Interview mit OB Ude:"Ich mache es wirklich mit Leidenschaft"

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Ude will's noch mal wissen: Bei der Kommunalwahl am 2. März 2008 tritt er zum vierten Mal für die SPD an. Mit uns sprach er über Arbeitslust, die Vorzüge von München und seine Pläne für die vierte Amtszeit.

Christina Maria Berr, Beate Wild, Hans-Jürgen Jakobs

sueddeutsche.de: Die Münchner SPD hat Sie mit 97,5 Prozent zum Spitzenkandidaten für die OB-Wahl im Frühjahr gemacht. Glückwunsch - Sie tun wirklich alles, um Ihren Ruf als "Bürgerkönig der Stadt" zu bestätigen.

Christian Ude: Ja, ich gebe mir jedenfalls redlich Mühe. Die Stadtpolitik ist mein Berufswunsch seit der Grundschulzeit. Es gibt kein abwechslungsreicheres und befriedigenderes Arbeitsfeld. Der Kontakt mit der Bürgerschaft, mit unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen macht mir Spaß. Ich mache es wirklich mit Leidenschaft - und das kommt offensichtlich bei den Bürgern auch so an.

sueddeutsche.de: Mit guten Wahlergebnissen in einer so großen Kommune wie München drängt sich für einen Politiker automatisch die Landes- und Bundespolitik auf - wie man bei Ihrem Berliner Kollegen Klaus Wowereit sieht. Bedauern Sie es, den Sprung nach oben nie geschafft zu haben?

Ude: Nein, nicht im geringsten. Ich teile auch nicht die Auffassung, dass die Landespolitik etwas Höheres sei als die Stadtpolitik - und die Bundespolitik noch eine Ebene höher angesiedelt sei. Dann müsste ja das Europäische Parlament der Gipfel aller Gefühle sein. Ich sehe es umgekehrt: Der Souverän in der Demokratie ist die Bevölkerung - und dem Souverän am nächsten sind die Kommunalpolitiker.

sueddeutsche.de: Gestalten kann man auch an höheren Orten.

Ude: Viele Abgeordnete laufen doch herum, ohne dass jemand sie erkennt. Kommunalpolitiker können vor Ort den unmittelbaren Erfolg ihrer Arbeit sehen. Also, wenn ich in München herumspaziere, kann ich die sanierten Kammerspiele anschauen oder den völlig veränderten Jakobsplatz mit einem jüdischen Zentrum. Da ist der Fortschritt sinnlich wahrnehmbar.

sueddeutsche.de: Sie treten jetzt zum vierten Mal bei der OB-Wahl an - das scheint die große Unvollendete zu sein. Was gibt es, was bisher nicht erreicht werden konnte?

Ude: Es ist ja nicht so, dass eine Stadt jemals fertig wäre. Wir haben - wie in ganz Deutschland - neue Aufgaben in der Kinderbetreuung. Die Nachfrage ist in München besonders groß. Des Weiteren gibt es in dieser attraktiven Stadt viele expandierende Unternehmen, das heißt aber auch: Hier fehlen immer Wohnungen. Und schließlich ist die Integration eine Daueraufgabe. Wir haben es geschafft, dem Judentum eine Zukunftsperspektive zu eröffnen, aber der Dialog mit der Weltreligion des Islam bedarf noch der Belebung. Die muslimische Minderheit muss die Gelegenheit erhalten, auch ein repräsentatives Gotteshaus zu errichten.

sueddeutsche.de: Herr Ude, wie attraktiv ist die von Ihnen regierte Stadt wirklich? Wenn Berlin arm aber sexy ist, so meint ihr Berliner Kollege, dann ist München ...

Ude: ... vielleicht nicht sexy, aber unglaublich attraktiv. Die beiden Städte haben unterschiedliche Reize. Ich finde, dass Berlin immer noch kein richtiges Stadtzentum hat, in dem man sich wohlfühlt. Das Regierungsviertel ist zwar wahnsinnig repräsentativ, aber da läuft man herum wie in der Pampa. Wenn man am Hauptbahnhof rauskommt, meint man, in der Steppe gelandet zu sein.

