Interview mit Helmut Jahn:"München muss sich dem Neuen öffnen"

Lesezeit: 3 min

Der Architekt der umstrittenen "Highlight-Towers" am Mittleren Ring über das Münchner Bürgerbegehren gegen Hochhäuser und den Unterschied zu Chicago.

Interview: Alfred Dürr

Es ist so gut wie sicher, dass es demnächst in München zum Bürgerentscheid über die Bauverhinderung von Hochhäusern kommt. Wie wird dieses Thema von außen wahr genommen?

Helmut Jahn (Foto: Foto: dpa)

Der gebürtige Nürnberger Helmut Jahn, 64, zählt zu den international tätigen Stararchitekten. Er studierte und arbeitete in München, 1966 wanderte er nach Chicago aus. Das Büro Murphy/Jahn hat große Erfahrung im Hochhausbau: In Deutschland entwarf es das Sony Center in Berlin, in Frankfurt den Messeturm, in Bonn den 160 Meter hohen Verwaltungsturm der Post.

In München stammt von Jahn das Airport Center und das Munich Order Center in Freimann. Im Herbst 2004 soll sein Doppelturm (126 und 113 Meter) an der Schenkendorfstraße fertig werden. Investoren sind die in München ansässige KanAm International des Rechtsanwalts Dietrich von Boetticher und die Wiesbadener Aareal Bank.

SZ: Herr Jahn, macht sich München mit dem Anti-Hochhaus-Bürgerbegehren international lächerlich?

Helmut Jahn: Über Hochhäuser und wie sie im Stadtbild wirken, wird in vielen Städten kontrovers diskutiert, zum Beispiel in Bonn über den Turm der Deutschen Post. Das ist in Ordnung, dagegen wehre ich mich nicht. Der Turm findet inzwischen Anerkennung, als Zeichen für das neue Bonn. In München kommt mir die Haltung der Initiatoren des Bürgerbegehrens ein bisschen kleinlich vor.

SZ: Setzt sich da eine provinzielle Haltung durch?

Helmut Jahn: Ich meine, durch Studien und viele öffentliche Erörterungen ist längst bekannt, wo in der Stadt Hochhäuser hinpassen und wo nicht. Da herrschte immer große Übereinstimmung. Jetzt wird tatsächlich gebaut, und schon geht der Streit los. Wenn es aber zur endgültigen Entscheidung kommt, ob weitere Hochhäuser in München gebaut werden können, treten die Bürger bestimmt nicht auf die Bremse. Da bin ich mir sicher.

SZ: Ihr neuer Doppelturm wächst genau aus der historisch bedeutsamen Sichtachse der Ludwigstraße heraus. Das verändert das gewohnte Bild, das man vom Odeonsplatz hat.

Helmut Jahn: Manche haben ein Problem damit, ich nicht. Warum sollte München nicht zeigen, dass sich die Stadt erneuert? Diesen Mut muss man haben. Wer sich dem Neuen nicht öffnet, macht auch keine Fortschritte. Soll die Welt stehen bleiben? Diese Frage gilt sowohl für die Medizin, die Technik, die Kunst als auch für das Bauen. Wollen wir heute noch in Lehmhütten wohnen?

SZ: Sie kennen das München der sechziger Jahre aus der Zeit Ihres Studiums und Sie bauen jetzt das Hochhaus. Wie hat sich die Stadt gewandelt?

Helmut Jahn: Ich bin gerade wieder durch die Stadt spaziert, die alten Wege gegangen. München hat seinen Charakter behalten. Das ist schon ein riesiger Unterschied zu meinen Erfahrungen in Amerika. Chicago oder New York haben sich enorm verändert. Aber eine Stadt wie Chicago hätte wahrscheinlich auch gar nicht überlebt, ohne diese großen Veränderungen.

SZ: In München ist man sich darüber einig, dass die Innenstadt nicht durch Hochhäuser verändert werden soll. In den Randbereichen hat sich dagegen viel getan. Türme schaffen neue Situationen...

Helmut Jahn: ...und zwar bessere als vorher. Wenn man früher vom Flughafen auf der Autobahn in die Stadt hinein gefahren ist, war da zunächst ein etwas schäbiges Gewerbegebiet. Jetzt wächst dort die Parkstadt Schwabing, mit dem Doppelturm als besonderem Signal, dass man nach München kommt. Die Türme stehen dort ganz frech. Mit dem Hochhaus der Münchner Rück und meinem anderen Turm in der Parkstadt, der noch gebaut werden soll, entsteht ein beeindruckendes, großstädtisches Ensemble.

SZ: Die Hochhaus-Gegner üben heftige Kritik an der architektonischen Qualität der neuen Türme in München.

Helmut Jahn: Ich kann da nur über mein Projekt sprechen. Das Gebäude als Typ erfindet das Hochhaus in neuer Art und Weise. Das typische Hochhaus ist ein Rechteck oder ein Quadrat mit einem Kern in der Mitte. So etwas wie unseren Doppelturm - so schlank und so hoch - gibt es bisher nicht. Große Transparenz, viel Licht und hohe Funktionalität sind die besonderen Merkmale des Gebäudes.

SZ: München läuft nicht Gefahr, zu einer verwechselbaren und beliebigen Hochhaus-Stadt zu werden?

Helmut Jahn: Beliebigkeit und Verwechselbarkeit kann ich bei den existierenden Hochhäusern in München nicht erkennen. Die haben alle ganz individuelle Merkmale. Gerade weil ich zur Stadt eine spezielle Beziehung habe, will ich mit meinen Bauten etwas Unverwechselbares schaffen. Das ist beim Airport Center und dem Flughafenhotel Kempinski der Fall. Der Flughafen ist ein Ensemble, das es in dieser Qualität nur in München gibt. Schauen Sie sich zum Beispiel den Frankfurter Flughafen an. Da hat man eine Kiste an die andere gestellt...

SZ: Der Name Highlight-Towers für Ihr neues Münchner Werk weckt hohe Erwartungen. Sehen Sie die Doppel-Türme als Höhepunkt Ihrer Karriere?

Helmut Jahn: Auch als Architekt kann man bessere und schlechtere Tage haben. Nicht alle Werke gelingen so, wie man es sich vielleicht einmal vorgestellt hat. Aber auf die Münchner Highlight-Türme bin ich sehr stolz. Die sind mehr als nur okay, die werden richtig gut.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: