Interreligiöse Begegnung:Unter dem Davidstern

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Die jüdische Gemeinde in Regensburg bewirtet die Entourage des Papstes - mit einem koscheren Mittagessen.

Rolf Thym

Mit diesem Anruf hatten die Vorstände der jüdischen Gemeinde in Regensburg nicht gerechnet: Bischof Gerhard Ludwig Müller fragte höflich, ob im Gemeindezentrum zur Mittagszeit des 13.September wohl 25 Personen aufgenommen werden könnten - es handele sich um eine Gruppe aus der Reisebegleitung des Papstes. Der Regensburger Bischof erhielt eine freudige Zusage - und so kommt es an diesem Mittwoch in der Luzengasse zu einem religiös-diplomatisch bedeutenden Akt: Während Benedikt XVI. das Mittagessen mit seinem Bruder Georg in dessen kleiner Wohnung in einem rotgestrichenen Altstadthaus einnimmt, bedient sich die Entourage um den Reisemarschall Alberto Gasbarri an einem Büffet, das, wenige Schritte von der Wohnung des Bruders entfernt, im jüdischen Gemeindesaal unter dem Davidstern angerichtet ist.

Essen unter dem Davidstern: In Regensburg bewirtet die jüdische Gemeinde die Papst-Entourage (Foto: Foto: Archiv)

"Für uns ist das eine große Ehre", sagt Otto Schwerdt, Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde, "und es ist ein Beweis dafür, dass Religionen in guter Beziehung zusammenleben können, wenn einer den anderen respektiert."

Geheime Speisekarte

Vor dem ungewöhnlichen Gastmahl musste aber noch eine protokollarische Feinheit geregelt werden: Die Diözese hatte vorgeschlagen, selbst für die Bereitstellung der Gerichte sorgen zu wollen, wogegen die jüdische Gemeinde freundlich, aber bestimmt Einspruch erhob. In der Küche des Gemeindezentrums dürfen ausschließlich koschere Zutaten gelagert und zubereitet werden. Über die Einhaltung der religiösen Vorgaben wacht der Rabbiner. Wie wäre es denn, so schlugen die Vorstände der jüdischen Gemeinde dem Bischof vor, wenn den päpstlichen Reisebegleitern Koscheres aufgetischt würde? Die Kirche stimmte zu. Die Speisekarte allerdings ist ein Geheimnis, nur so viel wird verraten: "Unsere Gäste werden ganz zufrieden sein", sagt Schwerdt. Das koschere Mittagessen für die Gäste aus dem Vatikan wertet er als den wohl nicht mehr zu übertreffenden Höhepunkt interreligiöser Begegnung in Regensburg, die aus Sicht der jüdischen Gemeinde ohnehin gut funktioniert.

Vertreter der beiden christlichen Kirchen sind gern gesehene Gäste bei Feierlichkeiten der Regensburger jüdischen Glaubens. "Wir laden auch die Muslime ein", betont Schwerdt, denn schließlich "wollen wir allen zeigen, dass man zusammenleben kann, wenn man will".

Vertreibung und Schutz

Die christlichen und die jüdischen Bewohner der Stadt haben eine gemeinsame Geschichte, die bis ins 10. Jahrhundert zurückreicht. Nur zwei Gehminuten vom Dom entfernt lag einst das jüdische Viertel, bei den Regensburger Juden nahmen Klöster, Adelige und die Stadtkasse Kredite auf. Über die Jahrhunderte erlebten die jüdischen Regensburger immer wieder Verfolgung und Zwangstaufen, aber auch den Schutz von Kaisern und Bürgern. Von 1470 an begann, so schreibt der Historiker Andreas Angerstorfer, ,,eine Vertreibung auf Raten''. Kaiser Maximilian I. zum Beispiel hielt seine Hand schützend über die Juden. Doch als er 1519 starb, brach ein vom Stadtrat beschlossenes Pogrom los, das jüdische Viertel wurde zerstört. Dort, wo es einst stand, erinnern heute Ausgrabungen und eine Bodenskulptur des aus Israel stammenden Künstlers Dani Karavan an die Geschichte der Regensburger Juden. Deren Gemeinde beklagte am Ende des Nazi-Regimes bis zu 250 Ermordete, abermals war die Synagoge zerstört. Erst 1969 wurde ein neuer Gemeindesaal gebaut. Derzeit leben 500 Menschen jüdischen Glaubens in Regensburg.

(SZ vom 13.9.06)

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