Interview zum Prozess:Ein Akt der Selbstreinigung

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Ein Gespräch mit Joachim Riedel von der Zentralstelle zur Fahndung nach Nazi-Verbrechern über den Sinn des Niznansky-Prozesses.

Von Stephan Handel

SZ: Herr Riedel, das Verfahren gegen Ladislav Niznansky beschäftigt München. Wird das der letzte große Nazi-Prozess sein?

Riedel: Das wage ich nicht zu sagen. Im Augenblick ist noch mindestens eine Anklage bei der Staatsanwaltschaft anhängig. Ich will nicht ausschließen, dass in diesem oder im nächsten Jahr weitere Anklagen erhoben werden. Es geht um Massaker in Italien und in Griechenland.

SZ: Das Niznansky-Verfahren ist ja auch deswegen in Gang gekommen, weil die Slowakei kooperiert hat. Hat sich Ihre Arbeit nach dem Ende des Kalten Krieges verändert?

Riedel: Nein, nur erweitert. Wir sind jahrelang durch den West-Ost-Konflikt behindert worden. Das waren teilweise außenpolitische Gründe, deretwegen uns die Bundesregierung regelrecht ausgebremst hat. Nach dem Fall der Mauer stand zunächst im Vordergrund die Auswertung der Stasi-Materialien. Nachdem diese Arbeit im wesentlichen erledigt ist, kommen jetzt auch weitere Archive des ehemaligen Ostblocks ins Visier.

SZ: Beweisnot, fehlende Zeugen, mangelhafte Erinnerungen - welchen Sinn hat es, diese Verbrechen nach 60 Jahren noch vor Gericht zu bringen?

Riedel: Es geht ja, unter Verjährungs-Gesichtspunkten, ausschließlich um die Taten, die als Mord qualifiziert werden müssen. Wir können überhaupt nur noch die schlimmsten, die scheußlichsten Verbrechen verfolgen, aber da erfordert auch die Gerechtigkeit, dass wir zumindest versuchen, den Sachverhalt aufzuklären, die Täter zu benennen und zu einem Schuldspruch zu gelangen, wenn das möglich ist.

SZ: Steht nicht zu befürchten, dass ein eventueller Freispruch aus Mangel an Beweisen größeren Schaden anrichtet, als wenn man die Sache auf sich hätte beruhen lassen?

Riedel: Das ist unser tägliches Schicksal bei der Strafjustiz. Darin sehe ich keinen Schaden. Die Chance zu Verurteilungen besteht ja. Es ist in den letzten Jahren gelungen, bis zu Verurteilungen zu gelangen, und diese Möglichkeit sehe ich immer noch - trotz der langen Zeit, die vergangen ist.

SZ: Interessierte Kreise könnten versuchen, einen Freispruch propagandistisch für sich zu nutzen.

Riedel: Sicherlich, aber ich sehe die größere Aufgabe darin zu versuchen, das aufzuarbeiten, was geschehen ist, was den deutschen Namen auf Jahrzehnte in den Dreck gezogen hat. Alleine schon, dass das bis zum Gericht gebracht wird, ist ein erheblicher Akt der Selbstreinigung.

© SZ vom 12.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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