Interview:Supersonne, Hitzschock, neue Tierarten

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In diesem Frühjahr entdeckt der Zoologe Heinz Sedlmeier vom Landesbund für Vogelschutz Tiere und Pflanzen, die er vorher in München noch nie gesehen hat. Es liege am Wetter, behauptet Sedlmeier.

Christian Rost

SZ: Herr Sedlmeier, der Sommer ist da, und die Natur blüht auf. Sehen Sie das auch so positiv?

(Foto: Foto: AP)

Sedlmeier: Es ist wirklich ungewöhnlich warm und trocken. Alle Pflanzen sind heuer 14 Tage zu früh mit der Blüte dran. Menschen, die unter Allergien leiden, merken das wegen des starken Pollenflugs besonders, und auch die Tierwelt wird vom Klima beeinflusst.

Schon der Winter war so mild, dass zum Beispiel der aus dem Mittelmeerraum stammende Admiral-Falter erstmals bei uns überwintern konnte. Bisher starb er in jedem Herbst aus und musste sich immer wieder neu ansiedeln.

Die italienische Mauereidechse ist ein anderer Zuzügler aus dem Mittelmeer-raum in München, und im Westpark leben sogar Rotwangenschildkröten. An der Wittelsbacher Brücke steht neuerdings ein Akanthus, das ist auch ein Kandidat, der normalerweise nur in mediterranen Gefilden vorkommt. So gesehen, ist das milde Wetter positiv.

SZ: Und wer leidet?

Sedlmeier: Für alle Bäume und die Moore im Umland, die ja nicht an ein mediterranes Klima gewöhnt sind, ist es generell viel zu trocken. Bei den Bäumen wird die Pilzsymbiose beeinflusst, die notwendig ist, um im Boden die Nahrung aufzuschließen. Dabei sind gerade Fichten vom Niederschlagsmangel betroffen, weil sie nur sehr flach wurzeln.

Sie reichen an das Wasser einfach nicht hin, und es fehlt ihnen im Boden der Halt. Beim nächsten Sturm werden sie vermutlich wieder massenhaft umgerissen. Und wenn es noch 14 Tage so weiter geht mit der Trockenheit, droht auch manchen Tieren eine echte Katastrophe.

Viele Amphibienarten sind auf Pfützen und andere kleine Feuchtstellen angewiesen, die momentan fehlen. Die Zahl der Kröten ist im Vergleich zum Vorjahr schon erheblich zurückgegangen. Hoffentlich regnet es bald, sonst fällt die Frühjahrslaichperiode in diesem Jahr völlig aus.

SZ: Gibt es dann wenigstens auch weniger Stechmücken?

Sedlmeier: Bei der aktuellen Wetterlage fällt die Mückenplage wohl aus. Ohne Pfützen und andere Kleingewässer fehlt ihnen jede Entwicklungsmöglichkeit. Sobald aber warmer Regen einsetzt oder es zu Hochwasser kommt, was ja nicht unwahrscheinlich ist nach einer langen Trockenperiode, sieht das schon wieder ganz anders aus.

SZ: Wenn weniger Insekten herumschwirren, dann freut sich der Mensch, aber den Vögeln fehlt die Nahrung, oder?

Sedlmeier: Die Vogelwelt leidet nicht so sehr unter dem Mangel. Mal abgesehen vom Haussperling, der ein sehr ungeschickter Jäger ist und bei der Nahrungssuche auf viele Mücken in der Luft angewiesen ist, damit er überhaupt eine erwischt. Die anderen Vogelarten finden im Boden genug zu fressen. Sie werden sicher auch ohne Mücken satt.

SZ: Sind eigentlich schon alle Zugvögel aus ihren Quartieren im Süden zurückgekehrt?

Sedlmeier: Der sehr milde Winter und das warme, trockene Frühjahr bei uns ist ja ein lokales Phänomen. Die Ankunftszeiten der Zugvögel, die weite Strecken zurücklegen, sind davon nicht beeinflusst.

Woher sollen die Mauersegler, die in Südafrika überwintern, auch wissen, dass es bei uns jetzt schon schön warm ist? Sie werden wohl erst am 25. April ankommen.

Viele Schwalben oder Störche, die in südeuropäischen Ländern wie Spanien waren, sind allerdings schon da. Die haben es irgendwie mitbekommen, dass es bei uns schon recht angenehm ist.

SZ: Die Futterkästen für Vögel können jetzt also in den Keller.

Sedlmeier: Da 80 Prozent der Tiere derzeit gute Bedingungen für Nestbau und Brut vorfinden, ist Füttern nur noch in speziellen Fällen sinnvoll. Wer Haussperlinge beherbergt, die es ja ohnehin nicht leicht haben, kann ihnen noch etwas geben.

Denn München ist stark überpflegt, das heißt, es kann sich auf den meisten Flächen nur wenig Grün bilden, das sich voll zur Samenreife entwickelt und als Futter dient.

Außerdem ist die ganze Bausubstanz in der Stadt so herausgeputzt und durchmodernisiert, dass manchen Tieren neben der Nahrung auch noch der Lebensraum fehlt. In Städten wie Madrid und London hat es der Haussperling, um bei diesem Beispiel zu bleiben, viel leichter. Seine Zahl ist dort um eine Zehnerpotenz größer als in München.

SZ: Sollen Gartenbesitzer bei der anhaltenden Trockenheit mehr gießen?

Sedlmeier: Gärten sollten von vornherein so anlegen werden, dass man mit wenig Wasser auskommt. Es handelt sich schließlich um Trinkwasser, das nicht verschwendet werden sollte.

Natürlich kann man eine frisch gesetzte Pflanze ausreichend bewässern. Wir raten aber von der leider sehr verbreiteteten Verrücktheit ab, den Rasen oder die staubige Straße zu sprengen. Selbst wenn der Rasen bei Hitze mal braun wird, macht das nichts. Er erholt sich von alleine wieder.

SZ: Gehen Sie davon aus, dass es in den nächsten Wochen noch einmal Frost geben wird?

Sedlmeier: Das wäre eine Katastrophe! Die Blüten wären alle hin. Aber wer weiß? Wir leben im Voralpenland, da muss man immer mit Kälteeinbrüchen rechnen. Für die mediterranen Tier- und Pflanzenarten, die sich angesiedelt haben, wäre dies allerdings das Ende.

© SZ vom 17.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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