Interview mit Hillarys Verlegerin:"Werden Sie Präsidentin, Frau Clinton!"

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Seit kurzem ist Hillary Clintons Autobiografie "Gelebte Geschichte" erhältlich. Die erstaunlichen Verkaufszahlen der ersten Tage machen glauben, das Buch habe das Zeug zum Weltbestseller. Ein Gespräch mit der Verlegerin Margit Ketterle über den Kauf von "Gelebte Geschichte" und ihre Hoffnung auf den großen Erfolg.

Seit kurzem ist Hillary Clintons Autobiografie "Gelebte Geschichte" auf Englisch und auf Deutsch im Handel erhältlich. Die Verkaufszahlen scheinen die Erwartung zu bestätigen, das Buch habe das Zeug zum Weltbestseller.

Das ist Hillary Clinton. Sie hat ein politisches Buch geschrieben. Wie warme Semmeln weg geht es aber vermutlich wegen der weniger politischen Passagen um die sogenannte Praktikantinnen-Affäre. (Foto: AP)

Der Münchner Econ-Verlag hat gerade eine Startauflage von 100000 Stück auf den Markt gebracht - und hofft nun, dass die ambitionierte Senatorin bald auch in Deutschland kräftig Werbung für ihre Lebensgeschichte macht. Über das Buch, die Neugier der Leser und die Hillary-Begeisterung sprach die Süddeutsche Zeitung (v. 13.06.2003) mit Econ-Verlegerin Margit Ketterle.

SZ: Wie kommt ein Münchner Verlag, der nicht gerade zu den Giganten des Buchmarkts zählt, an so einen dicken Fisch? Ketterle: Wir sind Teil der Verlagsgruppe Ullstein-Heyne-List, der drittgrößten auf dem deutschen Buchmarkt. So klein ist der Verlag also nicht! Ich war schon früh der festen Überzeugung, dass Frau Clinton eine große Zukunft hat - und dass aus ihren Erinnerungen ein großes Buch werden würde. Bald darauf kamen die Amerikaner auf uns zu. Hillary Clintons Verlag "Simon & Schuster" war einer der Verhandlungspartner. Außerdem standen wir zugleich mit Subagenturen in Kontakt, die die Originalrechte in Europa weiterverkaufen.

SZ: Wie viel hat der Econ-Verlag für die deutschen Rechte gezahlt? Ketterle: Über Honorare spricht man nicht - das ist Gentlemen's Agreement.

SZ: Es muss aber eine beträchtliche Summe sein, immerhin hat Frau Clinton in den USA acht Millionen Dollar Honorar erhalten. Was macht Sie so sicher, dass Hillary in Deutschland genügend Leser finden wird? Ketterle: Ich habe nie am Erfolg gezweifelt, seit ich von dem Projekt gehört habe, und nach Hillary Clintons grandiosem Einzug in den Senat war ich zusätzlich bestärkt. Entscheidend war für mich die Persönlichkeit. Die Liebes- und Leidensgeschichte einer Frau, die von sich sagt, sie habe mit ihrem Mann vor dreißig Jahren ein Gespräch begonnen, das noch immer andauert - trotz vieler Rückschläge und Affären. Das ist doch eine Geschichte, die jede Frau interessieren muss.

SZ: Die Darstellung der Lewinsky-Affäre ist im Buch zwar wichtig, wird aber relativ schnell abgehandelt. Werden diejenigen Leser, denen es um Kolportage und Enthüllung geht, nicht enttäuscht? Ketterle: Ich glaube nicht, denn dieser Teil ihrer Biografie spielt eine wichtige Rolle, auch im Buch. Es ist beeindruckend, wie souverän die Autorin mit dieser Affäre umgeht. Ich will das nicht eine Beichte nennen, aber sie schreibt sehr offen, wie tief sie verletzt war und wie sie mit der Situation umgegangen ist. Dass für Hillary Clinton das späte Geständnis ihres Mannes, mit Monica Lewinsky doch eine Affäre gehabt zu haben, der schlimmste Moment ihres Lebens war, kann der Leser sicher nachvollziehen. Und man versteht nun auch die Gründe besser, warum sie trotz der Kritik vieler Amerikaner noch immer mit Bill Clinton zusammen ist.

SZ: Können sich die deutschen Leserinnen mit der Autorin identifizieren? Ketterle: Im Verlag haben wir diese Frage diskutiert, als es um den Kauf der Rechte ging. Eine Kollegin sagte: Dieses Buch wird gekauft werden, weil diese Frau polarisiert, weil sie manche Menschen abstößt und viele anzieht. Die männlichen Leser werden "Gelebte Geschichte" eher als politisches Buch wahrnehmen, und die weiblichen Leser werden sich stärker für die Person der Autorin interessieren.

SZ: Erfolgreich auf dem deutschen Markt sind momentan Bücher, die ein kritisches Amerika-Bild zeichnen und mit der Bush-Regierung abrechnen, etwa Michael Moores "Stupid White Men". Ketterle: Hillary Clinton steht für eine andere Politik als Bush, sie kämpft für ein demokratisches, liberales, tolerantes Amerika der Bürgerrechte. Das ist das Ticket, auf dem sie fährt. Man spürt in jeder Zeile, was für ein politisches Naturtalent sie ist.

SZ: Ist Hillary wirklich so aufrichtig, wie Sie sagen? Man könnte den Eindruck gewinnen, sie sei eine ebenso begnadete Selbstdarstellerin wie ihr Mann Bill. Ketterle: Ich bin mir auch bewusst, dass Hillary Clinton viel zu klug ist, um nicht jedes Wort bewusst auf ihre Wirkung abzuwägen. Wie aufrichtig das Buch wirklich ist, kann nur Hillary Clinton selbst beantworten.

SZ: Nicht jeder Politiker ist auch ein guter Autor. Wie viel Hillary steckt im Buch, bei dem Ghostwriter zugearbeitet haben? Ketterle: Es gibt viele handschriftliche Korrekturen im Manuskript, die zeigen, dass Frau Clinton eine gute Autorin ist. Ich selbst habe die knapp 600 Seiten im Original nicht mehr weglegen können.

SZ: Ihr Lieblingskapitel? Ketterle: Die Schilderung der fünfziger Jahre, als Hillary in einer Vorstadt von Chicago als Tochter eines Republikaners aufwuchs - und selbst Anhängerin des republikanischen Senators Goldwater war, bevor sie als Studentin am Wellesley College politisch erwachte und später in Yale ihren Mann Bill kennenlernte.

SZ: Das Medienecho ist positiv, der Spiegel bringt Hillary als Titelgeschichte, alles läuft nach Plan. Trotzdem müssen Sie sich gewaltig strecken, um die Lizenzkosten hereinzuholen. Ketterle: Also, eine Auflage von ein paar hunderttausend Exemplaren streben wir schon an. Wir sind aber zuversichtlich; immerhin geht das Buch bereits in die dritte Auflage.

SZ: Kommt die neue Starautorin auf ihrer Lesereise auch nach Deutschland? Ketterle: Wir hoffen, dass sie Anfang Juli in Berlin auftritt, obwohl sie im US-Senat stark beschäftigt ist. Leider kriegen wir Frau Clinton nur für 24 Stunden, ein Ausflug nach München ist wohl nicht drin. Vielleicht klappt es, wenn sie im August noch einmal nach Europa reist.

SZ: Was werden Sie Ihrer Autorin sagen, wenn Sie mit ihr ins Gespräch kommen? Ketterle: Ich hoffe, dass Sie amerikanische Präsidentin werden, Frau Clinton!

Interview: Christian Mayer

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