Jugend-Trend:Alkohol als Droge entdeckt

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So viel steht fest: Es wird mehr getrunken als früher. Jugendschützer der Stadt beobachten diese Entwicklung der letzten Jahre mit Sorge und gehen verstärkt dagegen vor.

Von Gunnar Herrmann

Auf Anfrage einiger Stadträte hat das Gesundheitsreferat nun eine detaillierte Beschreibung des Problems und der Gegenmaßnahmen vorgelegt.

Besonders bei Mädchen beliebt: Die süßlichen Alcopops. (Foto: Foto: dpa)

Konkrete Zahlen über den Alkoholmissbrauch Jugendlicher in München konnte die Stadtverwaltung nicht vorlegen. Weder ist bekannt, um wie viel der Konsum angestiegen ist noch welche Schäden das Rauschmittel bei den Heranwachsenden angerichtet hat. Trotzdem ist unter Fachleuten unbestritten, dass heute mehr getrunken wird als früher.

"Die Jugendlichen haben seit drei bis vier Jahren den Alkohol als Droge entdeckt", sagt Klaus Joelsen. Er arbeitet im Stadtjugendamt bei der Fachstelle für Jugendschutz und ist unter anderem für die Kontrolle von Diskotheken und Veranstaltungen zuständig.

Problemfall Alcopops

"Früher haben die Diskos mit einer bestimmten Musik oder einem DJ-Auftritt für ihre Veranstaltungen geworben, heute werben sie auf Plakaten oft mit billigen Getränken", klagt Joelsen. Mit Alcopops spreche die Getränke-Industrie zudem eine Zielgruppe an, die bislang eher wenig getrunken habe, weil ihr "weder Bier noch Schnaps schmeckt".

Vor allem Mädchen trinken lieber die süßen, branntweinhaltigen Mix-Getränke. Ob die Alcopopsteuer diese Entwicklung stoppen kann, lässt sich laut Gesundheitsreferat noch nicht sagen, die Steuer sei aber "ein wichtiger Anfang" heißt es in dem Bericht.

Laut Jugendschutzgesetz ist der Verkauf branntweinhaltiger Getränke an Minderjährige ohnehin verboten. Allerdings räumt das Gesundheitsreferat ein: "Eine durchgängige Kontrolle ist weder dem Jugendamt noch der Polizei möglich."

Allerdings geht die Stadt inzwischen verstärkt gegen den illegalen Schnapsverkauf vor. Dabei gibt es erste Erfolge. Auf der Wiesn 2004 erlitten nur 14 Jugendliche unter 16 Jahren Alkoholvergiftung - im Vorjahr waren es noch 26 Fälle. Stadt, Polizei, Wirte und Ordnungsdienste hatten zuvor vereinbart, härter gegen Bierausschank an Jugendliche unter 16 Jahren vorzugehen.

Schärfere Kontrollen

Auch sonst sind die Kontrollen schärfer geworden. Karl Schuff, Leiter der Bußgeldstelle im KVR, hat zumindest "das Gefühl, dass die Zahl der Anzeigen wegen Verkauf von Alkohol an Minderjährige zugenommen hat".

Etwa 30 bis 50 Bußgeldbescheide erteile das KVR jährlich wegen solcher Vergehen. Dass es nicht mehr sind, führt Schuff vor allem auf die oft schwierige Beweislage zurück. Meist sei einfach nicht mehr nachvollziehbar, welche Wirsthausbedienung oder welcher Tankstellenverkäufer den Schnaps oder das Bier illegal verkauft habe.

Doch wer erwischt wird, muss tief in den Geldbeutel greifen: Grobe Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz können Schuff zufolge mit vierstelligen Summen geahndet werden.

Alkoholmissbrauch wird in München nicht nur auf der Seite der Anbieter bekämpft. Die Stadt versucht auch, die Nachfrage einzudämmen. Das Gesundheitsreferat verweist in seiner Antwort auf die Stadtrats-Anfrage auf verschiedene Projekte der Suchtprävention.

Erfolgreich sei etwas das Projekt "inside@school", bei dem ausgewählte Schulen mit Suchthilfe-Einrichtungen zusammenarbeiten. Der "Aufwärtstrend beim Alkoholkonsum" habe bei den beteiligten Schülern gestoppt werden können. Allerdings ist "inside@school" mittlerweile von Sparmaßnahmen bedroht.

Statt an sechs findet es derzeit nur noch an zwei Schulen statt. Wie Michael Lubinski vom Gesundheitsreferat mitteilt, denkt man in der Behörde derzeit darüber nach, das Projekt über Sponsoren zu finanzieren.

© SZ vom 7.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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