oder Eigenwerbung? Eine Expertenbefragung".

Unter diese Experten wird sich Wagner wohl bald selbst einreihen. Enthusiastisch darf man die Reaktionen auf seine Auftritte nennen, die ihm bescheinigen, nicht weniger als ein vielschichtiges Porträt seiner Generation zu entwickeln, und das geradezu unverschämt intelligent und stimmig. Mit Theaterelementen, durchkomponierter Dramaturgie sowie perfektem Licht- und Musikeinsatz lässt Wagner sein alter ego namens Isaak Nix an der Schwelle vom Teenager zum Erwachsenen innehalten.

Nach einem Streit in der WG - sein bester Freund Gerd ist auf dem Absprung, und seine Flamme Rebekka erwärmt sich für den widerlich perfekten Nebenbuhler Gottfried - ziehen Kindheit und Jugend tragikomisch vorüber: die Leiden eines Nordlichts, das in Miesbach und Kirchheim aufwächst ("ich war akzeptiert - als Wolpertinger"), Pelikan-Füller und Sanostol ("das DDT der 80er Jahre"), die Peinlichkeiten von Tanzkurs und erstem Rendezvous - kurz, die Zeit, in der "wir den Dax noch für einen Waldbewohner hielten".

Wer bei dieser knappen Zusammenfassung an Jess Jochimsen oder Florian Illies' "Generation Golf" denkt, liegt falsch. Wagners Kabarett erschöpft sich nicht in autobiografischen Anekdoten, sondern lebt davon, dass alles Historische auf seine aktuellen Bezüge hin abgeklopft wird.

"Prägend war die Evangelische Jugend"

Wagner ist entgegen der Klischees über seine Generation ein politischer Mensch, der mit großem Improvisationstalent und überbordender Lust am Sprachspiel den Weg vom Persönlichen zum Allgemeinen und vom Individuellen zum Gesellschaftlichen findet. Und wo lernt man das? "Prägend war die Evangelische Jugend. In Zeiten, wo es um Naturschutz und McDonalds-Boykotte ging, hat man automatisch ein politisches Bewusstsein entwickelt", erklärt Wagner.

Schultheater-Leidenschaft, etwas Zeitungsjournalismus und die ersten satirischen Gehversuche auf dem Internetforum "www.e-politik.de" (mit den "Geheimen Tagebüchern des Helmut Kohl") wiesen danach den Weg zur Kleinkunstbühne und zu Entdeckungen wie der der dreistufigen Argumentationslinie der CSU: " Ha? - Öha! - Naa!".

Und wie geht's jetzt weiter? "Ich lasse mir für das neue Programm Zeit. Ich habe das Gefühl, ich muss erst wieder was erleben. Man kann sagen, ich suche Substanz." Dazu gehört derzeit Schauspielunterricht und der Aufbau eines kleinen "Netzwerks" mit jungen Kollegen.

Dass Claus von Wagner fündig werden wird und ganz sicher keine der zahlreich umherschwirrenden Eintagsfliegen ist, davon kann man sich vom 16. bis 19. September im Fraunhofer überzeugen (20.30 Uhr, Reservierungen unter Telefon 26 78 50).

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