Andererseits kann ich die Kritik meines Freundes Klaus Wowereit verstehen, wonach ihm in München alles zu aufgeräumt sei - da ist was dran. Für manche ist München zu konservativ, andere wiederum sehnen sich nach dem Münchner Lebensgefühl.

sueddeutsche.de: Junge Leute beklagen oftmals, dass München zur Luxusstadt wird - mit viel Schicki-Micki, immer mehr Luxusläden und kaum mehr bezahlbaren Wohnungen.

Ude: Das ist in gewisser Weise eine Kehrseite des wirtschaftlichen Erfolges, die man politisch nicht beseitigen kann. Man kann nur entgegenwirken und korrigieren. In Berlin könnten Hunderttausende Menschen zuziehen, ohne dass eine einzige Wohnung gebaut werden muss. Das ist für Hausbesitzer trostlos, aber natürlich eine Chance für Wohnungssuchende.

sueddeutsche.de: München ist für Menschen, die Wohnungen suchen, oft trostlos.

Ude: Es schließt sich logisch aus, dass eine Stadt so viele Arbeitsplätze und Aufstiegschancen wie München hat und so viele leerstehende Wohnungen wie Berlin. Ich sehe aber die Gefahr, dass München einerseits die meisten Spitzenverdiener hat, andere Bevölkerungsgruppen aber nicht mithalten können - vor allem Rentner, aber auch Studenten oder Familien mit Kindern. Wir können nur versuchen, den Wohnungsmarkt auszugleichen.

Deshalb haben wir das größte Wohnungsbauprogramm der Bundesrepublik aufgelegt und stocken zudem unseren Besitz städtischer Wohnungen auf. Wir schwimmen hier gegen den bundesdeutschen Strom: Wir bauen und kaufen Wohnungen dazu. Zu Beginn meiner Amtszeit gab es 40.000 städtische Wohnungen, jetzt sind es mehr als 50.000.

sueddeutsche.de: Das wird reichen?

Ude: Wir haben zudem das Glück, dass wir die Kasernenareale in Wohngebiete umwandeln können. Da geht es um die Bayern-Kaserne, die Funk-Kaserne, die Prinz-Ruprecht-Kaserne und die Luitpold-Kaserne.

sueddeutsche.de: Zum behüteten Lebensgefühl in München gehören Sperrstunden, zum Beispiel im Biergarten. In Berlin ist das anders.

Ude: Einspruch! Früher war München sehr restriktiv, doch das hat sich total geändert. Bis auf die Putzstunde zwischen fünf und sechs Uhr dürfen die Lokale, wenn sie wollen, die ganze Nacht hindurch geöffnet haben. Liberaler geht es ja nicht mehr.

sueddeutsche.de: Aber Biergärten und Straßencafés müssen im Sommer um 23 Uhr schließen.

Ude: Die Frage ist, wo der Biergarten liegt. Wenn niemand gestört wird, wie am Chinesischen Turm, kann man feiern so lange man will. Es ist bemerkenswert, wie dieselben Leute, die sich als Yuppies über die frühen Sperrzeiten beschweren, zwei Jahre später, wenn sie ein Baby bekommen, den totalen Frontwechsel vollziehen und darüber klagen, dass in dieser Stadt nur die feierwütige Jugend verherrlicht wird, während Eltern kein Auge mehr zumachen können vor lauter Lärm.

sueddeutsche.de: Nach dem 1. Januar 2008 werden sich vermutlich Anwohner beschweren, wenn Raucher beim Kneipenbesuch vor die Tür treten und dort ihre Zigaretten konsumieren. Viele Wirte haben die Sorge, dass dies die Folge des Rauchverbots sein wird.

Ude: Diese Sorge teile ich. Ich bin wirklich gespannt, wie sich das Rauchverbot in der Praxis auswirkt.

sueddeutsche.de: Gerade die Kneipen mit nur einem Raum sind vom Rauchverbot betroffen.

