Jean-Luc Godard:"Ist da jemand zuhause?"

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Beim Filmfest zeigt sich Jean-Luc Godard - und unerwartet Jacqueline Bisset.

Andrea Surkus

(SZ vom 4.7.2001) - Kommt er wirklich an, und entsteigt er dem Flieger aus Genf dann auch? Und zeigt er sich tatsächlich um 20 Uhr zur Premiere seines Films Eloge de l'amour (Ode an die Liebe) auf der Bühne des Arri- Kinos der Anhängerschar?

Jean-Luc Godard (Foto: Foto: AP)

Regisseur Jean-Luc Godard, Inbegriff des französischen Kinos, ließ sich noch nie leicht verplanen. Dafür erblicken die Gäste jemand anderen: Unangekündigt, ganz privat, um nicht zu sagen inkognito, weht in einem weißen fließenden Hosenanzug feengleich Jacqueline Bisset herein, geheimnisvoll lächelnd nach Art der französischen Kinogöttinnen, und gleitet mit Filmfest-Chef Eberhard Hauff in eine der hinteren Reihen.

"Kiss it!"

Eine Erscheinung? Schließlich soll sie erst am nächsten Abend feierlich den CineMerit Award überreicht bekommen - und alle Ignoranten bei der Gelegenheit davon überzeugen, dass man Bisset wie "Kiss it" ausspricht.

Da: Ein Herr mit wirrem Grauhaar, Hornbrille und braunem Leinenjackett, der wie Godard aussieht, betritt die Bühne. Jubel brandet auf. Er ist's! Und sagt:

"Würde ich meinen Film in Frankreich selbst verleihen, würde ich an jeden Kinobesucher zwei Eintrittskarten verkaufen: ein Ticket für den richtigen Ton, eins für das richtige Bild. Sie werden heute für ein Ticket beides sehen."

Weg ist er, fleucht gen Hotel, ohne auch nur ein Auge auf den einen oder anderen hoffnungsfrohen Nachwuchs-Mimen zu werfen, der extra für ihn im Kino aufgelaufen ist.

Nadelöhr Eingangstür

Dem bleibt dann nur, auf eine Preisverleihung zu spitzen, wie sie später am Abend in der Black Box im Gasteig zelebriert wird. Dort verleiht die Casting-Agentur "Actors and Arts" den "Rising Movie Talent Award" an junge Schauspieler - sofern jene durchs Nadelöhr Eingangstür kommen, wo das Durchbuchstabieren der Gästeliste eine Stunde dauert.

"Wichtig sind Mut und Talent", rät ihnen später Regisseur Friedemann Fromm, der mit Caroline Link, Doris Dörrie, Sönke Wortmann und anderen in der Jury saß. "Das Vorsprechen ist der Gang durch die Hölle. Dem einen friert es alles ein, dem anderen bläst's das Ego auf. So einer sagt dann: "Schaust mei Video-Band an, schaust mei Website an, schaust mei neue Fotostrecke in der Bravo an!"

Also wirklich. Nicht von ungefähr fragt sich "Crazy"-Mitautor Michael Gutmann, wenn er in die Augen eines Schauspielers schaut: "Ist da jemand zuhause?"

"Verdammt verliebt"

Bei Laura Maire und Florian Fitz ist jemand zuhause. Die Hauptdarsteller der ARD-Serie "Verdammt verliebt" ergattern das einmonatige Schauspieltraining in den USA und werden von dem Casting-Agenten Mike Fenton beglückwünscht. Jener weiß da noch gar nicht, dass ihm später, nachdem An Dorthe Braker den "National Casting Award" bekommen hat, das internationale Gegenstück winkt.

Doch dann flimmern Ausschnitte aus von ihm besetzten Welterfolgen über die Leinwand (E.T., Blade Runner, Aliens, Der Pate, Zurück aus der Zukunft...), lächelnd, mit Tränen in den Augen umklammert er seinen Casting Award, und die beiden ersten Reihen erheben sich zum Applaus - immerhin castet der nette, silberhaarige Amerikaner nicht nur gerade "Lazaruskind", sondern auch eine Science-Fiction-Serie, deren eine Folge in Germany spielt.

Hiermit schlagen wir die Praterinsel bei Nacht als Drehort vor. In rötlich-verfremdendem Licht feiert dort von 22 Uhr an Simon Verhoeven mit Vater Michael, Bruder Luca sowie vielen Hoffnungsfrohen (Dresscode für Jungregisseure: weißes Hemd, James-Dean-Frisur mit Strubbelpony) die Premiere seines Debütfilms "100 Pro". "Cool, die Leute im Kino haben sich krankgelacht", sagt er.

"Aber jetzt hetze ich mich erstmal nicht. Die meisten zweiten Filme werden schlecht. Ich warte, bis ich wieder was zu sagen habe." Das klingt ja fast wie Godard, der mal sagte: "Es ist sinnlos, scharfe Bilder zu produzieren, wenn man nur verschwommene Ideen im Kopf hat."

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