Ude: Es wird sicher Umgehungsversuche geben, wie den Trick mit der geschlossenen Gesellschaft. Und es wird einen Verdrängungseffekt geben aus dem Lokal hinaus - mit Lärm vor den Türen, der wirklich für die direkten Anwohner unerträglich werden kann. Andererseits: Selbst in Italien, wo die Leute von Haus aus viel Freude an der Lärmentwicklung haben, hat es bisher kein gravierendes Problem gegeben.

sueddeutsche.de: Dort ist die Toleranz höher.

Ude: Ja, alle sind lauter, und Lärm wird anders wahrgenommen. Das merkt man an Mopedfahrern in Italien - die würden hier vom Sattel gerissen, dort gilt es als Ausdruck der Lebensfreude.

sueddeutsche.de: Das Rauchverbot soll auch für das Oktoberfest gelten. Jammern Ihnen die Wiesnwirte die Ohren voll?

Ude: Bei der Wiesn bin ich auf den Vollzug gespannt! Das ist ja alles ein Thema der Landespolitik, die hier in großer Weisheit Entscheidungen übers Knie gebrochen hat. Ich bin gespannt auf das erste Festzelt, wo inmitten einer johlenden Menge angeheiterter Gäste an einem Tisch in der Mitte geraucht wird. Dann wird der Festwirt seinen Ordnungsdienst natürlich nicht eingreifen lassen, sondern die Wiesnwache des bayerischen Innenministers alarmieren, dass hier Rechtsverstöße im Zelt stattfinden. Und dann bin ich darauf gespannt, ob die Polizei lieber rechtsfreie Räume zulässt mitten in Bayern, unter allen Augen der Öffentlichkeit, oder ob sie wirklich einschreitet.

sueddeutsche.de: Sie meinen, es wird Ausnahmeregelungen geben?

Ude: Nein, aber Zuwiderhandlungen - dort, wo niemand weiß, wie ein Verstoß gegen das Rauchverbot unterbunden werden soll. Das kommt einer Ausnahmeregelung in der Wirkung natürlich sehr nahe.

sueddeutsche.de: Zum großen Wahlkampfthema wird der Bau der Transrapid-Strecke zwischen Hauptbahnhof und Flughafen werden. Ist das eine Phantomdebatte, weil der Superzug ohnehin nicht kommt?

Ude: Ich bin sehr gespannt, wie viel Geld, Kraft und Zeit die CSU hier noch vergeuden will (lacht). Man hat ja in die Technik schon 1,2 Milliarden Euro Steuergelder hineingesteckt, die nie wieder herauskommen werden und schon 35 Millionen an Planungskosten verheizt. Vor der Kommunalwahl im März, aber auch vor der Landtagswahl im Herbst will man auf keinen Fall zugeben, dass das Projekt eine Totgeburt ist. Deswegen werden die tatsächlichen Kosten verschwiegen wie ein Staatsgeheimnis. Es wird auf Zeit gespielt. Damit vergeht weitere wertvolle Zeit, die man in den sinnvollen Ausbau der S-Bahn stecken könnte.

sueddeutsche.de: Viele wissen nicht, wie diese von Ihnen favorisierte Express-S-Bahn aussehen soll.

Ude: Man bräuchte vier statt zwei Gleise und könnte die vorhandenen Untertunnelungen der S8 in Oberföhring und Ismaning benutzen. Lediglich in München müssten wir einen Tunnel bis Englschalking schaffen, was ein gigantischer Vorteil für die Stadt wäre. Die Haltestellen wären vermutlich: Hauptbahnhof, eine weitere im Osten der Stadt sowie Oberföhring und/oder Ismaning.

sueddeutsche.de: Neben dem Transrapid ist die Olympiabewerbung ein wichtiges Wahlkampfthema. München ist ideal für Olympische Sommerspiele, das hat das Jahr 1972 gezeigt. Jetzt soll München auf einmal Standort für die Winterspiele werden. Ist das ein reiner Marketing-Clou? Am Klimawandel kann dieser Wechsel von Sommer auf Winter ja wohl nicht liegen.

Ude: Der Klimawandel hilft uns. Wir haben in einer Studie festgestellt - das klingt jetzt wirklich absurd, aber es ist die nackte Wahrheit -, dass wegen des Klimawandels die Schneeverhältnisse in Garmisch-Partenkirchen eher besser werden. Das liegt an dem schattigen Tal und der Wolkenbildung vor den Alpen.

sueddeutsche.de: Dann könnten die Spiele ja gleich ganz in Garmisch-Partenkirchen stattfinden.

Ude: Für die Schneesportarten ist das auch der Fall. Unser Konzept heißt "Zwei plus". Es gibt, weil man ja am besten alles mit Neusprech ausdrückt, einen Cluster für Schnee und einen Cluster für Eis sowie Zusatzangebote nur am Königssee. Also: Alles was mit Schnee zu tun hat, ist in Garmisch-Partenkirchen, alles was mit Eis zu tun hat, in München - und die Rodel- und Bobbahnen liegen am Königssee. Die Kapazitäten für die Eissportdisziplinen sind hier in München optimal. Das Olympische Komitee setzt darauf, dass die Spiele nachhaltig sein müssen, dass also möglichst viele vorhandene Einrichtungen genutzt werden können.

sueddeutsche.de: Die Grünen, Ihr Koalitionspartner in München, vermuten, diese Winterspiele seien ökologisch eher bedenklich. Tatsächlich hat der Unternehmer Willy Bogner jüngst für eine Olympia-Werbeveranstaltung reichlich Eis auf den Platz vor der Oper herankarren lassen.

Ude: Ja, das war eine Werbeveranstaltung des Deutschen Skiverbands sowie eines Sportausstatters. Einen großen ökologischen Schaden kann ich nicht erkennen. Aber natürlich war diese Show auch nicht nachhaltig. Im Übrigen ist es ohnehin nötig, die Infrastruktur zu verbessern und für eine bessere Straßenanbindung zwischen München und Garmisch zu sorgen. Olympia hilft uns da.

sueddeutsche.de: Die Nominierung am 8. Dezember scheint sicher. Wie groß ist die Chance dann wirklich, dass die Olympischen Winterspiele 2018 in München stattfinden?

Ude: Wir gehen davon aus, dass man sich beim Sportbund für München entscheidet und wir aufgefordert werden, eine detailierte Bewerbung auszuarbeiten. Die Chancen bei der Endauswahl 2011 hängen auch davon ab, mit welchen Mitbewerbern wir es zu tun haben. Den Alpenraum vertreten wir wahrscheinlich alleine. Korea wäre ein harter Mitbewerber, aber da gibt es politische Signale, dass nochmalige Riesenanstrengungen hier nicht erwünscht werden. Wenn sich Korea nicht bewirbt, sehe ich München in der bestmöglichen Konstellation.

sueddeutsche.de: Olympia wird, wenn es gut läuft, ein Glanzpunkt in Ihrer vierten Amtszeit. Werden Sie dann beginnen, einen Nachfolger als Oberbürgermeister aufzubauen? Oder ist das dann noch kein Thema?

Ude: Das ist immer ein Thema! Aber ich finde die Vorstellung putzig, dass man glaubt, ich würde plötzlich auf einer Pressekonferenz sagen: Der Herr X oder die Frau Y soll Oberbürgermeister werden. Damit sich die CSU schon mal in Ruhe auf ihn oder sie einschießen kann? Also, so blöd stelle ich mich wirklich nicht an. Aber es gibt eine Handvoll Leute aus meiner Partei, denen ich es zutraue, die OB-Wahlen zu gewinnen.

sueddeutsche.de: Schön für die SPD. Warum treten Sie dann nochmal an?

Ude: Es ist ein Unterschied, ob man die OB-Wahlen gewinnt oder ob man der SPD einen solchen Rückenwind verschaffen kann, dass sie stärkste Fraktion bleibt. Und das ist unser Ziel.

sueddeutsche.de: Vielen Dank für das Gespräch.

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